kannt. Er stand, Rücksichts der geistigen Aus¬ bildung unserm Prior an der Seite, und um so weniger trug ich Bedenken, das zu äu¬ ßern, was sich gewaltsam aus meinem Innern hervordrängte. "Sollten denn, lieber Bruder Cyrillus, sagte ich, alle diese Dinge gewiß und wahrhaftig das seyn, wofür man sie ausgiebt? -- Sollte auch hier nicht die be¬ trügerische Habsucht Manches untergeschoben haben, was nun als wahre Reliquie dieses oder jenes Heiligen gilt? So z. B. besitzt irgend ein Kloster das ganze Kreuz unsers Erlösers, und doch zeigt man überall wieder so viel Späne davon, daß, wie jemand von uns selbst, freilich in frevelichem Spott, be¬ hauptete, unser Kloster ein ganzes Jahr hin¬ durch damit geheitzt werden könnte." -- Es geziemt uns wohl eigentlich nicht, erwie¬ derte der Bruder Cyrillus, diese Dinge einer solchen Untersuchung zu unterziehen, allein offenherzig gestanden, bin ich der Meinung, daß, der darüber sprechenden Dokumente un¬
kannt. Er ſtand, Ruͤckſichts der geiſtigen Aus¬ bildung unſerm Prior an der Seite, und um ſo weniger trug ich Bedenken, das zu aͤu¬ ßern, was ſich gewaltſam aus meinem Innern hervordraͤngte. „Sollten denn, lieber Bruder Cyrillus, ſagte ich, alle dieſe Dinge gewiß und wahrhaftig das ſeyn, wofuͤr man ſie ausgiebt? — Sollte auch hier nicht die be¬ truͤgeriſche Habſucht Manches untergeſchoben haben, was nun als wahre Reliquie dieſes oder jenes Heiligen gilt? So z. B. beſitzt irgend ein Kloſter das ganze Kreuz unſers Erloͤſers, und doch zeigt man uͤberall wieder ſo viel Spaͤne davon, daß, wie jemand von uns ſelbſt, freilich in frevelichem Spott, be¬ hauptete, unſer Kloſter ein ganzes Jahr hin¬ durch damit geheitzt werden koͤnnte.“ — Es geziemt uns wohl eigentlich nicht, erwie¬ derte der Bruder Cyrillus, dieſe Dinge einer ſolchen Unterſuchung zu unterziehen, allein offenherzig geſtanden, bin ich der Meinung, daß, der daruͤber ſprechenden Dokumente un¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0060"n="44"/>
kannt. Er ſtand, Ruͤckſichts der geiſtigen Aus¬<lb/>
bildung unſerm Prior an der Seite, und um<lb/>ſo weniger trug ich Bedenken, das zu aͤu¬<lb/>
ßern, was ſich gewaltſam aus meinem Innern<lb/>
hervordraͤngte. „Sollten denn, lieber Bruder<lb/>
Cyrillus, ſagte ich, alle dieſe Dinge gewiß<lb/>
und wahrhaftig das ſeyn, wofuͤr man ſie<lb/>
ausgiebt? — Sollte auch hier nicht die be¬<lb/>
truͤgeriſche Habſucht Manches untergeſchoben<lb/>
haben, was nun als wahre Reliquie dieſes<lb/>
oder jenes Heiligen gilt? So z. B. beſitzt<lb/>
irgend ein Kloſter das ganze Kreuz unſers<lb/>
Erloͤſers, und doch zeigt man uͤberall wieder<lb/>ſo viel Spaͤne davon, daß, wie jemand von<lb/>
uns ſelbſt, freilich in frevelichem Spott, be¬<lb/>
hauptete, unſer Kloſter ein ganzes Jahr hin¬<lb/>
durch damit geheitzt werden koͤnnte.“— Es<lb/>
geziemt uns wohl eigentlich nicht, erwie¬<lb/>
derte der Bruder Cyrillus, dieſe Dinge einer<lb/>ſolchen Unterſuchung zu unterziehen, allein<lb/>
offenherzig geſtanden, bin ich der Meinung,<lb/>
daß, der daruͤber ſprechenden Dokumente un¬<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[44/0060]
kannt. Er ſtand, Ruͤckſichts der geiſtigen Aus¬
bildung unſerm Prior an der Seite, und um
ſo weniger trug ich Bedenken, das zu aͤu¬
ßern, was ſich gewaltſam aus meinem Innern
hervordraͤngte. „Sollten denn, lieber Bruder
Cyrillus, ſagte ich, alle dieſe Dinge gewiß
und wahrhaftig das ſeyn, wofuͤr man ſie
ausgiebt? — Sollte auch hier nicht die be¬
truͤgeriſche Habſucht Manches untergeſchoben
haben, was nun als wahre Reliquie dieſes
oder jenes Heiligen gilt? So z. B. beſitzt
irgend ein Kloſter das ganze Kreuz unſers
Erloͤſers, und doch zeigt man uͤberall wieder
ſo viel Spaͤne davon, daß, wie jemand von
uns ſelbſt, freilich in frevelichem Spott, be¬
hauptete, unſer Kloſter ein ganzes Jahr hin¬
durch damit geheitzt werden koͤnnte.“ — Es
geziemt uns wohl eigentlich nicht, erwie¬
derte der Bruder Cyrillus, dieſe Dinge einer
ſolchen Unterſuchung zu unterziehen, allein
offenherzig geſtanden, bin ich der Meinung,
daß, der daruͤber ſprechenden Dokumente un¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/60>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.