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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

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als er es in seine Arme fassen wollte, sah
er wohl, daß es todte Leinewand geblieben.
Dann zerraufte er sein Haar und gebehrdete
sich wie einer, der von dem Satan besessen.
Schon zwei Tage und zwei Nächte hatte es
Francesko so getrieben; am dritten Tag, als
er, wie eine erstarrte Bildsäule, vor dem
Bilde stand, ging die Thüre seines Gemachs
auf, und es rauschte hinter ihm wie mit weib¬
lichen Gewändern. Er drehte sich um und
erblickte ein Weib, das er für das Original
seines Bildes erkannte. Es wären ihm schier
die Sinne vergangen, als er das Bild, wel¬
ches er aus seinen innersten Gedanken nach
einem Marmorbilde erschaffen, nun lebendig
vor sich in aller nur erdenklichen Schönheit
erblickte, und es wandelte ihn beinahe ein
Grausen an, wenn er das Gemälde ansah,
das nun wie eine getreuliche Abspiegelung des
fremden Weibes erschien. Es geschah ihm dasje¬
nige was die wunderbarliche Erscheinung eines
Geistes zu bewirken pflegt, die Zunge war

als er es in ſeine Arme faſſen wollte, ſah
er wohl, daß es todte Leinewand geblieben.
Dann zerraufte er ſein Haar und gebehrdete
ſich wie einer, der von dem Satan beſeſſen.
Schon zwei Tage und zwei Naͤchte hatte es
Francesko ſo getrieben; am dritten Tag, als
er, wie eine erſtarrte Bildſaͤule, vor dem
Bilde ſtand, ging die Thuͤre ſeines Gemachs
auf, und es rauſchte hinter ihm wie mit weib¬
lichen Gewaͤndern. Er drehte ſich um und
erblickte ein Weib, das er fuͤr das Original
ſeines Bildes erkannte. Es waͤren ihm ſchier
die Sinne vergangen, als er das Bild, wel¬
ches er aus ſeinen innerſten Gedanken nach
einem Marmorbilde erſchaffen, nun lebendig
vor ſich in aller nur erdenklichen Schoͤnheit
erblickte, und es wandelte ihn beinahe ein
Grauſen an, wenn er das Gemaͤlde anſah,
das nun wie eine getreuliche Abſpiegelung des
fremden Weibes erſchien. Es geſchah ihm dasje¬
nige was die wunderbarliche Erſcheinung eines
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[220/0228] als er es in ſeine Arme faſſen wollte, ſah er wohl, daß es todte Leinewand geblieben. Dann zerraufte er ſein Haar und gebehrdete ſich wie einer, der von dem Satan beſeſſen. Schon zwei Tage und zwei Naͤchte hatte es Francesko ſo getrieben; am dritten Tag, als er, wie eine erſtarrte Bildſaͤule, vor dem Bilde ſtand, ging die Thuͤre ſeines Gemachs auf, und es rauſchte hinter ihm wie mit weib¬ lichen Gewaͤndern. Er drehte ſich um und erblickte ein Weib, das er fuͤr das Original ſeines Bildes erkannte. Es waͤren ihm ſchier die Sinne vergangen, als er das Bild, wel¬ ches er aus ſeinen innerſten Gedanken nach einem Marmorbilde erſchaffen, nun lebendig vor ſich in aller nur erdenklichen Schoͤnheit erblickte, und es wandelte ihn beinahe ein Grauſen an, wenn er das Gemaͤlde anſah, das nun wie eine getreuliche Abſpiegelung des fremden Weibes erſchien. Es geſchah ihm dasje¬ nige was die wunderbarliche Erſcheinung eines Geiſtes zu bewirken pflegt, die Zunge war

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/228>, abgerufen am 25.11.2024.