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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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ten. Ein solcher vertrauter Umgang mit hö-
hern Wesen gibt dem Jnitiirten in den Augen
vieler ein großes Ansehen, und was kann dann
nicht alles gewirkt werden! -- Die vielen Ro-
mane, worin Geister auftreten, haben den Sinn
für diese Gaukeleien erweitert.

Von einer andern Seite betrachtet, ver-
schlimmert die Lektüre solcher Bücher die Mo-
ralität der Menschen, indem sie den Glauben
an eine Einwirkung der Geister, und also auch
des Teufels, der so schon so viele Verbrechen
auf sich nehmen muß, befördert. Sie bleiben
überdem nicht die Lektüre der gebildeten Volks-
klasse allein, auch die Niedrigste hascht darnach,
die gewohnt ist, alles für wahr zu halten, was
gedruckt ist. Zu welchem edeln Zwecke könnte
man diesen Glauben nutzen! Der gute Semler
verbannte den Teufel und suchte eine vernünf-
tige Aufklärung zu befördern, nun erscheint er
mit tausend andern wieder, und findet sein Haus
mit Besemen gekehrt. Das wenige Gute, das
die Menschen verrichten, schreiben sie sich gar
gern allein zu, und wegen des vielen Bösen,
suchen sie Entschuldigung im Himmel und in
der Hölle, um den lieben Gott zu überreden,
daß sie so schuldig nicht sind. Kann die Mora-
lität dadurch gewinnen, wenn man sich mit
dem Mephistopheles vergnügt? Jch gebe zu,

ten. Ein ſolcher vertrauter Umgang mit hoͤ-
hern Weſen gibt dem Jnitiirten in den Augen
vieler ein großes Anſehen, und was kann dann
nicht alles gewirkt werden! — Die vielen Ro-
mane, worin Geiſter auftreten, haben den Sinn
fuͤr dieſe Gaukeleien erweitert.

Von einer andern Seite betrachtet, ver-
ſchlimmert die Lektuͤre ſolcher Buͤcher die Mo-
ralitaͤt der Menſchen, indem ſie den Glauben
an eine Einwirkung der Geiſter, und alſo auch
des Teufels, der ſo ſchon ſo viele Verbrechen
auf ſich nehmen muß, befoͤrdert. Sie bleiben
uͤberdem nicht die Lektuͤre der gebildeten Volks-
klaſſe allein, auch die Niedrigſte haſcht darnach,
die gewohnt iſt, alles fuͤr wahr zu halten, was
gedruckt iſt. Zu welchem edeln Zwecke koͤnnte
man dieſen Glauben nutzen! Der gute Semler
verbannte den Teufel und ſuchte eine vernuͤnf-
tige Aufklaͤrung zu befoͤrdern, nun erſcheint er
mit tauſend andern wieder, und findet ſein Haus
mit Beſemen gekehrt. Das wenige Gute, das
die Menſchen verrichten, ſchreiben ſie ſich gar
gern allein zu, und wegen des vielen Boͤſen,
ſuchen ſie Entſchuldigung im Himmel und in
der Hoͤlle, um den lieben Gott zu uͤberreden,
daß ſie ſo ſchuldig nicht ſind. Kann die Mora-
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[28/0028] ten. Ein ſolcher vertrauter Umgang mit hoͤ- hern Weſen gibt dem Jnitiirten in den Augen vieler ein großes Anſehen, und was kann dann nicht alles gewirkt werden! — Die vielen Ro- mane, worin Geiſter auftreten, haben den Sinn fuͤr dieſe Gaukeleien erweitert. Von einer andern Seite betrachtet, ver- ſchlimmert die Lektuͤre ſolcher Buͤcher die Mo- ralitaͤt der Menſchen, indem ſie den Glauben an eine Einwirkung der Geiſter, und alſo auch des Teufels, der ſo ſchon ſo viele Verbrechen auf ſich nehmen muß, befoͤrdert. Sie bleiben uͤberdem nicht die Lektuͤre der gebildeten Volks- klaſſe allein, auch die Niedrigſte haſcht darnach, die gewohnt iſt, alles fuͤr wahr zu halten, was gedruckt iſt. Zu welchem edeln Zwecke koͤnnte man dieſen Glauben nutzen! Der gute Semler verbannte den Teufel und ſuchte eine vernuͤnf- tige Aufklaͤrung zu befoͤrdern, nun erſcheint er mit tauſend andern wieder, und findet ſein Haus mit Beſemen gekehrt. Das wenige Gute, das die Menſchen verrichten, ſchreiben ſie ſich gar gern allein zu, und wegen des vielen Boͤſen, ſuchen ſie Entſchuldigung im Himmel und in der Hoͤlle, um den lieben Gott zu uͤberreden, daß ſie ſo ſchuldig nicht ſind. Kann die Mora- litaͤt dadurch gewinnen, wenn man ſich mit dem Mephiſtopheles vergnuͤgt? Jch gebe zu,

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/28>, abgerufen am 26.04.2024.