Wohnen immer, o Tag! noch als in den Tiefen der Erde Einsam unten, indeß ein immerlebender Frühling Unbesungen über dem Haupt den Schlafenden dämmert? Aber länger nicht mehr! schon hör' ich ferne des Festtags Chorgesang auf grünem Gebirg, und das Echo der Haine, Wo der Jünglinge Brust sich hebt, wo die Seele des Volks sich Still vereint in freierem Lied, zur Ehre des Gottes, Dem die Höhe gebührt, doch auch die Thale sind heilig; Denn, wo fröhlich der Strom in wachsender Ju- gend hinauseilt, Unter Blumen des Lands, und wo auf sonnigen Ebnen Edles Korn und der Obstwald reift, da kränzen am Feste Gerne die Frommen sich auch, und auf dem Hü- gel der Stadt glänzt, Menschlicher Wohnung gleich, die himmlische Helle der Freude. Denn voll göttlichen Sinns ist alles Leben ge- worden,
Hölderlins Gedichte. 12
Wohnen immer, o Tag! noch als in den Tiefen der Erde Einſam unten, indeß ein immerlebender Fruͤhling Unbeſungen uͤber dem Haupt den Schlafenden daͤmmert? Aber laͤnger nicht mehr! ſchon hoͤr' ich ferne des Feſttags Chorgeſang auf gruͤnem Gebirg, und das Echo der Haine, Wo der Juͤnglinge Bruſt ſich hebt, wo die Seele des Volks ſich Still vereint in freierem Lied, zur Ehre des Gottes, Dem die Hoͤhe gebuͤhrt, doch auch die Thale ſind heilig; Denn, wo froͤhlich der Strom in wachſender Ju- gend hinauseilt, Unter Blumen des Lands, und wo auf ſonnigen Ebnen Edles Korn und der Obſtwald reift, da kraͤnzen am Feſte Gerne die Frommen ſich auch, und auf dem Huͤ- gel der Stadt glaͤnzt, Menſchlicher Wohnung gleich, die himmliſche Helle der Freude. Denn voll goͤttlichen Sinns iſt alles Leben ge- worden,
Hoͤlderlins Gedichte. 12
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Wohnen immer, o Tag! noch als in den Tiefen der
Erde
Einſam unten, indeß ein immerlebender Fruͤhling
Unbeſungen uͤber dem Haupt den Schlafenden
daͤmmert?
Aber laͤnger nicht mehr! ſchon hoͤr' ich ferne des
Feſttags
Chorgeſang auf gruͤnem Gebirg, und das Echo der
Haine,
Wo der Juͤnglinge Bruſt ſich hebt, wo die Seele
des Volks ſich
Still vereint in freierem Lied, zur Ehre des
Gottes,
Dem die Hoͤhe gebuͤhrt, doch auch die Thale ſind
heilig;
Denn, wo froͤhlich der Strom in wachſender Ju-
gend hinauseilt,
Unter Blumen des Lands, und wo auf ſonnigen
Ebnen
Edles Korn und der Obſtwald reift, da kraͤnzen
am Feſte
Gerne die Frommen ſich auch, und auf dem Huͤ-
gel der Stadt glaͤnzt,
Menſchlicher Wohnung gleich, die himmliſche Helle
der Freude.
Denn voll goͤttlichen Sinns iſt alles Leben ge-
worden,
Hoͤlderlins Gedichte. 12
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Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/185>, abgerufen am 23.07.2024.
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