Hölty, Ludwig Christoph Heinrich: Gedichte. Hamburg, 1783.hier magre unpoetische Zeiten: schrieb er mit den Ge¬ Dies war das Leben des Jünglings, dessen Geist unter ung
hier magre unpoetiſche Zeiten: ſchrieb er mit den Ge¬ Dies war das Leben des Jünglings, deſſen Geiſt unter ung
<TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0031" n="XXIII"/> hier magre unpoetiſche Zeiten: ſchrieb er mit den Ge¬<lb/> dichten, die er zum 77ger Almanach einſendete: ſo<lb/> mager, wie die magern Kühe des Farao, oder wie ich<lb/> jezt ſelber bin. Die Vormittagsſtunden muſs ich dem<lb/> Ueberſezen aufopfern; nach Tiſche kriege ich immer<lb/> Kopfweh und Hize im Geſicht, und bin bis gegen fünf<lb/> Uhr zu nichts aufgelegt. Bald bin ich mit meiner Arbeit<lb/> fertig, und kann einige Wochen in aller Ruhe bei dir<lb/> bleiben. Ich bin ungemein begierig, dich einmal wie¬<lb/> derzuſehn. Der hieſige Aufenthalt iſt mir höchſt unan¬<lb/> genehm; ich muſs an einen andern Ort, oder ich ver¬<lb/> ſchimmele. Schreib mir bald. Ich ſchreibe dir künftig<lb/> gewiſs oft. „Armer Freund, es war dein lezter Brief<lb/> an mich. Er ſtarb zu Hannover den 1 September 1776.</p><lb/> <p>Dies war das Leben des Jünglings, deſſen Geiſt unter<lb/> der Laſt eines ſiechen Körpers ſo aufſtrebte, daſs er in<lb/> jeder gewählten Gattung der Poeſie unter den erſten<lb/> Dichtern glänzt; der mit jedem neuen Verſuche höher<lb/> zur Vollkommenheit ſtieg, und ſelbſt ſein Vollkommen¬<lb/> ſtes nur als Vorübung zu Werken des Mannes betrach¬<lb/> tete. Er ſtellte nicht mit kalter Ueberlegung Gedanken<lb/> und Bilder zuſammen, worüber man ſich eins gewor¬<lb/> den iſt, ſie ſchön zu finden; voll warmer allumfaſſen¬<lb/> der Liebe blickte er in der Natur umher, und ſang,<lb/> was ſein Herz empfand. Ich habe aus ſeinem Leben<lb/> ſolche Züge gewählt, die mir die Art ſeiner Anſchau¬<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ung<lb/></fw> </p> </div> </front> </text> </TEI> [XXIII/0031]
hier magre unpoetiſche Zeiten: ſchrieb er mit den Ge¬
dichten, die er zum 77ger Almanach einſendete: ſo
mager, wie die magern Kühe des Farao, oder wie ich
jezt ſelber bin. Die Vormittagsſtunden muſs ich dem
Ueberſezen aufopfern; nach Tiſche kriege ich immer
Kopfweh und Hize im Geſicht, und bin bis gegen fünf
Uhr zu nichts aufgelegt. Bald bin ich mit meiner Arbeit
fertig, und kann einige Wochen in aller Ruhe bei dir
bleiben. Ich bin ungemein begierig, dich einmal wie¬
derzuſehn. Der hieſige Aufenthalt iſt mir höchſt unan¬
genehm; ich muſs an einen andern Ort, oder ich ver¬
ſchimmele. Schreib mir bald. Ich ſchreibe dir künftig
gewiſs oft. „Armer Freund, es war dein lezter Brief
an mich. Er ſtarb zu Hannover den 1 September 1776.
Dies war das Leben des Jünglings, deſſen Geiſt unter
der Laſt eines ſiechen Körpers ſo aufſtrebte, daſs er in
jeder gewählten Gattung der Poeſie unter den erſten
Dichtern glänzt; der mit jedem neuen Verſuche höher
zur Vollkommenheit ſtieg, und ſelbſt ſein Vollkommen¬
ſtes nur als Vorübung zu Werken des Mannes betrach¬
tete. Er ſtellte nicht mit kalter Ueberlegung Gedanken
und Bilder zuſammen, worüber man ſich eins gewor¬
den iſt, ſie ſchön zu finden; voll warmer allumfaſſen¬
der Liebe blickte er in der Natur umher, und ſang,
was ſein Herz empfand. Ich habe aus ſeinem Leben
ſolche Züge gewählt, die mir die Art ſeiner Anſchau¬
ung
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