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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816.

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mit sanfter Stimme: ist denn deine Kraft
gebrochen, daß du nicht zu widerstehen ver¬
magst den Verlockungen des Satans? --
Jetzt kann ich erst Dein Innres durchschau¬
en, denn mir ist die Last des Irrdischen ent¬
nommen! -- Erhebe dich Franciskus! ich
will dich schmücken mit Bändern und Blu¬
men, denn es ist der Tag des heiligen
Bernardus gekommen und du sollst wie¬
der ein frommer Knabe seyn!" -- Da war
es mir, als müsse ich wie sonst einen Hym¬
nus anstimmen zum Lobe des Heiligen, aber
entsetzlich tobte es dazwischen, mein Gesang
wurde ein wildes Geheul, und schwarze
Schleier rauschten herab, zwischen mir und
der Gestalt meiner Mutter. -- Mehrere Ta¬
ge nach dieser Vision begegnete mir der Cri¬
minalrichter auf der Straße. Er trat freund¬
lich auf mich zu. "Wissen Sie schon, fing er
an: daß der Prozeß des Capuziners Medar¬
dus
wieder zweifelhaft worden? Das Urteil
das ihm höchst wahrscheinlich den Tod zuer¬

mit ſanfter Stimme: iſt denn deine Kraft
gebrochen, daß du nicht zu widerſtehen ver¬
magſt den Verlockungen des Satans? —
Jetzt kann ich erſt Dein Innres durchſchau¬
en, denn mir iſt die Laſt des Irrdiſchen ent¬
nommen! — Erhebe dich Franciskus! ich
will dich ſchmuͤcken mit Baͤndern und Blu¬
men, denn es iſt der Tag des heiligen
Bernardus gekommen und du ſollſt wie¬
der ein frommer Knabe ſeyn!“ — Da war
es mir, als muͤſſe ich wie ſonſt einen Hym¬
nus anſtimmen zum Lobe des Heiligen, aber
entſetzlich tobte es dazwiſchen, mein Geſang
wurde ein wildes Geheul, und ſchwarze
Schleier rauſchten herab, zwiſchen mir und
der Geſtalt meiner Mutter. — Mehrere Ta¬
ge nach dieſer Viſion begegnete mir der Cri¬
minalrichter auf der Straße. Er trat freund¬
lich auf mich zu. „Wiſſen Sie ſchon, fing er
an: daß der Prozeß des Capuziners Medar¬
dus
wieder zweifelhaft worden? Das Urteil
das ihm hoͤchſt wahrſcheinlich den Tod zuer¬

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[143/0151] mit ſanfter Stimme: iſt denn deine Kraft gebrochen, daß du nicht zu widerſtehen ver¬ magſt den Verlockungen des Satans? — Jetzt kann ich erſt Dein Innres durchſchau¬ en, denn mir iſt die Laſt des Irrdiſchen ent¬ nommen! — Erhebe dich Franciskus! ich will dich ſchmuͤcken mit Baͤndern und Blu¬ men, denn es iſt der Tag des heiligen Bernardus gekommen und du ſollſt wie¬ der ein frommer Knabe ſeyn!“ — Da war es mir, als muͤſſe ich wie ſonſt einen Hym¬ nus anſtimmen zum Lobe des Heiligen, aber entſetzlich tobte es dazwiſchen, mein Geſang wurde ein wildes Geheul, und ſchwarze Schleier rauſchten herab, zwiſchen mir und der Geſtalt meiner Mutter. — Mehrere Ta¬ ge nach dieſer Viſion begegnete mir der Cri¬ minalrichter auf der Straße. Er trat freund¬ lich auf mich zu. „Wiſſen Sie ſchon, fing er an: daß der Prozeß des Capuziners Medar¬ dus wieder zweifelhaft worden? Das Urteil das ihm hoͤchſt wahrſcheinlich den Tod zuer¬

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 2. Berlin, 1816, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere02_1816/151>, abgerufen am 03.05.2024.