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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815.

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überhand; er starb entsündigt und getröstet
in demselben Augenblick, als ich gebohren
wurde. -- Mit dem ersten Bewustseyn däm¬
mern in mir die lieblichen Bilder von dem
Kloster, und von der herrlichen Kirche in der
heiligen Linde, auf. Mich umrauscht noch
der dunkle Wald -- mich umduften noch die
üppig aufgekeimten Gräser, die bunten Blu¬
men, die meine Wiege waren. Kein gifti¬
ges Thier, kein schädliches Insekt nistet in
dem Heiligthum der Gebenedeyten; nicht das
Sumsen einer Fliege, nicht das Zirpen des
Heimchens unterbricht die heilige Stille, in
der nur die frommen Gesänge der Priester
erhallen, die, mit den Pilgern goldne Rauch¬
fäßer schwingend, aus denen der Duft des
Weyhrauchopfers emporsteigt, in langen Zü¬
gen daherziehen. Noch sehe ich, mitten in der
Kirche, den mit Silber überzogenen Stamm
der Linde, auf welche die Engel das wun¬
derthätige Bild der heiligen Jungfrau nie¬
dersetzten. Noch lächeln mich die bunten Ge¬

uͤberhand; er ſtarb entſuͤndigt und getroͤſtet
in demſelben Augenblick, als ich gebohren
wurde. — Mit dem erſten Bewuſtſeyn daͤm¬
mern in mir die lieblichen Bilder von dem
Kloſter, und von der herrlichen Kirche in der
heiligen Linde, auf. Mich umrauſcht noch
der dunkle Wald — mich umduften noch die
uͤppig aufgekeimten Graͤſer, die bunten Blu¬
men, die meine Wiege waren. Kein gifti¬
ges Thier, kein ſchaͤdliches Inſekt niſtet in
dem Heiligthum der Gebenedeyten; nicht das
Sumſen einer Fliege, nicht das Zirpen des
Heimchens unterbricht die heilige Stille, in
der nur die frommen Geſaͤnge der Prieſter
erhallen, die, mit den Pilgern goldne Rauch¬
faͤßer ſchwingend, aus denen der Duft des
Weyhrauchopfers emporſteigt, in langen Zuͤ¬
gen daherziehen. Noch ſehe ich, mitten in der
Kirche, den mit Silber uͤberzogenen Stamm
der Linde, auf welche die Engel das wun¬
derthaͤtige Bild der heiligen Jungfrau nie¬
derſetzten. Noch laͤcheln mich die bunten Ge¬

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[5/0021] uͤberhand; er ſtarb entſuͤndigt und getroͤſtet in demſelben Augenblick, als ich gebohren wurde. — Mit dem erſten Bewuſtſeyn daͤm¬ mern in mir die lieblichen Bilder von dem Kloſter, und von der herrlichen Kirche in der heiligen Linde, auf. Mich umrauſcht noch der dunkle Wald — mich umduften noch die uͤppig aufgekeimten Graͤſer, die bunten Blu¬ men, die meine Wiege waren. Kein gifti¬ ges Thier, kein ſchaͤdliches Inſekt niſtet in dem Heiligthum der Gebenedeyten; nicht das Sumſen einer Fliege, nicht das Zirpen des Heimchens unterbricht die heilige Stille, in der nur die frommen Geſaͤnge der Prieſter erhallen, die, mit den Pilgern goldne Rauch¬ faͤßer ſchwingend, aus denen der Duft des Weyhrauchopfers emporſteigt, in langen Zuͤ¬ gen daherziehen. Noch ſehe ich, mitten in der Kirche, den mit Silber uͤberzogenen Stamm der Linde, auf welche die Engel das wun¬ derthaͤtige Bild der heiligen Jungfrau nie¬ derſetzten. Noch laͤcheln mich die bunten Ge¬

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/21>, abgerufen am 23.11.2024.