Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

Vom Baumwerk.
könnte indessen leichter und anständiger seyn, als daß ein Gutsbesitzer, wenigstens
für seine Familie, in einem Theil seines Parks, oder in irgend einem Walde, einen
Begräbnißplatz anlegte, und ihn zur Unterhaltung sittlicher Gefühle einrichtete?

Mit inniger Rührung erblicke ich hier Rousseau's Grab, das Grab des
[Abbildung] Mannes, der so viel für die Menschheit empfand, und so viel von ihr litt. Sein
Geist ist über diese Scene erhaben, und wandert in bessern Gefilden; nur das, was
er der Erde lassen konnte, ruhet hier im Angesichte der Natur, die er so wahr beschrieb,
als er sie fühlte. Ihm, dem Frankreich das erste Licht verdankt, das über seine
Gärten aufgieng, *) ihm war nicht blos ein Denkmal, sondern selbst seine Ruhestelle
in einem Park vorbehalten, den sein Freund, der Marquis von Girardin, mit eben
dem Geschmack, womit er von der Kunst schrieb, **) zu Ermenonville, zehn Stun-
den von Paris, angelegt hat. Hier hatte er unter dem Schutz der edelmüthigsten
Gastfreundschaft, vor den Verfolgungen der Priester und der Freygeister verborgen,
die Ruhe des Weisen, der selbst sich alles ist, wieder gefunden; und hier verlebte er

seine
*) [Spaltenumbruch] S. 1 B. S. 129-132. Er starb
den 2 Jul. 1778.
**) S. 1 B. S. 134. Eine kritische Be-
[Spaltenumbruch] schreibung von Ermenonville findet man in
Theorie des Jardins, 8. Paris, 1776.
S. 236 u. s. w.
H 2

Vom Baumwerk.
koͤnnte indeſſen leichter und anſtaͤndiger ſeyn, als daß ein Gutsbeſitzer, wenigſtens
fuͤr ſeine Familie, in einem Theil ſeines Parks, oder in irgend einem Walde, einen
Begraͤbnißplatz anlegte, und ihn zur Unterhaltung ſittlicher Gefuͤhle einrichtete?

Mit inniger Ruͤhrung erblicke ich hier Rouſſeau’s Grab, das Grab des
[Abbildung] Mannes, der ſo viel fuͤr die Menſchheit empfand, und ſo viel von ihr litt. Sein
Geiſt iſt uͤber dieſe Scene erhaben, und wandert in beſſern Gefilden; nur das, was
er der Erde laſſen konnte, ruhet hier im Angeſichte der Natur, die er ſo wahr beſchrieb,
als er ſie fuͤhlte. Ihm, dem Frankreich das erſte Licht verdankt, das uͤber ſeine
Gaͤrten aufgieng, *) ihm war nicht blos ein Denkmal, ſondern ſelbſt ſeine Ruheſtelle
in einem Park vorbehalten, den ſein Freund, der Marquis von Girardin, mit eben
dem Geſchmack, womit er von der Kunſt ſchrieb, **) zu Ermenonville, zehn Stun-
den von Paris, angelegt hat. Hier hatte er unter dem Schutz der edelmuͤthigſten
Gaſtfreundſchaft, vor den Verfolgungen der Prieſter und der Freygeiſter verborgen,
die Ruhe des Weiſen, der ſelbſt ſich alles iſt, wieder gefunden; und hier verlebte er

