Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797.gewesen und wieder gut gemacht ist; von Kindheit, Unschuld haben wir keine Begriffe. Da ich noch ein stilles Kind war und von dem allem, was uns umgiebt, nichts wusste, war ich da nicht mehr, als jezt, nach all den Mühen des Herzens und all dem Sinnen und Ringen? Ja! ein göttlich Wesen ist das Kind, solang es nicht in die Chamäleonsfarbe der Menschen getaucht ist. Es ist ganz, was es ist, und darum ist es so schön. Der Zwang des Gesezes und des Schiksaals betastet es nicht; im Kind' ist Freiheit allein. In ihm ist Frieden; es ist noch mit sich selber nicht zerfallen. Reichthum ist in ihm; es kennt sein Herz, die Dürftigkeit des Lebens nicht. Es ist unsterblich, denn es weiss vom Tode nichts. Aber das können die Menschen nicht leiden. Das Göttliche muss werden, wie ihrer einer, muss erfahren, dass sie auch da sind, und eh' es die Natur aus seinem Paradiese treibt, so schmeicheln und schleppen die Menschen es her- gewesen und wieder gut gemacht ist; von Kindheit, Unschuld haben wir keine Begriffe. Da ich noch ein stilles Kind war und von dem allem, was uns umgiebt, nichts wusste, war ich da nicht mehr, als jezt, nach all den Mühen des Herzens und all dem Sinnen und Ringen? Ja! ein göttlich Wesen ist das Kind, solang es nicht in die Chamäleonsfarbe der Menschen getaucht ist. Es ist ganz, was es ist, und darum ist es so schön. Der Zwang des Gesezes und des Schiksaals betastet es nicht; im Kind’ ist Freiheit allein. In ihm ist Frieden; es ist noch mit sich selber nicht zerfallen. Reichthum ist in ihm; es kennt sein Herz, die Dürftigkeit des Lebens nicht. Es ist unsterblich, denn es weiss vom Tode nichts. Aber das können die Menschen nicht leiden. Das Göttliche muss werden, wie ihrer einer, muss erfahren, dass sie auch da sind, und eh’ es die Natur aus seinem Paradiese treibt, so schmeicheln und schleppen die Menschen es her- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0019"/> gewesen und wieder gut gemacht ist; von Kindheit, Unschuld haben wir keine Begriffe.</p><lb/> <p>Da ich noch ein stilles Kind war und von dem allem, was uns umgiebt, nichts wusste, war ich da nicht mehr, als jezt, nach all den Mühen des Herzens und all dem Sinnen und Ringen?</p><lb/> <p>Ja! ein göttlich Wesen ist das Kind, solang es nicht in die Chamäleonsfarbe der Menschen getaucht ist.</p><lb/> <p>Es ist ganz, was es ist, und darum ist es so schön.</p><lb/> <p>Der Zwang des Gesezes und des Schiksaals betastet es nicht; im Kind’ ist Freiheit allein.</p><lb/> <p>In ihm ist Frieden; es ist noch mit sich selber nicht zerfallen. Reichthum ist in ihm; es kennt sein Herz, die Dürftigkeit des Lebens nicht. Es ist unsterblich, denn es weiss vom Tode nichts.</p><lb/> <p>Aber das können die Menschen nicht leiden. Das Göttliche muss werden, wie ihrer einer, muss erfahren, dass sie auch da sind, und eh’ es die Natur aus seinem Paradiese treibt, so schmeicheln und schleppen die Menschen es her- </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0019]
gewesen und wieder gut gemacht ist; von Kindheit, Unschuld haben wir keine Begriffe.
Da ich noch ein stilles Kind war und von dem allem, was uns umgiebt, nichts wusste, war ich da nicht mehr, als jezt, nach all den Mühen des Herzens und all dem Sinnen und Ringen?
Ja! ein göttlich Wesen ist das Kind, solang es nicht in die Chamäleonsfarbe der Menschen getaucht ist.
Es ist ganz, was es ist, und darum ist es so schön.
Der Zwang des Gesezes und des Schiksaals betastet es nicht; im Kind’ ist Freiheit allein.
In ihm ist Frieden; es ist noch mit sich selber nicht zerfallen. Reichthum ist in ihm; es kennt sein Herz, die Dürftigkeit des Lebens nicht. Es ist unsterblich, denn es weiss vom Tode nichts.
Aber das können die Menschen nicht leiden. Das Göttliche muss werden, wie ihrer einer, muss erfahren, dass sie auch da sind, und eh’ es die Natur aus seinem Paradiese treibt, so schmeicheln und schleppen die Menschen es her-
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Hyperion. Erster Band. Tübingen, 1797, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_hyperion01_1797/19>, abgerufen am 16.07.2024. |