Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

thun könne, was man wolle, recht schön
finden.

Diese Seite möchte man indeß wol nicht
so nachtheilig finden als die folgende. Diese
Rittermähren befördern die Gleichgültigkeit ge-
gen grausame Scenen, und erzeugen wol gar
Vergnügen daran. Alles was Waffen heißt und
fürchterlich ist, verliert den Eindruck, man
gewöhnt sich an Tod und Blut, und geht
dann mit Kaltsinn über Schreckensscenen weg.
Das heimliche Gericht, mit seinen bunderttau-
send Henkern, die Art der Hinrichtung, und
das ganze Verfahren desselben, hat wirklich viel
ähnliches mit dem Revolutionstribunal in Frank-
reich. Sollten wol die Greuel dieses Tribunals
überall den Eindruck machen, den man erwar-
ten darf? Jetzt gewiß, weil es über alle Be-
schreibung abscheulich ist. Es läßt sich zwar
nicht behaupten, daß diese Rittergeschichten
unmittelbar solche Wirkungen hervorbrächten,
aber doch gewiß sehr mittelbar, und vielleicht
ohne und wider die Absicht der Verfasser. Ein
jedes Buch kann nur mittelbar wirken. Das
fällt oft am meisten auf was es nicht sollte,
und man sucht immer gern ein Original zu der
Kopie.

thun koͤnne, was man wolle, recht ſchoͤn
finden.

Dieſe Seite moͤchte man indeß wol nicht
ſo nachtheilig finden als die folgende. Dieſe
Rittermaͤhren befoͤrdern die Gleichguͤltigkeit ge-
gen grauſame Scenen, und erzeugen wol gar
Vergnuͤgen daran. Alles was Waffen heißt und
fuͤrchterlich iſt, verliert den Eindruck, man
gewoͤhnt ſich an Tod und Blut, und geht
dann mit Kaltſinn uͤber Schreckensſcenen weg.
Das heimliche Gericht, mit ſeinen bunderttau-
ſend Henkern, die Art der Hinrichtung, und
das ganze Verfahren deſſelben, hat wirklich viel
aͤhnliches mit dem Revolutionstribunal in Frank-
reich. Sollten wol die Greuel dieſes Tribunals
uͤberall den Eindruck machen, den man erwar-
ten darf? Jetzt gewiß, weil es uͤber alle Be-
ſchreibung abſcheulich iſt. Es laͤßt ſich zwar
nicht behaupten, daß dieſe Rittergeſchichten
unmittelbar ſolche Wirkungen hervorbraͤchten,
aber doch gewiß ſehr mittelbar, und vielleicht
ohne und wider die Abſicht der Verfaſſer. Ein
jedes Buch kann nur mittelbar wirken. Das
faͤllt oft am meiſten auf was es nicht ſollte,
und man ſucht immer gern ein Original zu der
Kopie.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0055" n="55"/>
thun ko&#x0364;nne, was man wolle, recht &#x017F;cho&#x0364;n<lb/>
finden.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Seite mo&#x0364;chte man indeß wol nicht<lb/>
&#x017F;o nachtheilig finden als die folgende. Die&#x017F;e<lb/>
Ritterma&#x0364;hren befo&#x0364;rdern die Gleichgu&#x0364;ltigkeit ge-<lb/>
gen grau&#x017F;ame Scenen, und erzeugen wol gar<lb/>
Vergnu&#x0364;gen daran. Alles was Waffen heißt und<lb/>
fu&#x0364;rchterlich i&#x017F;t, verliert den Eindruck, man<lb/>
gewo&#x0364;hnt &#x017F;ich an Tod und Blut, und geht<lb/>
dann mit Kalt&#x017F;inn u&#x0364;ber Schreckens&#x017F;cenen weg.<lb/>
Das heimliche Gericht, mit &#x017F;einen bunderttau-<lb/>
&#x017F;end Henkern, die Art der Hinrichtung, und<lb/>
das ganze Verfahren de&#x017F;&#x017F;elben, hat wirklich viel<lb/>
a&#x0364;hnliches mit dem Revolutionstribunal in Frank-<lb/>
reich. Sollten wol die Greuel die&#x017F;es Tribunals<lb/>
u&#x0364;berall den Eindruck machen, den man erwar-<lb/>
ten darf? Jetzt gewiß, weil es u&#x0364;ber alle Be-<lb/>
&#x017F;chreibung ab&#x017F;cheulich i&#x017F;t. Es la&#x0364;ßt &#x017F;ich zwar<lb/>
nicht behaupten, daß die&#x017F;e Ritterge&#x017F;chichten<lb/>
unmittelbar &#x017F;olche Wirkungen hervorbra&#x0364;chten,<lb/>
aber doch gewiß &#x017F;ehr mittelbar, und vielleicht<lb/>
ohne und wider die Ab&#x017F;icht der Verfa&#x017F;&#x017F;er. Ein<lb/>
jedes Buch kann nur mittelbar wirken. Das<lb/>
fa&#x0364;llt oft am mei&#x017F;ten auf was es nicht &#x017F;ollte,<lb/>
und man &#x017F;ucht immer gern ein Original zu der<lb/>
Kopie.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0055] thun koͤnne, was man wolle, recht ſchoͤn finden. Dieſe Seite moͤchte man indeß wol nicht ſo nachtheilig finden als die folgende. Dieſe Rittermaͤhren befoͤrdern die Gleichguͤltigkeit ge- gen grauſame Scenen, und erzeugen wol gar Vergnuͤgen daran. Alles was Waffen heißt und fuͤrchterlich iſt, verliert den Eindruck, man gewoͤhnt ſich an Tod und Blut, und geht dann mit Kaltſinn uͤber Schreckensſcenen weg. Das heimliche Gericht, mit ſeinen bunderttau- ſend Henkern, die Art der Hinrichtung, und das ganze Verfahren deſſelben, hat wirklich viel aͤhnliches mit dem Revolutionstribunal in Frank- reich. Sollten wol die Greuel dieſes Tribunals uͤberall den Eindruck machen, den man erwar- ten darf? Jetzt gewiß, weil es uͤber alle Be- ſchreibung abſcheulich iſt. Es laͤßt ſich zwar nicht behaupten, daß dieſe Rittergeſchichten unmittelbar ſolche Wirkungen hervorbraͤchten, aber doch gewiß ſehr mittelbar, und vielleicht ohne und wider die Abſicht der Verfaſſer. Ein jedes Buch kann nur mittelbar wirken. Das faͤllt oft am meiſten auf was es nicht ſollte, und man ſucht immer gern ein Original zu der Kopie.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/55
Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/55>, abgerufen am 01.05.2024.