ihn zur Ruhe. Der Richter sah das von mir geschriebene polnische Blatt sehr aufmerk¬ sam durch, dann stand er auf, trat dicht vor mir hin, und sagte mit sehr ernstem, entschei¬ dendem Ton:
"Sie sind kein Pole. Diese Schrift ist durchaus unrichtig, voller grammatischer und orthographischer Fehler. Kein Nationalpole schreibt so, wäre er auch viel weniger wis¬ senschaftlich ausgebildet, als Sie es sind."
Ich bin in Krcziniewo geboren, folg¬ lich allerdings ein Pole. Selbst aber in dem Fall, daß ich es nicht wäre, daß geheim¬ nißvolle Umstände mich zwängen, Stand und Namen zu verläugnen, so würde ich deshalb doch nicht der Capuziner Medardus seyn dür¬ fen, der aus dem Kloster in B., wie ich glau¬ ben muß, entsprang.
"Ach Bruder Medardus, fiel Cyrillus ein: schickte Dich unser ehrwürdiger Prior Leonar¬ dus nicht im Vertrauen auf Deine Treue und Frömmigkeit nach Rom? ... Bruder Medar¬
ihn zur Ruhe. Der Richter ſah das von mir geſchriebene polniſche Blatt ſehr aufmerk¬ ſam durch, dann ſtand er auf, trat dicht vor mir hin, und ſagte mit ſehr ernſtem, entſchei¬ dendem Ton:
„Sie ſind kein Pole. Dieſe Schrift iſt durchaus unrichtig, voller grammatiſcher und orthographiſcher Fehler. Kein Nationalpole ſchreibt ſo, waͤre er auch viel weniger wiſ¬ ſenſchaftlich ausgebildet, als Sie es ſind.“
Ich bin in Krcziniewo geboren, folg¬ lich allerdings ein Pole. Selbſt aber in dem Fall, daß ich es nicht waͤre, daß geheim¬ nißvolle Umſtaͤnde mich zwaͤngen, Stand und Namen zu verlaͤugnen, ſo wuͤrde ich deshalb doch nicht der Capuziner Medardus ſeyn duͤr¬ fen, der aus dem Kloſter in B., wie ich glau¬ ben muß, entſprang.
„Ach Bruder Medardus, fiel Cyrillus ein: ſchickte Dich unſer ehrwuͤrdiger Prior Leonar¬ dus nicht im Vertrauen auf Deine Treue und Froͤmmigkeit nach Rom? ... Bruder Medar¬
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[47/0055]
ihn zur Ruhe. Der Richter ſah das von mir
geſchriebene polniſche Blatt ſehr aufmerk¬
ſam durch, dann ſtand er auf, trat dicht vor
mir hin, und ſagte mit ſehr ernſtem, entſchei¬
dendem Ton:
„Sie ſind kein Pole. Dieſe Schrift iſt
durchaus unrichtig, voller grammatiſcher und
orthographiſcher Fehler. Kein Nationalpole
ſchreibt ſo, waͤre er auch viel weniger wiſ¬
ſenſchaftlich ausgebildet, als Sie es ſind.“
Ich bin in Krcziniewo geboren, folg¬
lich allerdings ein Pole. Selbſt aber in
dem Fall, daß ich es nicht waͤre, daß geheim¬
nißvolle Umſtaͤnde mich zwaͤngen, Stand und
Namen zu verlaͤugnen, ſo wuͤrde ich deshalb
doch nicht der Capuziner Medardus ſeyn duͤr¬
fen, der aus dem Kloſter in B., wie ich glau¬
ben muß, entſprang.
„Ach Bruder Medardus, fiel Cyrillus ein:
ſchickte Dich unſer ehrwuͤrdiger Prior Leonar¬
dus nicht im Vertrauen auf Deine Treue und
Froͤmmigkeit nach Rom? ... Bruder Medar¬
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/55>, abgerufen am 28.11.2024.
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