und erstarrte beinahe vor Schreck, als ich dicht an einem jähen entsetzlichen Abgrund stand, in den sich, zwischen schroffen spitzen Felsen, ein Waldbach zischend und brausend hinabstürzte, dessen donnerndes Getöse ich schon in der Ferne vernommen. Dicht, dicht an dem Sturz, saß auf einem über die Tiefe hervorragenden Felsenstück, ein junger Mann in Uniform, der Hut mit dem hohen Feder¬ busch, der Degen, ein Portefeuille lagen ne¬ ben ihm. Mit dem ganzen Körper über den Abgrund hängend, schien er eingeschlafen und immer mehr und mehr herüber zu sin¬ ken. -- Sein Sturz war unvermeidlich. Ich wagte mich heran; indem ich ihn mit der Hand ergreifen und zurückhalten wollte, schrie ich laut: um Jesuswillen! Herr! -- er¬ wacht! -- Um Jesuswillen. -- So wie ich ihn berührte, fuhr er auf aus tiefem Schlafe, aber in demselben Augenblick stürzte er, das Gleichgewicht verlierend, hinab in den Ab¬ grund, daß, von Felsenspitze zu Felsenspitze ge¬
und erſtarrte beinahe vor Schreck, als ich dicht an einem jaͤhen entſetzlichen Abgrund ſtand, in den ſich, zwiſchen ſchroffen ſpitzen Felſen, ein Waldbach ziſchend und brauſend hinabſtuͤrzte, deſſen donnerndes Getoͤſe ich ſchon in der Ferne vernommen. Dicht, dicht an dem Sturz, ſaß auf einem uͤber die Tiefe hervorragenden Felſenſtuͤck, ein junger Mann in Uniform, der Hut mit dem hohen Feder¬ buſch, der Degen, ein Portefeuille lagen ne¬ ben ihm. Mit dem ganzen Koͤrper uͤber den Abgrund haͤngend, ſchien er eingeſchlafen und immer mehr und mehr heruͤber zu ſin¬ ken. — Sein Sturz war unvermeidlich. Ich wagte mich heran; indem ich ihn mit der Hand ergreifen und zuruͤckhalten wollte, ſchrie ich laut: um Jeſuswillen! Herr! — er¬ wacht! — Um Jeſuswillen. — So wie ich ihn beruͤhrte, fuhr er auf aus tiefem Schlafe, aber in demſelben Augenblick ſtuͤrzte er, das Gleichgewicht verlierend, hinab in den Ab¬ grund, daß, von Felſenſpitze zu Felſenſpitze ge¬
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[100/0116]
und erſtarrte beinahe vor Schreck, als ich
dicht an einem jaͤhen entſetzlichen Abgrund
ſtand, in den ſich, zwiſchen ſchroffen ſpitzen
Felſen, ein Waldbach ziſchend und brauſend
hinabſtuͤrzte, deſſen donnerndes Getoͤſe ich
ſchon in der Ferne vernommen. Dicht, dicht
an dem Sturz, ſaß auf einem uͤber die Tiefe
hervorragenden Felſenſtuͤck, ein junger Mann
in Uniform, der Hut mit dem hohen Feder¬
buſch, der Degen, ein Portefeuille lagen ne¬
ben ihm. Mit dem ganzen Koͤrper uͤber den
Abgrund haͤngend, ſchien er eingeſchlafen
und immer mehr und mehr heruͤber zu ſin¬
ken. — Sein Sturz war unvermeidlich. Ich
wagte mich heran; indem ich ihn mit der
Hand ergreifen und zuruͤckhalten wollte, ſchrie
ich laut: um Jeſuswillen! Herr! — er¬
wacht! — Um Jeſuswillen. — So wie ich
ihn beruͤhrte, fuhr er auf aus tiefem Schlafe,
aber in demſelben Augenblick ſtuͤrzte er, das
Gleichgewicht verlierend, hinab in den Ab¬
grund, daß, von Felſenſpitze zu Felſenſpitze ge¬
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/116>, abgerufen am 23.11.2024.
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