aufzusuchen wiederkam. Aber ihr Bild, war wie von fremder unbekannter Macht ver¬ wischt, so daß ich nur mit Mühe die blei¬ chen entstellten Züge wieder erkennen konnte; je mehr ich trachtete, die Erscheinung im Geiste festzuhalten, desto mehr zerrann sie in Nebel. Nur mein ausgelassenes Betragen im Kloster, nach jener geheimnißvollen Be¬ gebenheit, stand mir noch klar vor Augen. Es war mir jetzt selbst unbegreiflich, mit wel¬ cher Langmuth der Prior das alles ertragen, und mich statt der wohlverdienten Strafe in die Welt geschickt hatte. Bald war ich über¬ zeugt, daß jene Erscheinung des unbekannten Weibes nur eine Vision gewesen, die Folge gar zu großer Anstrengung, und statt, wie ich sonst gethan haben würde, das verführeri¬ sche verderbliche Trugbild der steten Verfol¬ gung des Widersachers zuzuschreiben, rech¬ nete ich es nur der Täuschung der eignen auf¬ geregten Sinne zu, da der Umstand, daß die Fremde ganz wie die heilige Rosalia geklei¬
I. [ 7 ]
aufzuſuchen wiederkam. Aber ihr Bild, war wie von fremder unbekannter Macht ver¬ wiſcht, ſo daß ich nur mit Muͤhe die blei¬ chen entſtellten Zuͤge wieder erkennen konnte; je mehr ich trachtete, die Erſcheinung im Geiſte feſtzuhalten, deſto mehr zerrann ſie in Nebel. Nur mein ausgelaſſenes Betragen im Kloſter, nach jener geheimnißvollen Be¬ gebenheit, ſtand mir noch klar vor Augen. Es war mir jetzt ſelbſt unbegreiflich, mit wel¬ cher Langmuth der Prior das alles ertragen, und mich ſtatt der wohlverdienten Strafe in die Welt geſchickt hatte. Bald war ich uͤber¬ zeugt, daß jene Erſcheinung des unbekannten Weibes nur eine Viſion geweſen, die Folge gar zu großer Anſtrengung, und ſtatt, wie ich ſonſt gethan haben wuͤrde, das verfuͤhreri¬ ſche verderbliche Trugbild der ſteten Verfol¬ gung des Widerſachers zuzuſchreiben, rech¬ nete ich es nur der Taͤuſchung der eignen auf¬ geregten Sinne zu, da der Umſtand, daß die Fremde ganz wie die heilige Roſalia geklei¬
I. [ 7 ]
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0113"n="97"/>
aufzuſuchen wiederkam. Aber ihr Bild, war<lb/>
wie von fremder unbekannter Macht ver¬<lb/>
wiſcht, ſo daß ich nur mit Muͤhe die blei¬<lb/>
chen entſtellten Zuͤge wieder erkennen konnte;<lb/>
je mehr ich trachtete, die Erſcheinung im<lb/>
Geiſte feſtzuhalten, deſto mehr zerrann ſie in<lb/>
Nebel. Nur mein ausgelaſſenes Betragen<lb/>
im Kloſter, nach jener geheimnißvollen Be¬<lb/>
gebenheit, ſtand mir noch klar vor Augen.<lb/>
Es war mir jetzt ſelbſt unbegreiflich, mit wel¬<lb/>
cher Langmuth der Prior das alles ertragen,<lb/>
und mich ſtatt der wohlverdienten Strafe in<lb/>
die Welt geſchickt hatte. Bald war ich uͤber¬<lb/>
zeugt, daß jene Erſcheinung des unbekannten<lb/>
Weibes nur eine Viſion geweſen, die Folge<lb/>
gar zu großer Anſtrengung, und ſtatt, wie ich<lb/>ſonſt gethan haben wuͤrde, das verfuͤhreri¬<lb/>ſche verderbliche Trugbild der ſteten Verfol¬<lb/>
gung des Widerſachers zuzuſchreiben, rech¬<lb/>
nete ich es nur der Taͤuſchung der eignen auf¬<lb/>
geregten Sinne zu, da der Umſtand, daß die<lb/>
Fremde ganz wie die heilige Roſalia geklei¬<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">I</hi>. [ 7 ]<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[97/0113]
aufzuſuchen wiederkam. Aber ihr Bild, war
wie von fremder unbekannter Macht ver¬
wiſcht, ſo daß ich nur mit Muͤhe die blei¬
chen entſtellten Zuͤge wieder erkennen konnte;
je mehr ich trachtete, die Erſcheinung im
Geiſte feſtzuhalten, deſto mehr zerrann ſie in
Nebel. Nur mein ausgelaſſenes Betragen
im Kloſter, nach jener geheimnißvollen Be¬
gebenheit, ſtand mir noch klar vor Augen.
Es war mir jetzt ſelbſt unbegreiflich, mit wel¬
cher Langmuth der Prior das alles ertragen,
und mich ſtatt der wohlverdienten Strafe in
die Welt geſchickt hatte. Bald war ich uͤber¬
zeugt, daß jene Erſcheinung des unbekannten
Weibes nur eine Viſion geweſen, die Folge
gar zu großer Anſtrengung, und ſtatt, wie ich
ſonſt gethan haben wuͤrde, das verfuͤhreri¬
ſche verderbliche Trugbild der ſteten Verfol¬
gung des Widerſachers zuzuſchreiben, rech¬
nete ich es nur der Taͤuſchung der eignen auf¬
geregten Sinne zu, da der Umſtand, daß die
Fremde ganz wie die heilige Roſalia geklei¬
I. [ 7 ]
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/113>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.