So lange indessen die Volksgärten noch nicht ganz die Würde haben, deren sie fähig sind, so lange müssen sie sich mit der Einrichtung begnügen, die ihnen bisher zugetheilet ward. Inzwischen giebt es Anlagen dieser Gattung, die sich durch Be- quemlichkeit, Anmuth, und reiche Schönheiten der Natur auszeichnen. Die öffent- lichen Spaziergänge zu London und Paris sind berühmt genug, obgleich keine Muster. Auch Deutschland hat bey seinen ansehnlichsten Städten Gärten dieser Art, die eine Empfehlung verdienen.
Der Prater bey Wien liegt eine Viertelstunde vom Stadtthor auf einer gros- sen Insel der Donau und erstreckt sich auf eine halbe Meile. Er ist mit dicken Wal- dungen bewachsen, die mit grünenden Auen und Wiesen untermengt sind. Eine vier- fach gepflanzte Reihe Kastanienbäume vermehrt die ungekünstelte Anmuth dieser In- sel. Sie stand vormals nur den Kutschen des Adels offen; allein Josephs edle Menschenliebe eröffnete hier allen Menschen, Gehenden, Reitenden und Fahrenden, den Eingang. Sogleich wurden die Auen mit Zelten, Hütten, Sommerhäusern zu Erfrischungen, Ringelrennen, Kegelschieben und andern Ergötzungen besäet. Diese Hütten und Sommerhäuser im Walde verschönerten sich bey dem Zulauf der Men- schen von Jahr zu Jahr. Auch fehlt es nicht an Musik.
Ein anderer Volksgarten bey Wien ist der Augarten auf der Donaninsel, welche die Leopoldsstadt einnimmt. Er war ehemals der Garten des kaiserlichen Som- merpalastes, die alte Favorite genannt, der 1683 von den Türken verwüstet ward. Von der Zeit an diente der Garten zu einem öffentlichen Spaziergange, ward aber ganz vernachläßigt. Endlich übernahm der Kaiser Joseph selbst die Verschöne- rung des Platzes. Er ließ ihn erweitern, mit neuen Alleen von verschiedenen Arten von Bäumen und nach verschiedenen Richtungen bepflanzen, Terrassen zum Genuß der reizenden Aussichten der umliegenden Gegenden anlegen, Gebäude aufführen, be- sonders ein schönes Landhaus, das viele Zimmer enthält, und nicht nur zum Spiel und Tanz, sondern auch zum Speisen Mittags und Abends eingerichtet ist. Dieser Belustigungsort, der halb eine angenehme Wildniß der Natur und halb gartenmäßig eingerichtet ist, und hinten von der prächtigen Donau bespült wird, ward ebenfalls, sobald er verbessert war, vom Kaiser 1775 für alle Menschen ohne Unterschied des Standes eröffnet. Die Inschrift bey dem Eingang: Belustigungsort für alle Men- schen, gewidmet von ihrem Freund, kündigt es an, und ist zugleich ein Denkmal der Gute des Stifters. Seitdem ist der Augarten, wo den ganzen Tag eine Menge von Spazierenden wimmelt, auf mancherley Art verschönert. Der menschenfreund- liche Kaiser steht hier und im Prater oft mitten unter seinem Volke, ohne Gefolge,
blos
von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt.
2.
So lange indeſſen die Volksgaͤrten noch nicht ganz die Wuͤrde haben, deren ſie faͤhig ſind, ſo lange muͤſſen ſie ſich mit der Einrichtung begnuͤgen, die ihnen bisher zugetheilet ward. Inzwiſchen giebt es Anlagen dieſer Gattung, die ſich durch Be- quemlichkeit, Anmuth, und reiche Schoͤnheiten der Natur auszeichnen. Die oͤffent- lichen Spaziergaͤnge zu London und Paris ſind beruͤhmt genug, obgleich keine Muſter. Auch Deutſchland hat bey ſeinen anſehnlichſten Staͤdten Gaͤrten dieſer Art, die eine Empfehlung verdienen.
Der Prater bey Wien liegt eine Viertelſtunde vom Stadtthor auf einer groſ- ſen Inſel der Donau und erſtreckt ſich auf eine halbe Meile. Er iſt mit dicken Wal- dungen bewachſen, die mit gruͤnenden Auen und Wieſen untermengt ſind. Eine vier- fach gepflanzte Reihe Kaſtanienbaͤume vermehrt die ungekuͤnſtelte Anmuth dieſer In- ſel. Sie ſtand vormals nur den Kutſchen des Adels offen; allein Joſephs edle Menſchenliebe eroͤffnete hier allen Menſchen, Gehenden, Reitenden und Fahrenden, den Eingang. Sogleich wurden die Auen mit Zelten, Huͤtten, Sommerhaͤuſern zu Erfriſchungen, Ringelrennen, Kegelſchieben und andern Ergoͤtzungen beſaͤet. Dieſe Huͤtten und Sommerhaͤuſer im Walde verſchoͤnerten ſich bey dem Zulauf der Men- ſchen von Jahr zu Jahr. Auch fehlt es nicht an Muſik.
