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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815.

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kannt. Er stand, Rücksichts der geistigen Aus¬
bildung unserm Prior an der Seite, und um
so weniger trug ich Bedenken, das zu äu¬
ßern, was sich gewaltsam aus meinem Innern
hervordrängte. "Sollten denn, lieber Bruder
Cyrillus, sagte ich, alle diese Dinge gewiß
und wahrhaftig das seyn, wofür man sie
ausgiebt? -- Sollte auch hier nicht die be¬
trügerische Habsucht Manches untergeschoben
haben, was nun als wahre Reliquie dieses
oder jenes Heiligen gilt? So z. B. besitzt
irgend ein Kloster das ganze Kreuz unsers
Erlösers, und doch zeigt man überall wieder
so viel Späne davon, daß, wie jemand von
uns selbst, freilich in frevelichem Spott, be¬
hauptete, unser Kloster ein ganzes Jahr hin¬
durch damit geheitzt werden könnte." -- Es
geziemt uns wohl eigentlich nicht, erwie¬
derte der Bruder Cyrillus, diese Dinge einer
solchen Untersuchung zu unterziehen, allein
offenherzig gestanden, bin ich der Meinung,
daß, der darüber sprechenden Dokumente un¬

kannt. Er ſtand, Ruͤckſichts der geiſtigen Aus¬
bildung unſerm Prior an der Seite, und um
ſo weniger trug ich Bedenken, das zu aͤu¬
ßern, was ſich gewaltſam aus meinem Innern
hervordraͤngte. „Sollten denn, lieber Bruder
Cyrillus, ſagte ich, alle dieſe Dinge gewiß
und wahrhaftig das ſeyn, wofuͤr man ſie
ausgiebt? — Sollte auch hier nicht die be¬
truͤgeriſche Habſucht Manches untergeſchoben
haben, was nun als wahre Reliquie dieſes
oder jenes Heiligen gilt? So z. B. beſitzt
irgend ein Kloſter das ganze Kreuz unſers
Erloͤſers, und doch zeigt man uͤberall wieder
ſo viel Spaͤne davon, daß, wie jemand von
uns ſelbſt, freilich in frevelichem Spott, be¬
hauptete, unſer Kloſter ein ganzes Jahr hin¬
durch damit geheitzt werden koͤnnte.“ — Es
geziemt uns wohl eigentlich nicht, erwie¬
derte der Bruder Cyrillus, dieſe Dinge einer
ſolchen Unterſuchung zu unterziehen, allein
offenherzig geſtanden, bin ich der Meinung,
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[44/0060] kannt. Er ſtand, Ruͤckſichts der geiſtigen Aus¬ bildung unſerm Prior an der Seite, und um ſo weniger trug ich Bedenken, das zu aͤu¬ ßern, was ſich gewaltſam aus meinem Innern hervordraͤngte. „Sollten denn, lieber Bruder Cyrillus, ſagte ich, alle dieſe Dinge gewiß und wahrhaftig das ſeyn, wofuͤr man ſie ausgiebt? — Sollte auch hier nicht die be¬ truͤgeriſche Habſucht Manches untergeſchoben haben, was nun als wahre Reliquie dieſes oder jenes Heiligen gilt? So z. B. beſitzt irgend ein Kloſter das ganze Kreuz unſers Erloͤſers, und doch zeigt man uͤberall wieder ſo viel Spaͤne davon, daß, wie jemand von uns ſelbſt, freilich in frevelichem Spott, be¬ hauptete, unſer Kloſter ein ganzes Jahr hin¬ durch damit geheitzt werden koͤnnte.“ — Es geziemt uns wohl eigentlich nicht, erwie¬ derte der Bruder Cyrillus, dieſe Dinge einer ſolchen Unterſuchung zu unterziehen, allein offenherzig geſtanden, bin ich der Meinung, daß, der daruͤber ſprechenden Dokumente un¬

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/60>, abgerufen am 23.11.2024.