aber in Hannover, wo auch Leibniz begraben liegt, ist es kein Zeichen von Geringschäzung, dass man die Stätte des Begrabenen nicht kennt. Es erforderte oft nicht weniger Bekanntschaft mit Höltys Art, als unverdrossene Aufmerksamkeit, aus seiner Handschrift die wahre Meinung herauszufinden. Viele Aenderungen und Zu¬ säze stehn durch einander, oft wieder verändert, halb und ganz vollendet, oder nur angedeutet, auf kleinen Zetteln, auf Umschlägen von Briefen, und auf dem Rande eines Leichengedichts. Unter einigen Gedichten steht das Verdammungsurtheil: Verworfen! unter andern von gleichem Gehalte fehlt es. Von einigen schon ge¬ druckten fanden sich ältere Abschriften, mit nicht ver¬ werflichen Lesarten. Auch das Traumbild Seite 42 hat in einem zu spät verglichenen Buche von 1772 noch folgende Verse, die aufgenommen zu werden verdienen:
nirgends finden. Ich wandre, wenn die Sonne sticht, Wenns stürmet oder regnet, Und schaue jeder ins Gesicht, Die meinem Blick begegnet.
So irr' ich Armer für und für, Mit Seufzern und mit Thränen, Und mustr' an jeder Kirchenthür' Am Sonntag' alle Schönen. Nach jedem Fenster
Von
aber in Hannover, wo auch Leibniz begraben liegt, iſt es kein Zeichen von Geringſchäzung, daſs man die Stätte des Begrabenen nicht kennt. Es erforderte oft nicht weniger Bekanntſchaft mit Höltys Art, als unverdroſſene Aufmerkſamkeit, aus ſeiner Handſchrift die wahre Meinung herauszufinden. Viele Aenderungen und Zu¬ ſäze ſtehn durch einander, oft wieder verändert, halb und ganz vollendet, oder nur angedeutet, auf kleinen Zetteln, auf Umſchlägen von Briefen, und auf dem Rande eines Leichengedichts. Unter einigen Gedichten ſteht das Verdammungsurtheil: Verworfen! unter andern von gleichem Gehalte fehlt es. Von einigen ſchon ge¬ druckten fanden ſich ältere Abſchriften, mit nicht ver¬ werflichen Lesarten. Auch das Traumbild Seite 42 hat in einem zu ſpät verglichenen Buche von 1772 noch folgende Verſe, die aufgenommen zu werden verdienen:
nirgends finden. Ich wandre, wenn die Sonne ſticht, Wenns ſtürmet oder regnet, Und ſchaue jeder ins Geſicht, Die meinem Blick begegnet.
So irr' ich Armer für und für, Mit Seufzern und mit Thränen, Und muſtr' an jeder Kirchenthür' Am Sonntag' alle Schönen. Nach jedem Fenſter
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[XXVI/0034]
aber in Hannover, wo auch Leibniz begraben liegt, iſt
es kein Zeichen von Geringſchäzung, daſs man die Stätte
des Begrabenen nicht kennt. Es erforderte oft nicht
weniger Bekanntſchaft mit Höltys Art, als unverdroſſene
Aufmerkſamkeit, aus ſeiner Handſchrift die wahre
Meinung herauszufinden. Viele Aenderungen und Zu¬
ſäze ſtehn durch einander, oft wieder verändert, halb
und ganz vollendet, oder nur angedeutet, auf kleinen
Zetteln, auf Umſchlägen von Briefen, und auf dem Rande
eines Leichengedichts. Unter einigen Gedichten ſteht
das Verdammungsurtheil: Verworfen! unter andern
von gleichem Gehalte fehlt es. Von einigen ſchon ge¬
druckten fanden ſich ältere Abſchriften, mit nicht ver¬
werflichen Lesarten. Auch das Traumbild Seite 42 hat
in einem zu ſpät verglichenen Buche von 1772 noch
folgende Verſe, die aufgenommen zu werden verdienen:
nirgends finden.
Ich wandre, wenn die Sonne ſticht,
Wenns ſtürmet oder regnet,
Und ſchaue jeder ins Geſicht,
Die meinem Blick begegnet.
So irr' ich Armer für und für,
Mit Seufzern und mit Thränen,
Und muſtr' an jeder Kirchenthür'
Am Sonntag' alle Schönen.
Nach jedem Fenſter
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Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783, S. XXVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelty_gedichte_1783/34>, abgerufen am 19.07.2024.
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