Ein anderer Volksgarten bey Wien iſt der Augarten auf der Donaninſel, welche die Leopoldsſtadt einnimmt. Er war ehemals der Garten des kaiſerlichen Som- merpalaſtes, die alte Favorite genannt, der 1683 von den Tuͤrken verwuͤſtet ward. Von der Zeit an diente der Garten zu einem oͤffentlichen Spaziergange, ward aber ganz vernachlaͤßigt. Endlich uͤbernahm der Kaiſer Joſeph ſelbſt die Verſchoͤne- rung des Platzes. Er ließ ihn erweitern, mit neuen Alleen von verſchiedenen Arten von Baͤumen und nach verſchiedenen Richtungen bepflanzen, Terraſſen zum Genuß der reizenden Ausſichten der umliegenden Gegenden anlegen, Gebaͤude auffuͤhren, be- ſonders ein ſchoͤnes Landhaus, das viele Zimmer enthaͤlt, und nicht nur zum Spiel und Tanz, ſondern auch zum Speiſen Mittags und Abends eingerichtet iſt. Dieſer Beluſtigungsort, der halb eine angenehme Wildniß der Natur und halb gartenmaͤßig eingerichtet iſt, und hinten von der praͤchtigen Donau beſpuͤlt wird, ward ebenfalls, ſobald er verbeſſert war, vom Kaiſer 1775 fuͤr alle Menſchen ohne Unterſchied des Standes eroͤffnet. Die Inſchrift bey dem Eingang: Beluſtigungsort fuͤr alle Men- ſchen, gewidmet von ihrem Freund, kuͤndigt es an, und iſt zugleich ein Denkmal der Gute des Stifters. Seitdem iſt der Augarten, wo den ganzen Tag eine Menge von Spazierenden wimmelt, auf mancherley Art verſchoͤnert. Der menſchenfreund- liche Kaiſer ſteht hier und im Prater oft mitten unter ſeinem Volke, ohne Gefolge,
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[71/0079]
von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt.
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So lange indeſſen die Volksgaͤrten noch nicht ganz die Wuͤrde haben, deren ſie
faͤhig ſind, ſo lange muͤſſen ſie ſich mit der Einrichtung begnuͤgen, die ihnen bisher
zugetheilet ward. Inzwiſchen giebt es Anlagen dieſer Gattung, die ſich durch Be-
quemlichkeit, Anmuth, und reiche Schoͤnheiten der Natur auszeichnen. Die oͤffent-
lichen Spaziergaͤnge zu London und Paris ſind beruͤhmt genug, obgleich keine
Muſter. Auch Deutſchland hat bey ſeinen anſehnlichſten Staͤdten Gaͤrten dieſer
Art, die eine Empfehlung verdienen.
Der Prater bey Wien liegt eine Viertelſtunde vom Stadtthor auf einer groſ-
ſen Inſel der Donau und erſtreckt ſich auf eine halbe Meile. Er iſt mit dicken Wal-
dungen bewachſen, die mit gruͤnenden Auen und Wieſen untermengt ſind. Eine vier-
fach gepflanzte Reihe Kaſtanienbaͤume vermehrt die ungekuͤnſtelte Anmuth dieſer In-
ſel. Sie ſtand vormals nur den Kutſchen des Adels offen; allein Joſephs edle
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den Eingang. Sogleich wurden die Auen mit Zelten, Huͤtten, Sommerhaͤuſern zu
Erfriſchungen, Ringelrennen, Kegelſchieben und andern Ergoͤtzungen beſaͤet. Dieſe
Huͤtten und Sommerhaͤuſer im Walde verſchoͤnerten ſich bey dem Zulauf der Men-
ſchen von Jahr zu Jahr. Auch fehlt es nicht an Muſik.
Ein anderer Volksgarten bey Wien iſt der Augarten auf der Donaninſel,
welche die Leopoldsſtadt einnimmt. Er war ehemals der Garten des kaiſerlichen Som-
merpalaſtes, die alte Favorite genannt, der 1683 von den Tuͤrken verwuͤſtet
ward. Von der Zeit an diente der Garten zu einem oͤffentlichen Spaziergange, ward
aber ganz vernachlaͤßigt. Endlich uͤbernahm der Kaiſer Joſeph ſelbſt die Verſchoͤne-
rung des Platzes. Er ließ ihn erweitern, mit neuen Alleen von verſchiedenen Arten
von Baͤumen und nach verſchiedenen Richtungen bepflanzen, Terraſſen zum Genuß
der reizenden Ausſichten der umliegenden Gegenden anlegen, Gebaͤude auffuͤhren, be-
ſonders ein ſchoͤnes Landhaus, das viele Zimmer enthaͤlt, und nicht nur zum Spiel
und Tanz, ſondern auch zum Speiſen Mittags und Abends eingerichtet iſt. Dieſer
Beluſtigungsort, der halb eine angenehme Wildniß der Natur und halb gartenmaͤßig
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ſobald er verbeſſert war, vom Kaiſer 1775 fuͤr alle Menſchen ohne Unterſchied des
Standes eroͤffnet. Die Inſchrift bey dem Eingang: Beluſtigungsort fuͤr alle Men-
ſchen, gewidmet von ihrem Freund, kuͤndigt es an, und iſt zugleich ein Denkmal der
Gute des Stifters. Seitdem iſt der Augarten, wo den ganzen Tag eine Menge
von Spazierenden wimmelt, auf mancherley Art verſchoͤnert. Der menſchenfreund-
liche Kaiſer ſteht hier und im Prater oft mitten unter ſeinem Volke, ohne Gefolge,
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/79>, abgerufen am 16.02.2025.
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