"Fühle in deinem Herzen die süßen Erregungen der Natur, nimm an, was sie dir gütig zutheilt, und denk an nichts weiter!"
Wir gehen über die Wiese zurück, indem wir den schmalen Bach zur Rechten lassen, und blicken vorwärts durch verschiedene malerische Klumpen und in waldigten Vertiefungen, die sich an den Seiten zeigen. Wir gelangen wieder zu der letzten Brücke, am Wasserfall vorbey, sehen ihn zur Rechten im Dickigt, und wenden uns herum zu einem Stuhl, der an der Spitze einer schmalen Pflanzung steht, ge- gen welche eine ähnliche sich zur Beschattung des durchlaufenden Weges drängt. Eine schöne Aussicht steigt zwischen den Pflanzungen seitwärts die Höhe hinauf, und in der Niedrigung verlängert sich der Prospect zwischen den Gruppen in die Ferne hin zu Kornfeldern, vom entlegenen Gehölz begränzt.
Der Fortgang bringt zu einer dreysitzigen Bank, wovon jede Seite einen unterhaltenden Gesichtspunkt giebt. Der erste Sitz stellt das vorige Gemälde mit einigen Zügen etwas verändert wieder dar; der mittlere giebt dem Auge Ruhe auf der nahen vorliegenden schmalen Pflanzung, die sich gleich einem Schirm vorzieht; der letzte, dem ersten entgegen, läßt es wieder über Rasen und Weide und auf drey in diesem Prospect neben einander emporsteigende Eichen ausschweifen.
Von hier schreiten wir vorwärts dem erwähnten heitern Auftritt zu, mit einer Wendung des Weges zur Linken nach einer Bank. Ein schönes Revier! Vor dem Auge verbreitet sich der große Rasen mit der Weide in einem weiten Umfang, und fließt in dem heitersten Grün dahin. Gerade vor sich hat man die Obstbaum- gruppen, die auf einer kleinen Erhöhung des Rasens fortlaufen; eine besondere Gruppe dieser Fruchtbäume mit abstechendem Laube schattirt den Rand eines Klumps von Waldbäumen. An dem Vorsprung einer schattirenden Fruchtbaumgruppe bricht in einigem Abstande ein Theil der Knöppelbrücke hervor; weiter hin in der Entfernung ein hoher bedeckter Sitz, halb hinter Bäumen versteckt; zur Linken eine Ecke des Klostergebäudes, die zwischen den Umhüllungen der Bäume hervor- schimmert.
Von diesem Sitz läuft links ein schmaler Pfad zwischen den schönen Gruppen hin, die gleich bey der Eiche mit den Bildern der Jahreszeiten, als eine so treffliche Malerey, ins Auge fielen. Ein anderer Weg hebt sich oben zur Rechten des letzten Sitzes, eine kleine Anhöhe hinauf zu einem andern Sitz, der vor einer Pflanzung ruht. Wir verfolgen den Weg, der gerade aus zu den Obstgruppen führt, wan- deln zwischen ihnen durch, erblicken zur Rechten einen ländlich einfachen Steg, und fehen die Einbuchten und Vorsprünge der Pflanzungen hier näher, als in den vori- gen Ansichten. Wir kommen zu einer Brücke, über welche der Weg läuft, wobey
ein
Beſchreibungen von Gaͤrten.
„Fuͤhle in deinem Herzen die ſuͤßen Erregungen der Natur, nimm an, was ſie dir guͤtig zutheilt, und denk an nichts weiter!“
Wir gehen uͤber die Wieſe zuruͤck, indem wir den ſchmalen Bach zur Rechten laſſen, und blicken vorwaͤrts durch verſchiedene maleriſche Klumpen und in waldigten Vertiefungen, die ſich an den Seiten zeigen. Wir gelangen wieder zu der letzten Bruͤcke, am Waſſerfall vorbey, ſehen ihn zur Rechten im Dickigt, und wenden uns herum zu einem Stuhl, der an der Spitze einer ſchmalen Pflanzung ſteht, ge- gen welche eine aͤhnliche ſich zur Beſchattung des durchlaufenden Weges draͤngt. Eine ſchoͤne Ausſicht ſteigt zwiſchen den Pflanzungen ſeitwaͤrts die Hoͤhe hinauf, und in der Niedrigung verlaͤngert ſich der Proſpect zwiſchen den Gruppen in die Ferne hin zu Kornfeldern, vom entlegenen Gehoͤlz begraͤnzt.
Der Fortgang bringt zu einer dreyſitzigen Bank, wovon jede Seite einen unterhaltenden Geſichtspunkt giebt. Der erſte Sitz ſtellt das vorige Gemaͤlde mit einigen Zuͤgen etwas veraͤndert wieder dar; der mittlere giebt dem Auge Ruhe auf der nahen vorliegenden ſchmalen Pflanzung, die ſich gleich einem Schirm vorzieht; der letzte, dem erſten entgegen, laͤßt es wieder uͤber Raſen und Weide und auf drey in dieſem Proſpect neben einander emporſteigende Eichen ausſchweifen.
