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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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das Frohsinn verbreiten will, wird unzufrieden
durch das Mißlingen seiner Absicht. Ein Zusam-
menschmelzen reiner wahrer Empfindungen; ein
gänzliches Hingeben an den Freund, an die Freun-
din, gibt eine unaussprechliche Wonne, sie über-
trift beinahe die Liebe, oder vielmehr sie ist der
höchste Grad derselben. Hierin bestehet das
Glück der Ehen, das Glück des gefellschaftlichen
Lebens. Vertrauen macht glücklich und Miß-
trauen unglücklich, und wie sehr hängt dieß
von der Laune ab? --

"Man suche die Menschen zu durchschauen,
"ihre guten und schlimmen Seiten auszuspähen
"man freue sich über die erstern und lasse sich
"durch die letztern die Laune nicht verstimmen.
"Kurz man lasse es die Menschen nicht empfin-
"den, daß man sie durchschauet hat. Ein
"hiernach eingerichtetes kluges und sanftes Be-
"tragen wird uns und andere glücklich machen."

Nicht wahr meine Theuerste W ... Sie
denken hierin eben so wie ich? --



Am

das Frohſinn verbreiten will, wird unzufrieden
durch das Mißlingen ſeiner Abſicht. Ein Zuſam-
menſchmelzen reiner wahrer Empfindungen; ein
gaͤnzliches Hingeben an den Freund, an die Freun-
din, gibt eine unausſprechliche Wonne, ſie uͤber-
trift beinahe die Liebe, oder vielmehr ſie iſt der
hoͤchſte Grad derſelben. Hierin beſtehet das
Gluͤck der Ehen, das Gluͤck des gefellſchaftlichen
Lebens. Vertrauen macht gluͤcklich und Miß-
trauen ungluͤcklich, und wie ſehr haͤngt dieß
von der Laune ab? —

„Man ſuche die Menſchen zu durchſchauen,
„ihre guten und ſchlimmen Seiten auszuſpaͤhen
„man freue ſich uͤber die erſtern und laſſe ſich
„durch die letztern die Laune nicht verſtimmen.
„Kurz man laſſe es die Menſchen nicht empfin-
„den, daß man ſie durchſchauet hat. Ein
„hiernach eingerichtetes kluges und ſanftes Be-
„tragen wird uns und andere gluͤcklich machen.‟

Nicht wahr meine Theuerſte W … Sie
denken hierin eben ſo wie ich? —



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[128/0128] das Frohſinn verbreiten will, wird unzufrieden durch das Mißlingen ſeiner Abſicht. Ein Zuſam- menſchmelzen reiner wahrer Empfindungen; ein gaͤnzliches Hingeben an den Freund, an die Freun- din, gibt eine unausſprechliche Wonne, ſie uͤber- trift beinahe die Liebe, oder vielmehr ſie iſt der hoͤchſte Grad derſelben. Hierin beſtehet das Gluͤck der Ehen, das Gluͤck des gefellſchaftlichen Lebens. Vertrauen macht gluͤcklich und Miß- trauen ungluͤcklich, und wie ſehr haͤngt dieß von der Laune ab? — „Man ſuche die Menſchen zu durchſchauen, „ihre guten und ſchlimmen Seiten auszuſpaͤhen „man freue ſich uͤber die erſtern und laſſe ſich „durch die letztern die Laune nicht verſtimmen. „Kurz man laſſe es die Menſchen nicht empfin- „den, daß man ſie durchſchauet hat. Ein „hiernach eingerichtetes kluges und ſanftes Be- „tragen wird uns und andere gluͤcklich machen.‟ Nicht wahr meine Theuerſte W … Sie denken hierin eben ſo wie ich? — Am

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/128>, abgerufen am 03.05.2024.