hen, sie an mich drücken -- vergehen vor Wonne und Qual, eine Minute dieser Seelig¬ keit für ewige Marter der Hölle! -- Sie schwieg, aber ich hörte sie tief athmen. -- In einer Art wilder Verzweiflung raffte ich mich gewaltsam zusammen, was ich gespro¬ chen, weiß ich nicht mehr, aber ich nahm wahr, daß sie schweigend aufstand und sich entfernte, während ich das Tuch fest vor die Augen drückte, und wie erstarrt, bewustlos im Beichtstuhle sitzen blieb. --
Zum Glück kam niemand mehr in die Kirche, ich konnte daher unbemerkt in meine Zelle entweichen. Wie so ganz anders er¬ schien mir jetzt Alles, wie thörigt, wie schaal mein ganzes Streben. -- Ich hatte das Ge¬ sicht der Unbekannten nicht gesehen und doch lebte sie in meinem Innern und blickte mich an mit holdseeligen dunkelblauen Augen, in denen Thränen perlten, die wie mit verzeh¬ render Gluth in meine Seele fielen, und die Flamme entzündeten, die kein Gebet, keine
hen, ſie an mich druͤcken — vergehen vor Wonne und Qual, eine Minute dieſer Seelig¬ keit fuͤr ewige Marter der Hoͤlle! — Sie ſchwieg, aber ich hoͤrte ſie tief athmen. — In einer Art wilder Verzweiflung raffte ich mich gewaltſam zuſammen, was ich geſpro¬ chen, weiß ich nicht mehr, aber ich nahm wahr, daß ſie ſchweigend aufſtand und ſich entfernte, waͤhrend ich das Tuch feſt vor die Augen druͤckte, und wie erſtarrt, bewuſtlos im Beichtſtuhle ſitzen blieb. —
Zum Gluͤck kam niemand mehr in die Kirche, ich konnte daher unbemerkt in meine Zelle entweichen. Wie ſo ganz anders er¬ ſchien mir jetzt Alles, wie thoͤrigt, wie ſchaal mein ganzes Streben. — Ich hatte das Ge¬ ſicht der Unbekannten nicht geſehen und doch lebte ſie in meinem Innern und blickte mich an mit holdſeeligen dunkelblauen Augen, in denen Thraͤnen perlten, die wie mit verzeh¬ render Gluth in meine Seele fielen, und die Flamme entzuͤndeten, die kein Gebet, keine
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hen, ſie an mich druͤcken — vergehen vor
Wonne und Qual, eine Minute dieſer Seelig¬
keit fuͤr ewige Marter der Hoͤlle! — Sie
ſchwieg, aber ich hoͤrte ſie tief athmen. —
In einer Art wilder Verzweiflung raffte ich
mich gewaltſam zuſammen, was ich geſpro¬
chen, weiß ich nicht mehr, aber ich nahm
wahr, daß ſie ſchweigend aufſtand und ſich
entfernte, waͤhrend ich das Tuch feſt vor die
Augen druͤckte, und wie erſtarrt, bewuſtlos
im Beichtſtuhle ſitzen blieb. —
Zum Gluͤck kam niemand mehr in die
Kirche, ich konnte daher unbemerkt in meine
Zelle entweichen. Wie ſo ganz anders er¬
ſchien mir jetzt Alles, wie thoͤrigt, wie ſchaal
mein ganzes Streben. — Ich hatte das Ge¬
ſicht der Unbekannten nicht geſehen und doch
lebte ſie in meinem Innern und blickte mich
an mit holdſeeligen dunkelblauen Augen, in
denen Thraͤnen perlten, die wie mit verzeh¬
render Gluth in meine Seele fielen, und die
Flamme entzuͤndeten, die kein Gebet, keine
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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/102>, abgerufen am 22.11.2024.
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