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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815.

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aufzusuchen wiederkam. Aber ihr Bild, war
wie von fremder unbekannter Macht ver¬
wischt, so daß ich nur mit Mühe die blei¬
chen entstellten Züge wieder erkennen konnte;
je mehr ich trachtete, die Erscheinung im
Geiste festzuhalten, desto mehr zerrann sie in
Nebel. Nur mein ausgelassenes Betragen
im Kloster, nach jener geheimnißvollen Be¬
gebenheit, stand mir noch klar vor Augen.
Es war mir jetzt selbst unbegreiflich, mit wel¬
cher Langmuth der Prior das alles ertragen,
und mich statt der wohlverdienten Strafe in
die Welt geschickt hatte. Bald war ich über¬
zeugt, daß jene Erscheinung des unbekannten
Weibes nur eine Vision gewesen, die Folge
gar zu großer Anstrengung, und statt, wie ich
sonst gethan haben würde, das verführeri¬
sche verderbliche Trugbild der steten Verfol¬
gung des Widersachers zuzuschreiben, rech¬
nete ich es nur der Täuschung der eignen auf¬
geregten Sinne zu, da der Umstand, daß die
Fremde ganz wie die heilige Rosalia geklei¬

I. [ 7 ]

aufzuſuchen wiederkam. Aber ihr Bild, war
wie von fremder unbekannter Macht ver¬
wiſcht, ſo daß ich nur mit Muͤhe die blei¬
chen entſtellten Zuͤge wieder erkennen konnte;
je mehr ich trachtete, die Erſcheinung im
Geiſte feſtzuhalten, deſto mehr zerrann ſie in
Nebel. Nur mein ausgelaſſenes Betragen
im Kloſter, nach jener geheimnißvollen Be¬
gebenheit, ſtand mir noch klar vor Augen.
Es war mir jetzt ſelbſt unbegreiflich, mit wel¬
cher Langmuth der Prior das alles ertragen,
und mich ſtatt der wohlverdienten Strafe in
die Welt geſchickt hatte. Bald war ich uͤber¬
zeugt, daß jene Erſcheinung des unbekannten
Weibes nur eine Viſion geweſen, die Folge
gar zu großer Anſtrengung, und ſtatt, wie ich
ſonſt gethan haben wuͤrde, das verfuͤhreri¬
ſche verderbliche Trugbild der ſteten Verfol¬
gung des Widerſachers zuzuſchreiben, rech¬
nete ich es nur der Taͤuſchung der eignen auf¬
geregten Sinne zu, da der Umſtand, daß die
Fremde ganz wie die heilige Roſalia geklei¬

I. [ 7 ]
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[97/0113] aufzuſuchen wiederkam. Aber ihr Bild, war wie von fremder unbekannter Macht ver¬ wiſcht, ſo daß ich nur mit Muͤhe die blei¬ chen entſtellten Zuͤge wieder erkennen konnte; je mehr ich trachtete, die Erſcheinung im Geiſte feſtzuhalten, deſto mehr zerrann ſie in Nebel. Nur mein ausgelaſſenes Betragen im Kloſter, nach jener geheimnißvollen Be¬ gebenheit, ſtand mir noch klar vor Augen. Es war mir jetzt ſelbſt unbegreiflich, mit wel¬ cher Langmuth der Prior das alles ertragen, und mich ſtatt der wohlverdienten Strafe in die Welt geſchickt hatte. Bald war ich uͤber¬ zeugt, daß jene Erſcheinung des unbekannten Weibes nur eine Viſion geweſen, die Folge gar zu großer Anſtrengung, und ſtatt, wie ich ſonſt gethan haben wuͤrde, das verfuͤhreri¬ ſche verderbliche Trugbild der ſteten Verfol¬ gung des Widerſachers zuzuſchreiben, rech¬ nete ich es nur der Taͤuſchung der eignen auf¬ geregten Sinne zu, da der Umſtand, daß die Fremde ganz wie die heilige Roſalia geklei¬ I. [ 7 ]

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/113>, abgerufen am 04.05.2024.