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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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Der Mensch kann größtentheils der Schö-
pfer seines Glücks, aber auch der Schöpfer sei-
nes Unglücks werden. Daß er das Letztere eben
so oft als das erstere wird bedarf keines Be-
weises. Der Fehler liegt in den Mitteln die
er anwendet. Gehöret dazu nicht auch die Lek-
türe, wodurch er sich bilden, seinen Verstand
aufklären will, aber dadurch oft so falsch gelei-
tet wird? Ueberspannte Einbildungen, verdor-
bene Launen tragen zum Wohl oder Wehe des
Menschen sehr viel bei. Wenn das von den
menschlichen Handlungen abgesondert wird, was
Launen und Leidenschaften davon haben was
bleibt übrig? Viele so genannte gesellschaftliche
Tugenden, und noch mehr Laster, hängen da-
von ab. Es wäre in der That höchste Pflicht
sich bey der Erziehung mehr um eine reine
Stimmung der Empfindungen, und Leitung
der Launen der Kinder zu bekümmern, als es
bis jetzt wol hin und wieder geschehen mag.
Man würde dadurch die Summe des Menschen-
glücks sehr vermehren. Unverzeihlich ist es wenn
Aeltern, und Lehrer in Rücksicht jener, den
Launen der Kinder zu viel nachsehen, sie legen
dadurch einen sichern Grundstein zu ihrem künf-
tigen Unglück.

Von der Laune hängt auch vorzüglich das
herzliche, das trauliche im Umgange ab. Es

Der Menſch kann groͤßtentheils der Schoͤ-
pfer ſeines Gluͤcks, aber auch der Schoͤpfer ſei-
nes Ungluͤcks werden. Daß er das Letztere eben
ſo oft als das erſtere wird bedarf keines Be-
weiſes. Der Fehler liegt in den Mitteln die
er anwendet. Gehoͤret dazu nicht auch die Lek-
tuͤre, wodurch er ſich bilden, ſeinen Verſtand
aufklaͤren will, aber dadurch oft ſo falſch gelei-
tet wird? Ueberſpannte Einbildungen, verdor-
bene Launen tragen zum Wohl oder Wehe des
Menſchen ſehr viel bei. Wenn das von den
menſchlichen Handlungen abgeſondert wird, was
Launen und Leidenſchaften davon haben was
bleibt uͤbrig? Viele ſo genannte geſellſchaftliche
Tugenden, und noch mehr Laſter, haͤngen da-
von ab. Es waͤre in der That hoͤchſte Pflicht
ſich bey der Erziehung mehr um eine reine
Stimmung der Empfindungen, und Leitung
der Launen der Kinder zu bekuͤmmern, als es
bis jetzt wol hin und wieder geſchehen mag.
Man wuͤrde dadurch die Summe des Menſchen-
gluͤcks ſehr vermehren. Unverzeihlich iſt es wenn
Aeltern, und Lehrer in Ruͤckſicht jener, den
Launen der Kinder zu viel nachſehen, ſie legen
dadurch einen ſichern Grundſtein zu ihrem kuͤnf-
tigen Ungluͤck.

Von der Laune haͤngt auch vorzuͤglich das
herzliche, das trauliche im Umgange ab. Es

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[126/0126] Der Menſch kann groͤßtentheils der Schoͤ- pfer ſeines Gluͤcks, aber auch der Schoͤpfer ſei- nes Ungluͤcks werden. Daß er das Letztere eben ſo oft als das erſtere wird bedarf keines Be- weiſes. Der Fehler liegt in den Mitteln die er anwendet. Gehoͤret dazu nicht auch die Lek- tuͤre, wodurch er ſich bilden, ſeinen Verſtand aufklaͤren will, aber dadurch oft ſo falſch gelei- tet wird? Ueberſpannte Einbildungen, verdor- bene Launen tragen zum Wohl oder Wehe des Menſchen ſehr viel bei. Wenn das von den menſchlichen Handlungen abgeſondert wird, was Launen und Leidenſchaften davon haben was bleibt uͤbrig? Viele ſo genannte geſellſchaftliche Tugenden, und noch mehr Laſter, haͤngen da- von ab. Es waͤre in der That hoͤchſte Pflicht ſich bey der Erziehung mehr um eine reine Stimmung der Empfindungen, und Leitung der Launen der Kinder zu bekuͤmmern, als es bis jetzt wol hin und wieder geſchehen mag. Man wuͤrde dadurch die Summe des Menſchen- gluͤcks ſehr vermehren. Unverzeihlich iſt es wenn Aeltern, und Lehrer in Ruͤckſicht jener, den Launen der Kinder zu viel nachſehen, ſie legen dadurch einen ſichern Grundſtein zu ihrem kuͤnf- tigen Ungluͤck. Von der Laune haͤngt auch vorzuͤglich das herzliche, das trauliche im Umgange ab. Es

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/126>, abgerufen am 24.11.2024.