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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Vom Wasser.
ist in einem Garten von einem sehr weiten Umfange, in einem ansehnlichen Park, ein
See ein Theil, der fast unentbehrlich scheint. Er belebt alle Scenen umher, reizt
in der Ferne und unterhält in der Nähe; sein klares und ruhiges Wasser stralt die wech-
selnden Farben des Himmels und die Verzierungen seiner Ufer verschönernd zurück;
in seinem Umfange, in der Bildung seiner Einbuchten, in der Form und Beklei-
dung seiner Ufer, in den Ungleichheiten ihrer Höhe und Tiefe, in seiner Ver-
bindung mit Hügeln, mit Gehölz, mit Dörfern, ist er einer reichen Abwech-
selung fähig; endlich giebt er Empfindungen der Ruhe und der sanften ländli-
chen Ergötzung. Ein See ist daher ein wichtiger Theil in einem Revier, wo
diese Empfindungen gesucht werden. Er ist kein Zubehör der melancholischen,
noch der feyerlichen Gegend; er kann zwar in einer romantischen durch den Con-
trast wirken; aber er bleibt doch immer das schönste Eigenthum einer muntern
und heitern Gegend.

Der Charakter des Sees ist Ruhe, die er mit jedem stehenden Wasser gemein
hat. Ihm fehlt eigene Bewegung. Allein der erste Hauch des Windes kräuselt sei-
ne Oberfläche, und seine Wellen fangen an zu spielen. Durch diese Bewegung
wird die Scene frischer, lebendiger und anziehender. Wer verweilt nicht mit Ver-
gnügen bey dem leichten Geplätscher, bey dem Spiel der Wellen und der Lichtfun-
ken, die auf der Fluth umherflimmern und verlöschen? Allein diese Bewegung
wird selten so stark werden, daß sie, wie das Meer, Empfindungen von einer hö-
hern Art zu erwecken fähig würde; sie wird bey dem engern Bezirk des Sees,
bey der mehr beschützten Lage, bey der gewöhnlichen Umfassung von Hügeln oder
Gehölz, sich in einer gewissen Mäßigkeit erhalten, wodurch die Wirkung dieser
Scene, Ruhe und sanfte Belustigung, unverändert bleibt.

Ein See von einem sehr weiten Umfange wird vortheilhafter in die Augen
fallen, wenn er entweder mit Inseln unterbrochen ist, oder sich hinter Waldun-
gen und Hügeln verliert. Der See läßt Einbuchten zu, die zur Vermehrung
der Abwechselung dienen; und seine Ufer können bald durch Erhöhung, bald durch
Niedrigung, bald durch anliegendes Gebüsch, bald durch überhängende hohe Bäu-
me eine unterhaltende Verzierung gewinnen. Hier zieht sich ein kleines Vorgebür-
ge oder eine Reihe von Hügeln, an deren Abhange zerstreute Schafe klettern, tief
in den See hinein; dort scheint ein Hain mitten im Wasser zu schwimmen; an dieser
Seite schlängelt sich ein schmaler grüner Rasen, von Baum und Gebüsch entblößt,

ins

Vom Waſſer.
iſt in einem Garten von einem ſehr weiten Umfange, in einem anſehnlichen Park, ein
See ein Theil, der faſt unentbehrlich ſcheint. Er belebt alle Scenen umher, reizt
in der Ferne und unterhaͤlt in der Naͤhe; ſein klares und ruhiges Waſſer ſtralt die wech-
ſelnden Farben des Himmels und die Verzierungen ſeiner Ufer verſchoͤnernd zuruͤck;
in ſeinem Umfange, in der Bildung ſeiner Einbuchten, in der Form und Beklei-
dung ſeiner Ufer, in den Ungleichheiten ihrer Hoͤhe und Tiefe, in ſeiner Ver-
bindung mit Huͤgeln, mit Gehoͤlz, mit Doͤrfern, iſt er einer reichen Abwech-
ſelung faͤhig; endlich giebt er Empfindungen der Ruhe und der ſanften laͤndli-
chen Ergoͤtzung. Ein See iſt daher ein wichtiger Theil in einem Revier, wo
dieſe Empfindungen geſucht werden. Er iſt kein Zubehoͤr der melancholiſchen,
noch der feyerlichen Gegend; er kann zwar in einer romantiſchen durch den Con-
traſt wirken; aber er bleibt doch immer das ſchoͤnſte Eigenthum einer muntern
und heitern Gegend.

Der Charakter des Sees iſt Ruhe, die er mit jedem ſtehenden Waſſer gemein
hat. Ihm fehlt eigene Bewegung. Allein der erſte Hauch des Windes kraͤuſelt ſei-
ne Oberflaͤche, und ſeine Wellen fangen an zu ſpielen. Durch dieſe Bewegung
wird die Scene friſcher, lebendiger und anziehender. Wer verweilt nicht mit Ver-
gnuͤgen bey dem leichten Geplaͤtſcher, bey dem Spiel der Wellen und der Lichtfun-
ken, die auf der Fluth umherflimmern und verloͤſchen? Allein dieſe Bewegung
wird ſelten ſo ſtark werden, daß ſie, wie das Meer, Empfindungen von einer hoͤ-
hern Art zu erwecken faͤhig wuͤrde; ſie wird bey dem engern Bezirk des Sees,
bey der mehr beſchuͤtzten Lage, bey der gewoͤhnlichen Umfaſſung von Huͤgeln oder
Gehoͤlz, ſich in einer gewiſſen Maͤßigkeit erhalten, wodurch die Wirkung dieſer
Scene, Ruhe und ſanfte Beluſtigung, unveraͤndert bleibt.

