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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794.

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der hervorsuchen. -- Der Umgang unter den
Frauenzimmern, wie Sie selbst einst klagten, fängt
schon an so kalt zu werden, wie er zwischen Gei-
stern und Menschen seyn mag; eine Berührung
und Annäherung wird nicht verstattet, man
müste denn die Meinung des obenangeführten
Büchleins annehmen. Endlich wird man sich
noch gewöhnen müssen mit offenem Munde stau-
nend zu betrachten, wenn man ein Frauenzim-
mer und einen jungen Herrn aus dem Lande der
Einbildungen zusammen fiehet, zumal wenn der
dumpfe abgebrochene Geister- oder Ritter-Ton
oder von der andern Seite, die über die Mensch-
heit, die nicht so ist, wie in der Einbildung,
seufzende Klagenstimme dazu kommt. Alles was
so kontrastirt erregt Lachen, und so ging es
mir einmal bei einer kleinen muthwilligen Per-
fiflage, als ich so ein Paar Einbildungsschwe-
stern beisammen sahe, die sich ihre Träume mit-
theilten, und selbst nicht wusten, was sie woll-
ten, die nie zusammen treffen konnten.

Sonst war es Mode, daß gute Freundin-
nen nach vollbrachten häuslichen Arbeiten zu-
sammen kamen, um ihrem Bedürfniß -- sich
recht satt zu plaudern, abzuhelfen; man war
ohne Zwang, herzlich, aufrichtig, mittheilend,
koste vertraulich und ließ die Männer unschäd-
lich kannengießern. Jetzt hat man den sehr

der hervorſuchen. — Der Umgang unter den
Frauenzimmern, wie Sie ſelbſt einſt klagten, faͤngt
ſchon an ſo kalt zu werden, wie er zwiſchen Gei-
ſtern und Menſchen ſeyn mag; eine Beruͤhrung
und Annaͤherung wird nicht verſtattet, man
muͤſte denn die Meinung des obenangefuͤhrten
Buͤchleins annehmen. Endlich wird man ſich
noch gewoͤhnen muͤſſen mit offenem Munde ſtau-
nend zu betrachten, wenn man ein Frauenzim-
mer und einen jungen Herrn aus dem Lande der
Einbildungen zuſammen fiehet, zumal wenn der
dumpfe abgebrochene Geiſter- oder Ritter-Ton
oder von der andern Seite, die uͤber die Menſch-
heit, die nicht ſo iſt, wie in der Einbildung,
ſeufzende Klagenſtimme dazu kommt. Alles was
ſo kontraſtirt erregt Lachen, und ſo ging es
mir einmal bei einer kleinen muthwilligen Per-
fiflage, als ich ſo ein Paar Einbildungsſchwe-
ſtern beiſammen ſahe, die ſich ihre Traͤume mit-
theilten, und ſelbſt nicht wuſten, was ſie woll-
ten, die nie zuſammen treffen konnten.

Sonſt war es Mode, daß gute Freundin-
nen nach vollbrachten haͤuslichen Arbeiten zu-
ſammen kamen, um ihrem Beduͤrfniß — ſich
recht ſatt zu plaudern, abzuhelfen; man war
ohne Zwang, herzlich, aufrichtig, mittheilend,
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lich kannengießern. Jetzt hat man den ſehr

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[110/0110] der hervorſuchen. — Der Umgang unter den Frauenzimmern, wie Sie ſelbſt einſt klagten, faͤngt ſchon an ſo kalt zu werden, wie er zwiſchen Gei- ſtern und Menſchen ſeyn mag; eine Beruͤhrung und Annaͤherung wird nicht verſtattet, man muͤſte denn die Meinung des obenangefuͤhrten Buͤchleins annehmen. Endlich wird man ſich noch gewoͤhnen muͤſſen mit offenem Munde ſtau- nend zu betrachten, wenn man ein Frauenzim- mer und einen jungen Herrn aus dem Lande der Einbildungen zuſammen fiehet, zumal wenn der dumpfe abgebrochene Geiſter- oder Ritter-Ton oder von der andern Seite, die uͤber die Menſch- heit, die nicht ſo iſt, wie in der Einbildung, ſeufzende Klagenſtimme dazu kommt. Alles was ſo kontraſtirt erregt Lachen, und ſo ging es mir einmal bei einer kleinen muthwilligen Per- fiflage, als ich ſo ein Paar Einbildungsſchwe- ſtern beiſammen ſahe, die ſich ihre Traͤume mit- theilten, und ſelbſt nicht wuſten, was ſie woll- ten, die nie zuſammen treffen konnten. Sonſt war es Mode, daß gute Freundin- nen nach vollbrachten haͤuslichen Arbeiten zu- ſammen kamen, um ihrem Beduͤrfniß — ſich recht ſatt zu plaudern, abzuhelfen; man war ohne Zwang, herzlich, aufrichtig, mittheilend, koſte vertraulich und ließ die Maͤnner unſchaͤd- lich kannengießern. Jetzt hat man den ſehr

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Zitationshilfe: Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/110>, abgerufen am 24.11.2024.