Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.Der Zweck des Lesens sollte überhaupt und Es läßt sich nicht gut begreifen daß man Der Zweck des Leſens ſollte uͤberhaupt und Es laͤßt ſich nicht gut begreifen daß man <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0072" n="72"/> <p>Der Zweck des Leſens ſollte uͤberhaupt und<lb/> vorzuͤglich bei dem Frauenzimmer ſeyn — <hi rendition="#fr">ſich<lb/> zu bilden, zu belehren und doch dabei zu-<lb/> gleich ſich angenehm zu beſchaͤftigen, wenn<lb/> Mangel an anderer nuͤzlicher Beſchaͤftigung,<lb/> oder vielmehr eine nothwendige Erholung<lb/> nach Erfuͤllung ihrer Pflichten, eintrit.</hi> Ob<lb/> dieſer Zweck erreicht wird, oder ob man auch<lb/> nur die Abſicht hat, ihn erreichen? Vergeſſen<lb/> Sie, daß Sie ein Frauenzimmer ſind und ſagen<lb/> Sie — “nein”, oder wollen Sie lieber die beiden<lb/> Worte — “nicht uͤberall”, waͤhlen: ſo will ich aus<lb/> Hoͤflichkeit nichts dagegen einwenden, ja ich will<lb/> Jhnen auch noch gern zugeſtehen, daß unſere<lb/> Modeleſerinnen und Leſer <hi rendition="#fr">nicht Wahrheit und<lb/> ein daraus entſpringendes Vergnuͤgen</hi> ſuchen,<lb/> ſondern daß ſie ganz andere Zwecke haben, wo-<lb/> von ich <hi rendition="#i">Jhnen zum Gefallen einige anfuͤhren<lb/> will.</hi></p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Es laͤßt ſich nicht gut begreifen daß man<lb/> blos lieſt um zu leſen und doch kann es wol der<lb/> Fall ſeyn. Jndeß wollen wir lieber annehmen,<lb/> daß es Leſer giebt die ohngefehr ſo leſen, wie<lb/> die Kinder wenn ſie einige Wochen buchſtabirt<lb/> haben, und ſich nun freuen daß ſie ſchon einige<lb/> Worte zuſammen ſetzen koͤnnen. Eine kleine Eitel-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [72/0072]
Der Zweck des Leſens ſollte uͤberhaupt und
vorzuͤglich bei dem Frauenzimmer ſeyn — ſich
zu bilden, zu belehren und doch dabei zu-
gleich ſich angenehm zu beſchaͤftigen, wenn
Mangel an anderer nuͤzlicher Beſchaͤftigung,
oder vielmehr eine nothwendige Erholung
nach Erfuͤllung ihrer Pflichten, eintrit. Ob
dieſer Zweck erreicht wird, oder ob man auch
nur die Abſicht hat, ihn erreichen? Vergeſſen
Sie, daß Sie ein Frauenzimmer ſind und ſagen
Sie — “nein”, oder wollen Sie lieber die beiden
Worte — “nicht uͤberall”, waͤhlen: ſo will ich aus
Hoͤflichkeit nichts dagegen einwenden, ja ich will
Jhnen auch noch gern zugeſtehen, daß unſere
Modeleſerinnen und Leſer nicht Wahrheit und
ein daraus entſpringendes Vergnuͤgen ſuchen,
ſondern daß ſie ganz andere Zwecke haben, wo-
von ich Jhnen zum Gefallen einige anfuͤhren
will.
Es laͤßt ſich nicht gut begreifen daß man
blos lieſt um zu leſen und doch kann es wol der
Fall ſeyn. Jndeß wollen wir lieber annehmen,
daß es Leſer giebt die ohngefehr ſo leſen, wie
die Kinder wenn ſie einige Wochen buchſtabirt
haben, und ſich nun freuen daß ſie ſchon einige
Worte zuſammen ſetzen koͤnnen. Eine kleine Eitel-
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