Man läutete zur Vesper, die Schwester hatte eine Menge Zuckerwerk in eine Düte gepackt, die sie mir gab und die ich voller Vergnügen einsteckte. Die Aebtissin stand auf und sagte zu meiner Mutter: ich sehe euern Sohn als meinen Zögling an, liebe Frau! Und will von nun an für ihn sorgen. Meine Mutter konnte vor Wehmuth nicht sprechen, sie küßte, heiße Thränen vergie¬ ßend, die Hände der Fürstin. Schon woll¬ ten wir zur Thüre hinaustreten, als die Für¬ stin uns nachkam, mich nochmals aufhob, sorgfältig das Kreuz bei Seite schiebend, mich an sich drückte, und heftig weinend, so daß die heißen Tropfen auf meine Stirne fielen, ausrief: Franziskus! -- Bleibe fromm und gut! -- Ich war im Innersten bewegt und mußte auch weinen, ohne eigentlich zu wissen warum. --
Durch die Unterstützung der Aebtissin ge¬ wann der kleine Haushalt meiner Mutter, die unfern dem Kloster in einer kleinen Meie¬
Man laͤutete zur Veſper, die Schweſter hatte eine Menge Zuckerwerk in eine Duͤte gepackt, die ſie mir gab und die ich voller Vergnuͤgen einſteckte. Die Aebtiſſin ſtand auf und ſagte zu meiner Mutter: ich ſehe euern Sohn als meinen Zoͤgling an, liebe Frau! Und will von nun an fuͤr ihn ſorgen. Meine Mutter konnte vor Wehmuth nicht ſprechen, ſie kuͤßte, heiße Thraͤnen vergie¬ ßend, die Haͤnde der Fuͤrſtin. Schon woll¬ ten wir zur Thuͤre hinaustreten, als die Fuͤr¬ ſtin uns nachkam, mich nochmals aufhob, ſorgfaͤltig das Kreuz bei Seite ſchiebend, mich an ſich druͤckte, und heftig weinend, ſo daß die heißen Tropfen auf meine Stirne fielen, ausrief: Franziskus! — Bleibe fromm und gut! — Ich war im Innerſten bewegt und mußte auch weinen, ohne eigentlich zu wiſſen warum. —
Durch die Unterſtuͤtzung der Aebtiſſin ge¬ wann der kleine Haushalt meiner Mutter, die unfern dem Kloſter in einer kleinen Meie¬
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Man laͤutete zur Veſper, die Schweſter
hatte eine Menge Zuckerwerk in eine Duͤte
gepackt, die ſie mir gab und die ich voller
Vergnuͤgen einſteckte. Die Aebtiſſin ſtand
auf und ſagte zu meiner Mutter: ich ſehe
euern Sohn als meinen Zoͤgling an, liebe
Frau! Und will von nun an fuͤr ihn ſorgen.
Meine Mutter konnte vor Wehmuth nicht
ſprechen, ſie kuͤßte, heiße Thraͤnen vergie¬
ßend, die Haͤnde der Fuͤrſtin. Schon woll¬
ten wir zur Thuͤre hinaustreten, als die Fuͤr¬
ſtin uns nachkam, mich nochmals aufhob,
ſorgfaͤltig das Kreuz bei Seite ſchiebend,
mich an ſich druͤckte, und heftig weinend, ſo
daß die heißen Tropfen auf meine Stirne
fielen, ausrief: Franziskus! — Bleibe fromm
und gut! — Ich war im Innerſten bewegt
und mußte auch weinen, ohne eigentlich zu
wiſſen warum. —
Durch die Unterſtuͤtzung der Aebtiſſin ge¬
wann der kleine Haushalt meiner Mutter,
die unfern dem Kloſter in einer kleinen Meie¬
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/30>, abgerufen am 23.11.2024.
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