Von hier ſchreiten wir vorwaͤrts dem erwaͤhnten heitern Auftritt zu, mit einer Wendung des Weges zur Linken nach einer Bank. Ein ſchoͤnes Revier! Vor dem Auge verbreitet ſich der große Raſen mit der Weide in einem weiten Umfang, und fließt in dem heiterſten Gruͤn dahin. Gerade vor ſich hat man die Obſtbaum- gruppen, die auf einer kleinen Erhoͤhung des Raſens fortlaufen; eine beſondere Gruppe dieſer Fruchtbaͤume mit abſtechendem Laube ſchattirt den Rand eines Klumps von Waldbaͤumen. An dem Vorſprung einer ſchattirenden Fruchtbaumgruppe bricht in einigem Abſtande ein Theil der Knoͤppelbruͤcke hervor; weiter hin in der Entfernung ein hoher bedeckter Sitz, halb hinter Baͤumen verſteckt; zur Linken eine Ecke des Kloſtergebaͤudes, die zwiſchen den Umhuͤllungen der Baͤume hervor- ſchimmert.
Von dieſem Sitz laͤuft links ein ſchmaler Pfad zwiſchen den ſchoͤnen Gruppen hin, die gleich bey der Eiche mit den Bildern der Jahreszeiten, als eine ſo treffliche Malerey, ins Auge fielen. Ein anderer Weg hebt ſich oben zur Rechten des letzten Sitzes, eine kleine Anhoͤhe hinauf zu einem andern Sitz, der vor einer Pflanzung ruht. Wir verfolgen den Weg, der gerade aus zu den Obſtgruppen fuͤhrt, wan- deln zwiſchen ihnen durch, erblicken zur Rechten einen laͤndlich einfachen Steg, und fehen die Einbuchten und Vorſpruͤnge der Pflanzungen hier naͤher, als in den vori- gen Anſichten. Wir kommen zu einer Bruͤcke, uͤber welche der Weg laͤuft, wobey
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Beſchreibungen von Gaͤrten.
„Fuͤhle in deinem Herzen die ſuͤßen Erregungen der Natur, nimm an,
was ſie dir guͤtig zutheilt, und denk an nichts weiter!“
Wir gehen uͤber die Wieſe zuruͤck, indem wir den ſchmalen Bach zur Rechten
laſſen, und blicken vorwaͤrts durch verſchiedene maleriſche Klumpen und in waldigten
Vertiefungen, die ſich an den Seiten zeigen. Wir gelangen wieder zu der letzten
Bruͤcke, am Waſſerfall vorbey, ſehen ihn zur Rechten im Dickigt, und wenden
uns herum zu einem Stuhl, der an der Spitze einer ſchmalen Pflanzung ſteht, ge-
gen welche eine aͤhnliche ſich zur Beſchattung des durchlaufenden Weges draͤngt.
Eine ſchoͤne Ausſicht ſteigt zwiſchen den Pflanzungen ſeitwaͤrts die Hoͤhe hinauf, und
in der Niedrigung verlaͤngert ſich der Proſpect zwiſchen den Gruppen in die Ferne
hin zu Kornfeldern, vom entlegenen Gehoͤlz begraͤnzt.
Der Fortgang bringt zu einer dreyſitzigen Bank, wovon jede Seite einen
unterhaltenden Geſichtspunkt giebt. Der erſte Sitz ſtellt das vorige Gemaͤlde mit
einigen Zuͤgen etwas veraͤndert wieder dar; der mittlere giebt dem Auge Ruhe auf
der nahen vorliegenden ſchmalen Pflanzung, die ſich gleich einem Schirm vorzieht;
der letzte, dem erſten entgegen, laͤßt es wieder uͤber Raſen und Weide und auf
drey in dieſem Proſpect neben einander emporſteigende Eichen ausſchweifen.
Von hier ſchreiten wir vorwaͤrts dem erwaͤhnten heitern Auftritt zu, mit einer
Wendung des Weges zur Linken nach einer Bank. Ein ſchoͤnes Revier! Vor
dem Auge verbreitet ſich der große Raſen mit der Weide in einem weiten Umfang,
und fließt in dem heiterſten Gruͤn dahin. Gerade vor ſich hat man die Obſtbaum-
gruppen, die auf einer kleinen Erhoͤhung des Raſens fortlaufen; eine beſondere
Gruppe dieſer Fruchtbaͤume mit abſtechendem Laube ſchattirt den Rand eines Klumps
von Waldbaͤumen. An dem Vorſprung einer ſchattirenden Fruchtbaumgruppe
bricht in einigem Abſtande ein Theil der Knoͤppelbruͤcke hervor; weiter hin in der
Entfernung ein hoher bedeckter Sitz, halb hinter Baͤumen verſteckt; zur Linken eine
Ecke des Kloſtergebaͤudes, die zwiſchen den Umhuͤllungen der Baͤume hervor-
ſchimmert.
Von dieſem Sitz laͤuft links ein ſchmaler Pfad zwiſchen den ſchoͤnen Gruppen
hin, die gleich bey der Eiche mit den Bildern der Jahreszeiten, als eine ſo treffliche
Malerey, ins Auge fielen. Ein anderer Weg hebt ſich oben zur Rechten des letzten
Sitzes, eine kleine Anhoͤhe hinauf zu einem andern Sitz, der vor einer Pflanzung
ruht. Wir verfolgen den Weg, der gerade aus zu den Obſtgruppen fuͤhrt, wan-
deln zwiſchen ihnen durch, erblicken zur Rechten einen laͤndlich einfachen Steg, und
fehen die Einbuchten und Vorſpruͤnge der Pflanzungen hier naͤher, als in den vori-
gen Anſichten. Wir kommen zu einer Bruͤcke, uͤber welche der Weg laͤuft, wobey
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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/231>, abgerufen am 19.07.2024.
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