Ein See von einem ſehr weiten Umfange wird vortheilhafter in die Augen
fallen, wenn er entweder mit Inſeln unterbrochen iſt, oder ſich hinter Waldun-
gen und Huͤgeln verliert. Der See laͤßt Einbuchten zu, die zur Vermehrung
der Abwechſelung dienen; und ſeine Ufer koͤnnen bald durch Erhoͤhung, bald durch
Niedrigung, bald durch anliegendes Gebuͤſch, bald durch uͤberhaͤngende hohe Baͤu-
me eine unterhaltende Verzierung gewinnen. Hier zieht ſich ein kleines Vorgebuͤr-
ge oder eine Reihe von Huͤgeln, an deren Abhange zerſtreute Schafe klettern, tief
in den See hinein; dort ſcheint ein Hain mitten im Waſſer zu ſchwimmen; an dieſer
Seite ſchlaͤngelt ſich ein ſchmaler gruͤner Raſen, von Baum und Gebuͤſch entbloͤßt,

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[87/0091] Vom Waſſer. iſt in einem Garten von einem ſehr weiten Umfange, in einem anſehnlichen Park, ein See ein Theil, der faſt unentbehrlich ſcheint. Er belebt alle Scenen umher, reizt in der Ferne und unterhaͤlt in der Naͤhe; ſein klares und ruhiges Waſſer ſtralt die wech- ſelnden Farben des Himmels und die Verzierungen ſeiner Ufer verſchoͤnernd zuruͤck; in ſeinem Umfange, in der Bildung ſeiner Einbuchten, in der Form und Beklei- dung ſeiner Ufer, in den Ungleichheiten ihrer Hoͤhe und Tiefe, in ſeiner Ver- bindung mit Huͤgeln, mit Gehoͤlz, mit Doͤrfern, iſt er einer reichen Abwech- ſelung faͤhig; endlich giebt er Empfindungen der Ruhe und der ſanften laͤndli- chen Ergoͤtzung. Ein See iſt daher ein wichtiger Theil in einem Revier, wo dieſe Empfindungen geſucht werden. Er iſt kein Zubehoͤr der melancholiſchen, noch der feyerlichen Gegend; er kann zwar in einer romantiſchen durch den Con- traſt wirken; aber er bleibt doch immer das ſchoͤnſte Eigenthum einer muntern und heitern Gegend. Der Charakter des Sees iſt Ruhe, die er mit jedem ſtehenden Waſſer gemein hat. Ihm fehlt eigene Bewegung. Allein der erſte Hauch des Windes kraͤuſelt ſei- ne Oberflaͤche, und ſeine Wellen fangen an zu ſpielen. Durch dieſe Bewegung wird die Scene friſcher, lebendiger und anziehender. Wer verweilt nicht mit Ver- gnuͤgen bey dem leichten Geplaͤtſcher, bey dem Spiel der Wellen und der Lichtfun- ken, die auf der Fluth umherflimmern und verloͤſchen? Allein dieſe Bewegung wird ſelten ſo ſtark werden, daß ſie, wie das Meer, Empfindungen von einer hoͤ- hern Art zu erwecken faͤhig wuͤrde; ſie wird bey dem engern Bezirk des Sees, bey der mehr beſchuͤtzten Lage, bey der gewoͤhnlichen Umfaſſung von Huͤgeln oder Gehoͤlz, ſich in einer gewiſſen Maͤßigkeit erhalten, wodurch die Wirkung dieſer Scene, Ruhe und ſanfte Beluſtigung, unveraͤndert bleibt. Ein See von einem ſehr weiten Umfange wird vortheilhafter in die Augen fallen, wenn er entweder mit Inſeln unterbrochen iſt, oder ſich hinter Waldun- gen und Huͤgeln verliert. Der See laͤßt Einbuchten zu, die zur Vermehrung der Abwechſelung dienen; und ſeine Ufer koͤnnen bald durch Erhoͤhung, bald durch Niedrigung, bald durch anliegendes Gebuͤſch, bald durch uͤberhaͤngende hohe Baͤu- me eine unterhaltende Verzierung gewinnen. Hier zieht ſich ein kleines Vorgebuͤr- ge oder eine Reihe von Huͤgeln, an deren Abhange zerſtreute Schafe klettern, tief in den See hinein; dort ſcheint ein Hain mitten im Waſſer zu ſchwimmen; an dieſer Seite ſchlaͤngelt ſich ein ſchmaler gruͤner Raſen, von Baum und Gebuͤſch entbloͤßt, ins

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/91>, abgerufen am 21.11.2024.