der heilige Antonius! -- Als ich aus dem bewustlosen Zustand, in den ich mit jenen Worten versunken, wieder erwachte, befand ich mich auf meinem Lager, und der Bruder Cyrillus saß neben mir, mich pflegend und tröstend. Das schreckliche Bild des Unbe¬ kannten stand mir noch lebhaft vor Augen, aber je mehr der Bruder Cyrillus, dem ich alles erzählte, mich zu überzeugen suchte, daß dieses nur ein Gaukelbild meiner durch das eifrige und starke Reden erhitzten Fan¬ tasie gewesen, desto tiefer fühlte ich bittre Reue und Schaam über mein Betragen auf der Kanzel. Die Zuhörer dachten, wie ich nachher erfuhr, es habe mich ein plötzlicher Wahnsinn überfallen, wozu ihnen vorzüglich mein letzter Ausruf gerechten Anlaß gab. Ich war zerknirscht -- zerrüttet im Geiste; eingeschlossen in meine Zelle, unterwarf ich mich den strengsten Bußübungen, und stärkte mich durch inbrünstige Gebete zum Kampfe mit dem Versucher, der mir selbst an heili¬
I. [ 5 ]
der heilige Antonius! — Als ich aus dem bewuſtloſen Zuſtand, in den ich mit jenen Worten verſunken, wieder erwachte, befand ich mich auf meinem Lager, und der Bruder Cyrillus ſaß neben mir, mich pflegend und troͤſtend. Das ſchreckliche Bild des Unbe¬ kannten ſtand mir noch lebhaft vor Augen, aber je mehr der Bruder Cyrillus, dem ich alles erzaͤhlte, mich zu uͤberzeugen ſuchte, daß dieſes nur ein Gaukelbild meiner durch das eifrige und ſtarke Reden erhitzten Fan¬ taſie geweſen, deſto tiefer fuͤhlte ich bittre Reue und Schaam uͤber mein Betragen auf der Kanzel. Die Zuhoͤrer dachten, wie ich nachher erfuhr, es habe mich ein ploͤtzlicher Wahnſinn uͤberfallen, wozu ihnen vorzuͤglich mein letzter Ausruf gerechten Anlaß gab. Ich war zerknirſcht — zerruͤttet im Geiſte; eingeſchloſſen in meine Zelle, unterwarf ich mich den ſtrengſten Bußuͤbungen, und ſtaͤrkte mich durch inbruͤnſtige Gebete zum Kampfe mit dem Verſucher, der mir ſelbſt an heili¬
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der heilige Antonius! — Als ich aus dem
bewuſtloſen Zuſtand, in den ich mit jenen
Worten verſunken, wieder erwachte, befand
ich mich auf meinem Lager, und der Bruder
Cyrillus ſaß neben mir, mich pflegend und
troͤſtend. Das ſchreckliche Bild des Unbe¬
kannten ſtand mir noch lebhaft vor Augen,
aber je mehr der Bruder Cyrillus, dem ich
alles erzaͤhlte, mich zu uͤberzeugen ſuchte,
daß dieſes nur ein Gaukelbild meiner durch
das eifrige und ſtarke Reden erhitzten Fan¬
taſie geweſen, deſto tiefer fuͤhlte ich bittre
Reue und Schaam uͤber mein Betragen auf
der Kanzel. Die Zuhoͤrer dachten, wie ich
nachher erfuhr, es habe mich ein ploͤtzlicher
Wahnſinn uͤberfallen, wozu ihnen vorzuͤglich
mein letzter Ausruf gerechten Anlaß gab.
Ich war zerknirſcht — zerruͤttet im Geiſte;
eingeſchloſſen in meine Zelle, unterwarf ich
mich den ſtrengſten Bußuͤbungen, und ſtaͤrkte
mich durch inbruͤnſtige Gebete zum Kampfe
mit dem Verſucher, der mir ſelbſt an heili¬
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/81>, abgerufen am 25.11.2024.
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