Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
Wie nun im jugendlichen Kriege
Heroenkraft mit der Natur sich maß!
Ach! wie der Geist, vom wunderbaren Siege
Berauscht, der armen Sterblichkeit vergaß;
Die stolzen Jünglinge! die kühnen!
Sie legten froh dem Tieger Fesseln an,
Sie bändigten, von staunenden Delphinen
Umtanzt, den königlichen Ozean.
Oft hör' ich deine Wehre rauschen,
Du Genius der Kühnen! und die Lust,
Den Wundern deines Heldenvolks zu lauschen,
Sie stärkt mir oft die lebensmüde Brust;
Doch weilst du freundlicher um stille Laren,
Wo eine Welt der Künstler kühn belebt,
Wo um die Majestät des Unsichtbaren
Ein edler Geist der Dichtung Schleier webt.
Den Geist des Alls und seine Fülle
Begrüßte Mäons Sohn auf heil'ger Spur,
Sie stand vor ihm, mit abgelegter Hülle,
Voll Ernstes da, die ewige Natur;
Er rief sie kühn vom dunklen Geisterlande,
Und lächelnd trat, in aller Freuden Chor,
Entzückender im menschlichen Gewande
Die namenlose Königin hervor.
Wie nun im jugendlichen Kriege
Heroenkraft mit der Natur ſich maß!
Ach! wie der Geiſt, vom wunderbaren Siege
Berauſcht, der armen Sterblichkeit vergaß;
Die ſtolzen Juͤnglinge! die kuͤhnen!
Sie legten froh dem Tieger Feſſeln an,
Sie baͤndigten, von ſtaunenden Delphinen
Umtanzt, den koͤniglichen Ozean.
Oft hoͤr' ich deine Wehre rauſchen,
Du Genius der Kuͤhnen! und die Luſt,
Den Wundern deines Heldenvolks zu lauſchen,
Sie ſtaͤrkt mir oft die lebensmuͤde Bruſt;
Doch weilſt du freundlicher um ſtille Laren,
Wo eine Welt der Kuͤnſtler kuͤhn belebt,
Wo um die Majeſtaͤt des Unſichtbaren
Ein edler Geiſt der Dichtung Schleier webt.
Den Geiſt des Alls und ſeine Fuͤlle
Begruͤßte Maͤons Sohn auf heil'ger Spur,
Sie ſtand vor ihm, mit abgelegter Huͤlle,
Voll Ernſtes da, die ewige Natur;
Er rief ſie kuͤhn vom dunklen Geiſterlande,
Und laͤchelnd trat, in aller Freuden Chor,
Entzuͤckender im menſchlichen Gewande
Die namenloſe Koͤnigin hervor.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0017" n="9"/>
          <lg n="3">
            <l>Wie nun im jugendlichen Kriege</l><lb/>
            <l>Heroenkraft mit der Natur &#x017F;ich maß!</l><lb/>
            <l>Ach! wie der Gei&#x017F;t, vom wunderbaren Siege</l><lb/>
            <l>Berau&#x017F;cht, der armen Sterblichkeit vergaß;</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;tolzen Ju&#x0364;nglinge! die ku&#x0364;hnen!</l><lb/>
            <l>Sie legten froh dem Tieger Fe&#x017F;&#x017F;eln an,</l><lb/>
            <l>Sie ba&#x0364;ndigten, von &#x017F;taunenden Delphinen</l><lb/>
            <l>Umtanzt, den ko&#x0364;niglichen Ozean.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Oft ho&#x0364;r' ich deine Wehre rau&#x017F;chen,</l><lb/>
            <l>Du Genius der Ku&#x0364;hnen! und die Lu&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Den Wundern deines Heldenvolks zu lau&#x017F;chen,</l><lb/>
            <l>Sie &#x017F;ta&#x0364;rkt mir oft die lebensmu&#x0364;de Bru&#x017F;t;</l><lb/>
            <l>Doch weil&#x017F;t du freundlicher um &#x017F;tille Laren,</l><lb/>
            <l>Wo eine Welt der Ku&#x0364;n&#x017F;tler ku&#x0364;hn belebt,</l><lb/>
            <l>Wo um die Maje&#x017F;ta&#x0364;t des Un&#x017F;ichtbaren</l><lb/>
            <l>Ein edler Gei&#x017F;t der Dichtung Schleier webt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="5">
            <l>Den Gei&#x017F;t des Alls und &#x017F;eine Fu&#x0364;lle</l><lb/>
            <l>Begru&#x0364;ßte Ma&#x0364;ons Sohn auf heil'ger Spur,</l><lb/>
            <l>Sie &#x017F;tand vor ihm, mit abgelegter Hu&#x0364;lle,</l><lb/>
            <l>Voll Ern&#x017F;tes da, die ewige Natur;</l><lb/>
            <l>Er rief &#x017F;ie ku&#x0364;hn vom dunklen Gei&#x017F;terlande,</l><lb/>
            <l>Und la&#x0364;chelnd trat, in aller Freuden Chor,</l><lb/>
            <l>Entzu&#x0364;ckender im men&#x017F;chlichen Gewande</l><lb/>
            <l>Die namenlo&#x017F;e Ko&#x0364;nigin hervor.</l>
          </lg><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0017] Wie nun im jugendlichen Kriege Heroenkraft mit der Natur ſich maß! Ach! wie der Geiſt, vom wunderbaren Siege Berauſcht, der armen Sterblichkeit vergaß; Die ſtolzen Juͤnglinge! die kuͤhnen! Sie legten froh dem Tieger Feſſeln an, Sie baͤndigten, von ſtaunenden Delphinen Umtanzt, den koͤniglichen Ozean. Oft hoͤr' ich deine Wehre rauſchen, Du Genius der Kuͤhnen! und die Luſt, Den Wundern deines Heldenvolks zu lauſchen, Sie ſtaͤrkt mir oft die lebensmuͤde Bruſt; Doch weilſt du freundlicher um ſtille Laren, Wo eine Welt der Kuͤnſtler kuͤhn belebt, Wo um die Majeſtaͤt des Unſichtbaren Ein edler Geiſt der Dichtung Schleier webt. Den Geiſt des Alls und ſeine Fuͤlle Begruͤßte Maͤons Sohn auf heil'ger Spur, Sie ſtand vor ihm, mit abgelegter Huͤlle, Voll Ernſtes da, die ewige Natur; Er rief ſie kuͤhn vom dunklen Geiſterlande, Und laͤchelnd trat, in aller Freuden Chor, Entzuͤckender im menſchlichen Gewande Die namenloſe Koͤnigin hervor.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/17
Zitationshilfe: Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/17>, abgerufen am 28.03.2024.