Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799.die Vollendungen alle durchlaufen? Ja! ja! werth ist der Schmerz, am Herzen der Menschen zu liegen, und dein Vertrauter zu seyn, o Natur! Denn er nur führt von einer Wonne zur andern, und es ist kein andrer Gefährte, denn er. - Damals schrieb ich an Notara, als ich wieder anfieng aufzuleben, von Sicilien aus, wohin ein Schiff von Paros mich zuerst gebracht: Ich habe dir gehorcht, mein Theurer! bin schon weit von euch und will dir nun auch Nachricht geben; aber schwer wird mir das Wort; das darf ich wohl gestehen. Die Seeligen, wo Diotima nun ist, sprechen nicht viel; in meiner Nacht, in der Tiefe der Traurenden, ist auch die Rede am Ende. Einen schönen Tod ist meine Diotima gestorben; da hast du Recht; das ists auch, was mich aufwekt, und meine Seele mir wiedergiebt. Aber es ist die vorige Welt nicht mehr, zu der ich wiederkehre. Ein Fremdling bin ich, wie die Unbegrabnen, wenn sie herauf vom Acheron kommen, und wär' ich auch auf meiner heimatlichen Insel, in den Gärten meiner Jugend, die mein Vater mir verschließt, ach! dennoch, dennoch, wär' ich auf der Erd' die Vollendungen alle durchlaufen? Ja! ja! werth ist der Schmerz, am Herzen der Menschen zu liegen, und dein Vertrauter zu seyn, o Natur! Denn er nur führt von einer Wonne zur andern, und es ist kein andrer Gefährte, denn er. – Damals schrieb ich an Notara, als ich wieder anfieng aufzuleben, von Sicilien aus, wohin ein Schiff von Paros mich zuerst gebracht: Ich habe dir gehorcht, mein Theurer! bin schon weit von euch und will dir nun auch Nachricht geben; aber schwer wird mir das Wort; das darf ich wohl gestehen. Die Seeligen, wo Diotima nun ist, sprechen nicht viel; in meiner Nacht, in der Tiefe der Traurenden, ist auch die Rede am Ende. Einen schönen Tod ist meine Diotima gestorben; da hast du Recht; das ists auch, was mich aufwekt, und meine Seele mir wiedergiebt. Aber es ist die vorige Welt nicht mehr, zu der ich wiederkehre. Ein Fremdling bin ich, wie die Unbegrabnen, wenn sie herauf vom Acheron kommen, und wär’ ich auch auf meiner heimatlichen Insel, in den Gärten meiner Jugend, die mein Vater mir verschließt, ach! dennoch, dennoch, wär’ ich auf der Erd’ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0107"/> die Vollendungen alle durchlaufen? Ja! ja! werth ist der Schmerz, am Herzen der Menschen zu liegen, und dein Vertrauter zu seyn, o Natur! Denn er nur führt von einer Wonne zur andern, und es ist kein andrer Gefährte, denn er. –</p><lb/> <p>Damals schrieb ich an Notara, als ich wieder anfieng aufzuleben, von Sicilien aus, wohin ein Schiff von Paros mich zuerst gebracht:</p><lb/> <p>Ich habe dir gehorcht, mein Theurer! bin schon weit von euch und will dir nun auch Nachricht geben; aber schwer wird mir das Wort; das darf ich wohl gestehen. Die Seeligen, wo Diotima nun ist, sprechen nicht viel; in meiner Nacht, in der Tiefe der Traurenden, ist auch die Rede am Ende.</p><lb/> <p>Einen schönen Tod ist meine Diotima gestorben; da hast du Recht; das ists auch, was mich aufwekt, und meine Seele mir wiedergiebt.</p><lb/> <p>Aber es ist die vorige Welt nicht mehr, zu der ich wiederkehre. Ein Fremdling bin ich, wie die Unbegrabnen, wenn sie herauf vom Acheron kommen, und wär’ ich auch auf meiner heimatlichen Insel, in den Gärten meiner Jugend, die mein Vater mir verschließt, ach! dennoch, dennoch, wär’ ich auf der Erd’ </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0107]
die Vollendungen alle durchlaufen? Ja! ja! werth ist der Schmerz, am Herzen der Menschen zu liegen, und dein Vertrauter zu seyn, o Natur! Denn er nur führt von einer Wonne zur andern, und es ist kein andrer Gefährte, denn er. –
Damals schrieb ich an Notara, als ich wieder anfieng aufzuleben, von Sicilien aus, wohin ein Schiff von Paros mich zuerst gebracht:
Ich habe dir gehorcht, mein Theurer! bin schon weit von euch und will dir nun auch Nachricht geben; aber schwer wird mir das Wort; das darf ich wohl gestehen. Die Seeligen, wo Diotima nun ist, sprechen nicht viel; in meiner Nacht, in der Tiefe der Traurenden, ist auch die Rede am Ende.
Einen schönen Tod ist meine Diotima gestorben; da hast du Recht; das ists auch, was mich aufwekt, und meine Seele mir wiedergiebt.
Aber es ist die vorige Welt nicht mehr, zu der ich wiederkehre. Ein Fremdling bin ich, wie die Unbegrabnen, wenn sie herauf vom Acheron kommen, und wär’ ich auch auf meiner heimatlichen Insel, in den Gärten meiner Jugend, die mein Vater mir verschließt, ach! dennoch, dennoch, wär’ ich auf der Erd’
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Zweiter Band. Tübingen, 1799, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion02_1799/107>, abgerufen am 16.02.2025. |