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Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

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Am Ende zu verjüngen; und es wich, --
Der goldnen Zeit, der allvertrauenden,
Des hellen, kräft'gen Morgens eingedenk, --
Der Unmuth mir, der furchtbare, vom Volke,
Und freie, feste Bande knüpften wir.
Doch oft, wenn mich des Volkes Dank bekränzte,
Wenn näher immer mir, und mir allein,
Des Volkes Seele kam, befiel es mich.
Denn wo ein Land ersterben soll, da wählt
Der Geist noch Einen sich am End', durch den
Sein Schwanensang, das letzte Leben tönet.
Wohl ahndet' ich's; doch dient' ich willig ihm.

Es ist geschehn, den Sterblichen gehör' ich
Nun nimmer an.

O Ende meiner Zeit!
O Geist, der uns erzog, der du geheim
Am hellen Tag und in der Wolke waltest,
Und du, o Luft! und du, o Mutter Erde!
Hier bin ich ruhig, denn es wartet mein
Die längstbereitete, die neue Stunde,
Nun nicht im Bilde mehr, und nicht, wie sonst,
Bei Sterblichen, im kurzen Glück, -- ich find',
Im Tode find' ich den Lebendigen,
Und heute noch begegn' ich ihm; denn heute
Bereitet er, der Herr der Zeit, zur Feier,
Zum Zeichen ein Gewitter mir und sich.
Am Ende zu verjuͤngen; und es wich, —
Der goldnen Zeit, der allvertrauenden,
Des hellen, kraͤft'gen Morgens eingedenk, —
Der Unmuth mir, der furchtbare, vom Volke,
Und freie, feſte Bande knuͤpften wir.
Doch oft, wenn mich des Volkes Dank bekraͤnzte,
Wenn naͤher immer mir, und mir allein,
Des Volkes Seele kam, befiel es mich.
Denn wo ein Land erſterben ſoll, da waͤhlt
Der Geiſt noch Einen ſich am End', durch den
Sein Schwanenſang, das letzte Leben toͤnet.
Wohl ahndet' ich's; doch dient' ich willig ihm.

Es iſt geſchehn, den Sterblichen gehoͤr' ich
Nun nimmer an.

O Ende meiner Zeit!
O Geiſt, der uns erzog, der du geheim
Am hellen Tag und in der Wolke walteſt,
Und du, o Luft! und du, o Mutter Erde!
Hier bin ich ruhig, denn es wartet mein
Die laͤngſtbereitete, die neue Stunde,
Nun nicht im Bilde mehr, und nicht, wie ſonſt,
Bei Sterblichen, im kurzen Gluͤck, — ich find',
Im Tode find' ich den Lebendigen,
Und heute noch begegn' ich ihm; denn heute
Bereitet er, der Herr der Zeit, zur Feier,
Zum Zeichen ein Gewitter mir und ſich.
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[224/0232] Am Ende zu verjuͤngen; und es wich, — Der goldnen Zeit, der allvertrauenden, Des hellen, kraͤft'gen Morgens eingedenk, — Der Unmuth mir, der furchtbare, vom Volke, Und freie, feſte Bande knuͤpften wir. Doch oft, wenn mich des Volkes Dank bekraͤnzte, Wenn naͤher immer mir, und mir allein, Des Volkes Seele kam, befiel es mich. Denn wo ein Land erſterben ſoll, da waͤhlt Der Geiſt noch Einen ſich am End', durch den Sein Schwanenſang, das letzte Leben toͤnet. Wohl ahndet' ich's; doch dient' ich willig ihm. Es iſt geſchehn, den Sterblichen gehoͤr' ich Nun nimmer an. O Ende meiner Zeit! O Geiſt, der uns erzog, der du geheim Am hellen Tag und in der Wolke walteſt, Und du, o Luft! und du, o Mutter Erde! Hier bin ich ruhig, denn es wartet mein Die laͤngſtbereitete, die neue Stunde, Nun nicht im Bilde mehr, und nicht, wie ſonſt, Bei Sterblichen, im kurzen Gluͤck, — ich find', Im Tode find' ich den Lebendigen, Und heute noch begegn' ich ihm; denn heute Bereitet er, der Herr der Zeit, zur Feier, Zum Zeichen ein Gewitter mir und ſich.

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Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/232>, abgerufen am 03.05.2024.