Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

Und das ist's, Lieber! Das macht uns arm bei allem Reichtum, daß wir nicht allein seyn können, dass die Liebe in uns, so lange wir leben, nicht erstirbt. Gieb mir meinen Adamas wieder, und komm' mit allen, die mir angehören, dass die alte schöne Welt sich unter uns erneure, dass wir uns versammeln und vereinen in den Armen unserer Gottheit, der Natur, und siehe! so weiss ich nichts von Nothdurft.

Aber sage nur niemand, dass uns das Schiksaal trenne! Wir sind's, wir! wir haben unsre Lust daran, uns in die Nacht des Unbekannten, in die kalte Fremde irgend einer andern Welt zu stürzen, und, wär' es möglich, wir verliessen der Sonne Gebiet und stürmten über des Irrsterns Gränzen hinaus. Ach! für des Menschen wilde Brust ist keine Heimath möglich; und wie der Sonne Stral die Pflanzen der Erde, die er entfaltete, wieder versengt, so tödtet der Mensch die süssen Blumen, die an seiner Brust gedeihten, die Freuden der Verwandtschaft und der Liebe.

Es ist, als zürnt ich meinem Adamas, dass er mich verliess, aber ich zürn' ihm nicht. O er wollte ja wieder kommen!

Und das ist’s, Lieber! Das macht uns arm bei allem Reichtum, daß wir nicht allein seyn können, dass die Liebe in uns, so lange wir leben, nicht erstirbt. Gieb mir meinen Adamas wieder, und komm’ mit allen, die mir angehören, dass die alte schöne Welt sich unter uns erneure, dass wir uns versammeln und vereinen in den Armen unserer Gottheit, der Natur, und siehe! so weiss ich nichts von Nothdurft.

Aber sage nur niemand, dass uns das Schiksaal trenne! Wir sind’s, wir! wir haben unsre Lust daran, uns in die Nacht des Unbekannten, in die kalte Fremde irgend einer andern Welt zu stürzen, und, wär’ es möglich, wir verliessen der Sonne Gebiet und stürmten über des Irrsterns Gränzen hinaus. Ach! für des Menschen wilde Brust ist keine Heimath möglich; und wie der Sonne Stral die Pflanzen der Erde, die er entfaltete, wieder versengt, so tödtet der Mensch die süssen Blumen, die an seiner Brust gedeihten, die Freuden der Verwandtschaft und der Liebe.

Es ist, als zürnt ich meinem Adamas, dass er mich verliess, aber ich zürn’ ihm nicht. O er wollte ja wieder kommen!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="chapter" n="2">
          <pb facs="#f0031"/>
          <p>Und das ist&#x2019;s, Lieber! Das macht uns arm bei allem Reichtum, daß wir nicht allein seyn können, dass die Liebe in uns, so lange wir leben, nicht erstirbt. Gieb mir meinen Adamas wieder, und komm&#x2019; mit allen, die mir angehören, dass die alte schöne Welt sich unter uns erneure, dass wir uns versammeln und vereinen in den Armen unserer Gottheit, der Natur, und siehe! so weiss ich nichts von Nothdurft.</p><lb/>
          <p>Aber sage nur niemand, dass uns das Schiksaal trenne! Wir sind&#x2019;s, wir! wir haben unsre Lust daran, uns in die Nacht des Unbekannten, in die kalte Fremde irgend einer andern Welt zu stürzen, und, wär&#x2019; es möglich, wir verliessen der Sonne Gebiet und stürmten über des Irrsterns Gränzen hinaus. Ach! für des Menschen wilde Brust ist keine Heimath möglich; und wie der Sonne Stral die Pflanzen der Erde, die er entfaltete, wieder versengt, so tödtet der Mensch die süssen Blumen, die an seiner Brust gedeihten, die Freuden der Verwandtschaft und der Liebe.</p><lb/>
          <p>Es ist, als zürnt ich meinem Adamas, dass er mich verliess, aber ich zürn&#x2019; ihm nicht. O er wollte ja wieder kommen!</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0031] Und das ist’s, Lieber! Das macht uns arm bei allem Reichtum, daß wir nicht allein seyn können, dass die Liebe in uns, so lange wir leben, nicht erstirbt. Gieb mir meinen Adamas wieder, und komm’ mit allen, die mir angehören, dass die alte schöne Welt sich unter uns erneure, dass wir uns versammeln und vereinen in den Armen unserer Gottheit, der Natur, und siehe! so weiss ich nichts von Nothdurft. Aber sage nur niemand, dass uns das Schiksaal trenne! Wir sind’s, wir! wir haben unsre Lust daran, uns in die Nacht des Unbekannten, in die kalte Fremde irgend einer andern Welt zu stürzen, und, wär’ es möglich, wir verliessen der Sonne Gebiet und stürmten über des Irrsterns Gränzen hinaus. Ach! für des Menschen wilde Brust ist keine Heimath möglich; und wie der Sonne Stral die Pflanzen der Erde, die er entfaltete, wieder versengt, so tödtet der Mensch die süssen Blumen, die an seiner Brust gedeihten, die Freuden der Verwandtschaft und der Liebe. Es ist, als zürnt ich meinem Adamas, dass er mich verliess, aber ich zürn’ ihm nicht. O er wollte ja wieder kommen!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Arbeitsstelle Zentralbegriffe der »Kunstperiode«, Prof. Dr. Jochen A. Bär, Universität Vechta, Institut für Geistes- und Kulturwissenschaften: Bereitstellung der Texttranskription. (2019-12-12T13:56:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andre Pietsch, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2019-11-13T13:56:08Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: stillschweigend korrigiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: stillschweigend; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/31
Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/31>, abgerufen am 23.11.2024.