aus folgt, daß der Charakter sehr von Zeit und Umständen abhangen muß, an welche die Hand- lungen gebunden sind. Würde er also in den Büchern worin irgend eine Geschichte aus einem Jahrhundert erzählt wird, treu geschildert; so würde man auch die steigende oder sinkende Kul- tur und Aufklärung, und die davon abhängende Moralität daraus kennen lernen. Denn auch die subjektiven Begriffe von dem was gut, an- ständig oder schlecht ist, hängen sehr von der herrschenden Denkungsart, von dem angenom- menen Etikette ab. Auch dies muß bei der Be- handlung des Charakters einer handelnden Person in Anschlag gebracht werden; dazu aber gehört eine genaue Kenntniß dieser Denkungsart, um den Helden immer derselben gemäß handeln zu lassen. Die Verfasser der Rittergeschichten, sind gewiß auf einem sehr unsichern Wege, wenn sie ihre Helden ohne diese Rücksichten auf eine und die- selbe Art handeln lassen. Eine jede Periode in der Geschichte der Menschheit hat überdem et- was eigenthümliches, was sich nur für sie paßt, in einer andern aber als etwas albernes verlacht wird. Hätte man dies überdacht, und eine Pa- rallele gezogen: so wäre es doch sonderbar, daß die beiden Endpunkte so leicht zusammenrücken, und die Galanterie jener Zeiten, mit ihrem Troß,
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aus folgt, daß der Charakter ſehr von Zeit und Umſtaͤnden abhangen muß, an welche die Hand- lungen gebunden ſind. Wuͤrde er alſo in den Buͤchern worin irgend eine Geſchichte aus einem Jahrhundert erzaͤhlt wird, treu geſchildert; ſo wuͤrde man auch die ſteigende oder ſinkende Kul- tur und Aufklaͤrung, und die davon abhaͤngende Moralitaͤt daraus kennen lernen. Denn auch die ſubjektiven Begriffe von dem was gut, an- ſtaͤndig oder ſchlecht iſt, haͤngen ſehr von der herrſchenden Denkungsart, von dem angenom- menen Etikette ab. Auch dies muß bei der Be- handlung des Charakters einer handelnden Perſon in Anſchlag gebracht werden; dazu aber gehoͤrt eine genaue Kenntniß dieſer Denkungsart, um den Helden immer derſelben gemaͤß handeln zu laſſen. Die Verfaſſer der Rittergeſchichten, ſind gewiß auf einem ſehr unſichern Wege, wenn ſie ihre Helden ohne dieſe Ruͤckſichten auf eine und die- ſelbe Art handeln laſſen. Eine jede Periode in der Geſchichte der Menſchheit hat uͤberdem et- was eigenthuͤmliches, was ſich nur fuͤr ſie paßt, in einer andern aber als etwas albernes verlacht wird. Haͤtte man dies uͤberdacht, und eine Pa- rallele gezogen: ſo waͤre es doch ſonderbar, daß die beiden Endpunkte ſo leicht zuſammenruͤcken, und die Galanterie jener Zeiten, mit ihrem Troß,
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[48/0048]
aus folgt, daß der Charakter ſehr von Zeit und
Umſtaͤnden abhangen muß, an welche die Hand-
lungen gebunden ſind. Wuͤrde er alſo in den
Buͤchern worin irgend eine Geſchichte aus einem
Jahrhundert erzaͤhlt wird, treu geſchildert; ſo
wuͤrde man auch die ſteigende oder ſinkende Kul-
tur und Aufklaͤrung, und die davon abhaͤngende
Moralitaͤt daraus kennen lernen. Denn auch
die ſubjektiven Begriffe von dem was gut, an-
ſtaͤndig oder ſchlecht iſt, haͤngen ſehr von der
herrſchenden Denkungsart, von dem angenom-
menen Etikette ab. Auch dies muß bei der Be-
handlung des Charakters einer handelnden Perſon
in Anſchlag gebracht werden; dazu aber gehoͤrt
eine genaue Kenntniß dieſer Denkungsart, um
den Helden immer derſelben gemaͤß handeln zu
laſſen. Die Verfaſſer der Rittergeſchichten, ſind
gewiß auf einem ſehr unſichern Wege, wenn ſie ihre
Helden ohne dieſe Ruͤckſichten auf eine und die-
ſelbe Art handeln laſſen. Eine jede Periode in
der Geſchichte der Menſchheit hat uͤberdem et-
was eigenthuͤmliches, was ſich nur fuͤr ſie paßt,
in einer andern aber als etwas albernes verlacht
wird. Haͤtte man dies uͤberdacht, und eine Pa-
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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/48>, abgerufen am 16.02.2025.
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