se drehte sich die Thüre in den Angeln, der Mahler war verschwunden. --
So wie der helle Tag nur angebrochen, erschien der Kerkermeister mit seinen Knech¬ ten, die mir die Fesseln von den wunden Armen und Füßen ablößten. Ich solle bald zum Verhör hinaufgeführt werden, hieß es. Tief in mich gekehrt, mit dem Gedanken des nahen Todes vertraut, schritt ich hinauf in den Gerichtssaal; mein Bekenntniß hatte ich im Innern so geordnet, daß ich dem Richter eine kurze, aber den kleinsten Umstand mit aufgreifende Erzählung zu machen hoffte. Der Richter kam mir schnell entgegen, ich mußte höchst entstellt aussehen, denn bei mei¬ nem Anblick verzog sich schnell das freudige Lächeln, das erst auf seinem Gesicht schwebte, zur Miene des tiefsten Mitleids. Er faßte meine beiden Hände und schob mich sanft in seinen Lehnstuhl. Dann mich starr an¬ schauend, sagte er langsam und feierlich: "Herr von Krcszinski! ich habe Ihnen frohes zu
ſe drehte ſich die Thuͤre in den Angeln, der Mahler war verſchwunden. —
So wie der helle Tag nur angebrochen, erſchien der Kerkermeiſter mit ſeinen Knech¬ ten, die mir die Feſſeln von den wunden Armen und Fuͤßen abloͤßten. Ich ſolle bald zum Verhoͤr hinaufgefuͤhrt werden, hieß es. Tief in mich gekehrt, mit dem Gedanken des nahen Todes vertraut, ſchritt ich hinauf in den Gerichtsſaal; mein Bekenntniß hatte ich im Innern ſo geordnet, daß ich dem Richter eine kurze, aber den kleinſten Umſtand mit aufgreifende Erzaͤhlung zu machen hoffte. Der Richter kam mir ſchnell entgegen, ich mußte hoͤchſt entſtellt ausſehen, denn bei mei¬ nem Anblick verzog ſich ſchnell das freudige Laͤcheln, das erſt auf ſeinem Geſicht ſchwebte, zur Miene des tiefſten Mitleids. Er faßte meine beiden Haͤnde und ſchob mich ſanft in ſeinen Lehnſtuhl. Dann mich ſtarr an¬ ſchauend, ſagte er langſam und feierlich: „Herr von Krcszinski! ich habe Ihnen frohes zu
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ſe drehte ſich die Thuͤre in den Angeln, der
Mahler war verſchwunden. —
So wie der helle Tag nur angebrochen,
erſchien der Kerkermeiſter mit ſeinen Knech¬
ten, die mir die Feſſeln von den wunden
Armen und Fuͤßen abloͤßten. Ich ſolle bald
zum Verhoͤr hinaufgefuͤhrt werden, hieß es.
Tief in mich gekehrt, mit dem Gedanken des
nahen Todes vertraut, ſchritt ich hinauf in
den Gerichtsſaal; mein Bekenntniß hatte ich
im Innern ſo geordnet, daß ich dem Richter
eine kurze, aber den kleinſten Umſtand mit
aufgreifende Erzaͤhlung zu machen hoffte.
Der Richter kam mir ſchnell entgegen, ich
mußte hoͤchſt entſtellt ausſehen, denn bei mei¬
nem Anblick verzog ſich ſchnell das freudige
Laͤcheln, das erſt auf ſeinem Geſicht ſchwebte,
zur Miene des tiefſten Mitleids. Er faßte
meine beiden Haͤnde und ſchob mich ſanft
in ſeinen Lehnſtuhl. Dann mich ſtarr an¬
ſchauend, ſagte er langſam und feierlich: „Herr
von Krcszinski! ich habe Ihnen frohes zu
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/74>, abgerufen am 30.11.2024.
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