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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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weiß alles zu nutzen. -- Seit mehrern Jah-
ren gehört es zur Mode und zum guten Ton
daß man in die Kirche gehet, und doch verächt-
lich von der Religion spricht. Man sucht die
Person verächtlich zu machen, um dadurch die
Sache selbst lächerlich zu machen, welche sie
vorträgt. Es soll dies ein sicherer Grund-
satz seyn seinen Zweck zu erreichen. Der Ueber-
gang von der Person zur Sache ist sehr leicht,
zumal wenn, wie es in den Ritterbüchern ge-
schiehet, immer schlechte Personen aus dem
geistlichen Stande aufgestellt werden. Jn man-
chen Büchern siehet man sogar die Mühe,
die sich die Verfasser gegeben haben, um ein
geistliches Subjekt nach ihrer Absicht zu formen
und dadurch Mißtrauen gegen diesen respekta-
beln Stand hervorzubringen. Es kann keine
Rittermähre seyn worin nicht ein Abt u. s. w.
auftritt, was aber auf diesen paßt, trift doch
gewiß unsere Geistlichen nicht, so wenig als die
Ritterlaster auf die jetzigen Ritter passen. Be-
gehet man nicht eine Ungerechtigkeit gegen ei-
ne große Klasse von Menschen, sie durch die
Aufdeckung der Fehler ihrer Amtsbrüder vor
sechshundert Jahren, woran das System der
Kirche den grösten Antheil hatte, herabzusetzen?
Niemand kann etwas dagegen einwenden, wenn
man die wirklichen Fehler, und wahre Abscheu-

weiß alles zu nutzen. — Seit mehrern Jah-
ren gehoͤrt es zur Mode und zum guten Ton
daß man in die Kirche gehet, und doch veraͤcht-
lich von der Religion ſpricht. Man ſucht die
Perſon veraͤchtlich zu machen, um dadurch die
Sache ſelbſt laͤcherlich zu machen, welche ſie
vortraͤgt. Es ſoll dies ein ſicherer Grund-
ſatz ſeyn ſeinen Zweck zu erreichen. Der Ueber-
gang von der Perſon zur Sache iſt ſehr leicht,
zumal wenn, wie es in den Ritterbuͤchern ge-
ſchiehet, immer ſchlechte Perſonen aus dem
geiſtlichen Stande aufgeſtellt werden. Jn man-
chen Buͤchern ſiehet man ſogar die Muͤhe,
die ſich die Verfaſſer gegeben haben, um ein
geiſtliches Subjekt nach ihrer Abſicht zu formen
und dadurch Mißtrauen gegen dieſen reſpekta-
beln Stand hervorzubringen. Es kann keine
Rittermaͤhre ſeyn worin nicht ein Abt u. ſ. w.
auftritt, was aber auf dieſen paßt, trift doch
gewiß unſere Geiſtlichen nicht, ſo wenig als die
Ritterlaſter auf die jetzigen Ritter paſſen. Be-
gehet man nicht eine Ungerechtigkeit gegen ei-
ne große Klaſſe von Menſchen, ſie durch die
Aufdeckung der Fehler ihrer Amtsbruͤder vor
ſechshundert Jahren, woran das Syſtem der
Kirche den groͤſten Antheil hatte, herabzuſetzen?
Niemand kann etwas dagegen einwenden, wenn
man die wirklichen Fehler, und wahre Abſcheu-

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[59/0059] weiß alles zu nutzen. — Seit mehrern Jah- ren gehoͤrt es zur Mode und zum guten Ton daß man in die Kirche gehet, und doch veraͤcht- lich von der Religion ſpricht. Man ſucht die Perſon veraͤchtlich zu machen, um dadurch die Sache ſelbſt laͤcherlich zu machen, welche ſie vortraͤgt. Es ſoll dies ein ſicherer Grund- ſatz ſeyn ſeinen Zweck zu erreichen. Der Ueber- gang von der Perſon zur Sache iſt ſehr leicht, zumal wenn, wie es in den Ritterbuͤchern ge- ſchiehet, immer ſchlechte Perſonen aus dem geiſtlichen Stande aufgeſtellt werden. Jn man- chen Buͤchern ſiehet man ſogar die Muͤhe, die ſich die Verfaſſer gegeben haben, um ein geiſtliches Subjekt nach ihrer Abſicht zu formen und dadurch Mißtrauen gegen dieſen reſpekta- beln Stand hervorzubringen. Es kann keine Rittermaͤhre ſeyn worin nicht ein Abt u. ſ. w. auftritt, was aber auf dieſen paßt, trift doch gewiß unſere Geiſtlichen nicht, ſo wenig als die Ritterlaſter auf die jetzigen Ritter paſſen. Be- gehet man nicht eine Ungerechtigkeit gegen ei- ne große Klaſſe von Menſchen, ſie durch die Aufdeckung der Fehler ihrer Amtsbruͤder vor ſechshundert Jahren, woran das Syſtem der Kirche den groͤſten Antheil hatte, herabzuſetzen? Niemand kann etwas dagegen einwenden, wenn man die wirklichen Fehler, und wahre Abſcheu-

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/59>, abgerufen am 01.05.2024.