neines Ordens einzutreten wünsche. Mit der Freundlichkeit, die den italiänischen Mön¬ chen eigen, bewirthete man mich reichlich, und der Prior erklärte, daß, in sofern mich nicht vielleicht die Erfüllung eines Gelübdes weiter zu pilgern nöthige, ich als Fremder so lange im Kloster bleiben könne, als es mir anstehen würde. Es war Vesperzeit, die Mönche gingen in den Chor, und ich trat in die Kirche. Der kühne, herrliche Bau des Schiffs setzte mich nicht wenig in Verwun¬ derung, aber mein zur Erde gebeugter Geist konnte sich nicht erheben, wie es sonst ge¬ schah, seit der Zeit, als ich, ein kaum er¬ wachtes Kind, die Kirche der heiligen Linde geschaut hatte. Nachdem ich mein Gebet am Hochaltar verrichtet, schritt ich durch die Seitengänge, die Altargemälde betrachtend, welche, wie gewöhnlich, die Martyrien der Heiligen, denen sie geweiht, darstellten. Endlich trat ich in eine Seitenkapelle, deren Altar von den, durch die bunten Fensterschei¬
neines Ordens einzutreten wuͤnſche. Mit der Freundlichkeit, die den italiaͤniſchen Moͤn¬ chen eigen, bewirthete man mich reichlich, und der Prior erklaͤrte, daß, in ſofern mich nicht vielleicht die Erfuͤllung eines Geluͤbdes weiter zu pilgern noͤthige, ich als Fremder ſo lange im Kloſter bleiben koͤnne, als es mir anſtehen wuͤrde. Es war Vesperzeit, die Moͤnche gingen in den Chor, und ich trat in die Kirche. Der kuͤhne, herrliche Bau des Schiffs ſetzte mich nicht wenig in Verwun¬ derung, aber mein zur Erde gebeugter Geiſt konnte ſich nicht erheben, wie es ſonſt ge¬ ſchah, ſeit der Zeit, als ich, ein kaum er¬ wachtes Kind, die Kirche der heiligen Linde geſchaut hatte. Nachdem ich mein Gebet am Hochaltar verrichtet, ſchritt ich durch die Seitengaͤnge, die Altargemaͤlde betrachtend, welche, wie gewoͤhnlich, die Martyrien der Heiligen, denen ſie geweiht, darſtellten. Endlich trat ich in eine Seitenkapelle, deren Altar von den, durch die bunten Fenſterſchei¬
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neines Ordens einzutreten wuͤnſche. Mit der
Freundlichkeit, die den italiaͤniſchen Moͤn¬
chen eigen, bewirthete man mich reichlich,
und der Prior erklaͤrte, daß, in ſofern mich
nicht vielleicht die Erfuͤllung eines Geluͤbdes
weiter zu pilgern noͤthige, ich als Fremder
ſo lange im Kloſter bleiben koͤnne, als es
mir anſtehen wuͤrde. Es war Vesperzeit,
die Moͤnche gingen in den Chor, und ich trat
in die Kirche. Der kuͤhne, herrliche Bau des
Schiffs ſetzte mich nicht wenig in Verwun¬
derung, aber mein zur Erde gebeugter Geiſt
konnte ſich nicht erheben, wie es ſonſt ge¬
ſchah, ſeit der Zeit, als ich, ein kaum er¬
wachtes Kind, die Kirche der heiligen Linde
geſchaut hatte. Nachdem ich mein Gebet am
Hochaltar verrichtet, ſchritt ich durch die
Seitengaͤnge, die Altargemaͤlde betrachtend,
welche, wie gewoͤhnlich, die Martyrien der
Heiligen, denen ſie geweiht, darſtellten.
Endlich trat ich in eine Seitenkapelle, deren
Altar von den, durch die bunten Fenſterſchei¬
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/193>, abgerufen am 29.11.2024.
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