Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.du in Smirna einige Jahre nachher bei mir fandst. Der Zwang, worinn ich lebte, folterte mich oft, auch sah ich wenig von den großen Wirkungen des Bundes und meine Thatenlust fand kahle Nahrung. Doch all' diß reichte nicht hin, um mich zu einem Abfall zu vermögen. Die Leidenschaft zu dir verleitete mich endlich. Ich habs dir oft gesagt, ich war wie ohne Luft und Sonne, da du fort warst; und anders hatt' ich keine Wahl; ich mußte dich aufgeben, oder meinen Bund. Was ich erwählte, siehst du. Aber alles Thun des Menschen hat am Ende seine Strafe, und nur die Götter und die Kinder trifft die Nemesis nicht. Ich zog das Götterrecht des Herzens vor. Um meines Lieblings willen brach ich meinen Eid. War das nicht billig? muß das edelste Sehnen nicht das freieste seyn? - Mein Herz hat mich beim Worte genommen; ich gab ihm Freiheit und du siehst, es braucht sie. Huldige dem Genius Einmal und er achtet dir kein sterblich Hinderniß mehr und reißt dir alle Bande des Lebens entzwei. Verpflichtung brach ich um des Freundes willen, Freundschaft würd' ich brechen um der du in Smirna einige Jahre nachher bei mir fandst. Der Zwang, worinn ich lebte, folterte mich oft, auch sah ich wenig von den großen Wirkungen des Bundes und meine Thatenlust fand kahle Nahrung. Doch all’ diß reichte nicht hin, um mich zu einem Abfall zu vermögen. Die Leidenschaft zu dir verleitete mich endlich. Ich habs dir oft gesagt, ich war wie ohne Luft und Sonne, da du fort warst; und anders hatt’ ich keine Wahl; ich mußte dich aufgeben, oder meinen Bund. Was ich erwählte, siehst du. Aber alles Thun des Menschen hat am Ende seine Strafe, und nur die Götter und die Kinder trifft die Nemesis nicht. Ich zog das Götterrecht des Herzens vor. Um meines Lieblings willen brach ich meinen Eid. War das nicht billig? muß das edelste Sehnen nicht das freieste seyn? – Mein Herz hat mich beim Worte genommen; ich gab ihm Freiheit und du siehst, es braucht sie. Huldige dem Genius Einmal und er achtet dir kein sterblich Hinderniß mehr und reißt dir alle Bande des Lebens entzwei. Verpflichtung brach ich um des Freundes willen, Freundschaft würd’ ich brechen um der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0087"/> du in Smirna einige Jahre nachher bei mir fandst.</p><lb/> <p>Der Zwang, worinn ich lebte, folterte mich oft, auch sah ich wenig von den großen Wirkungen des Bundes und meine Thatenlust fand kahle Nahrung. Doch all’ diß reichte nicht hin, um mich zu einem Abfall zu vermögen. Die Leidenschaft zu dir verleitete mich endlich. Ich habs dir oft gesagt, ich war wie ohne Luft und Sonne, da du fort warst; und anders hatt’ ich keine Wahl; ich mußte dich aufgeben, oder meinen Bund. Was ich erwählte, siehst du.</p><lb/> <p>Aber alles Thun des Menschen hat am Ende seine Strafe, und nur die Götter und die Kinder trifft die Nemesis nicht.</p><lb/> <p>Ich zog das Götterrecht des Herzens vor. Um meines Lieblings willen brach ich meinen Eid. War das nicht billig? muß das edelste Sehnen nicht das freieste seyn? – Mein Herz hat mich beim Worte genommen; ich gab ihm Freiheit und du siehst, es braucht sie.</p><lb/> <p>Huldige dem Genius Einmal und er achtet dir kein sterblich Hinderniß mehr und reißt dir alle Bande des Lebens entzwei.</p><lb/> <p>Verpflichtung brach ich um des Freundes willen, Freundschaft würd’ ich brechen um der </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0087]
du in Smirna einige Jahre nachher bei mir fandst.
Der Zwang, worinn ich lebte, folterte mich oft, auch sah ich wenig von den großen Wirkungen des Bundes und meine Thatenlust fand kahle Nahrung. Doch all’ diß reichte nicht hin, um mich zu einem Abfall zu vermögen. Die Leidenschaft zu dir verleitete mich endlich. Ich habs dir oft gesagt, ich war wie ohne Luft und Sonne, da du fort warst; und anders hatt’ ich keine Wahl; ich mußte dich aufgeben, oder meinen Bund. Was ich erwählte, siehst du.
Aber alles Thun des Menschen hat am Ende seine Strafe, und nur die Götter und die Kinder trifft die Nemesis nicht.
Ich zog das Götterrecht des Herzens vor. Um meines Lieblings willen brach ich meinen Eid. War das nicht billig? muß das edelste Sehnen nicht das freieste seyn? – Mein Herz hat mich beim Worte genommen; ich gab ihm Freiheit und du siehst, es braucht sie.
Huldige dem Genius Einmal und er achtet dir kein sterblich Hinderniß mehr und reißt dir alle Bande des Lebens entzwei.
Verpflichtung brach ich um des Freundes willen, Freundschaft würd’ ich brechen um der
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/87>, abgerufen am 16.02.2025. |