ſeine
*) [Spaltenumbruch] S. 1 B. S. 129-132. Er ſtarb
den 2 Jul. 1778.
**) S. 1 B. S. 134. Eine kritiſche Be-
[Spaltenumbruch] ſchreibung von Ermenonville findet man in
Théorie des Jardins, 8. Paris, 1776.
S. 236 u. ſ. w.
H 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <div n="5">
              <p><pb facs="#f0063" n="59"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vom Baumwerk.</hi></fw><lb/>
ko&#x0364;nnte inde&#x017F;&#x017F;en leichter und an&#x017F;ta&#x0364;ndiger &#x017F;eyn, als daß ein Gutsbe&#x017F;itzer, wenig&#x017F;tens<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;eine Familie, in einem Theil &#x017F;eines Parks, oder in irgend einem Walde, einen<lb/>
Begra&#x0364;bnißplatz anlegte, und ihn zur Unterhaltung &#x017F;ittlicher Gefu&#x0364;hle einrichtete?</p><lb/>
              <p>Mit inniger Ru&#x0364;hrung erblicke ich hier <hi rendition="#fr">Rou&#x017F;&#x017F;eau&#x2019;s</hi> Grab, das Grab des<lb/><figure/> Mannes, der &#x017F;o viel fu&#x0364;r die Men&#x017F;chheit empfand, und &#x017F;o viel von ihr litt. Sein<lb/>
Gei&#x017F;t i&#x017F;t u&#x0364;ber die&#x017F;e Scene erhaben, und wandert in be&#x017F;&#x017F;ern Gefilden; nur das, was<lb/>
er der Erde la&#x017F;&#x017F;en konnte, ruhet hier im Ange&#x017F;ichte der Natur, die er &#x017F;o wahr be&#x017F;chrieb,<lb/>
als er &#x017F;ie fu&#x0364;hlte. Ihm, dem <hi rendition="#fr">Frankreich</hi> das er&#x017F;te Licht verdankt, das u&#x0364;ber &#x017F;eine<lb/>
Ga&#x0364;rten aufgieng, <note place="foot" n="*)"><cb/>
S. 1 B. S. 129-132. Er &#x017F;tarb<lb/>
den 2 Jul. 1778.</note> ihm war nicht blos ein Denkmal, &#x017F;ondern &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;eine Ruhe&#x017F;telle<lb/>
in einem Park vorbehalten, den &#x017F;ein Freund, der Marquis von <hi rendition="#fr">Girardin</hi>, mit eben<lb/>
dem Ge&#x017F;chmack, womit er von der Kun&#x017F;t &#x017F;chrieb, <note place="foot" n="**)">S. 1 B. S. 134. Eine kriti&#x017F;che Be-<lb/><cb/>
&#x017F;chreibung von Ermenonville findet man in<lb/><hi rendition="#aq">Théorie des Jardins, 8. Paris,</hi> 1776.<lb/>
S. 236 u. &#x017F;. w.</note> zu <hi rendition="#fr">Ermenonville</hi>, zehn Stun-<lb/>
den von <hi rendition="#fr">Paris</hi>, angelegt hat. Hier hatte er unter dem Schutz der edelmu&#x0364;thig&#x017F;ten<lb/>
Ga&#x017F;tfreund&#x017F;chaft, vor den Verfolgungen der Prie&#x017F;ter und der Freygei&#x017F;ter verborgen,<lb/>
die Ruhe des Wei&#x017F;en, der &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich alles i&#x017F;t, wieder gefunden; und hier verlebte er<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 2</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;eine</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0063] Vom Baumwerk. koͤnnte indeſſen leichter und anſtaͤndiger ſeyn, als daß ein Gutsbeſitzer, wenigſtens fuͤr ſeine Familie, in einem Theil ſeines Parks, oder in irgend einem Walde, einen Begraͤbnißplatz anlegte, und ihn zur Unterhaltung ſittlicher Gefuͤhle einrichtete? Mit inniger Ruͤhrung erblicke ich hier Rouſſeau’s Grab, das Grab des [Abbildung] Mannes, der ſo viel fuͤr die Menſchheit empfand, und ſo viel von ihr litt. Sein Geiſt iſt uͤber dieſe Scene erhaben, und wandert in beſſern Gefilden; nur das, was er der Erde laſſen konnte, ruhet hier im Angeſichte der Natur, die er ſo wahr beſchrieb, als er ſie fuͤhlte. Ihm, dem Frankreich das erſte Licht verdankt, das uͤber ſeine Gaͤrten aufgieng, *) ihm war nicht blos ein Denkmal, ſondern ſelbſt ſeine Ruheſtelle in einem Park vorbehalten, den ſein Freund, der Marquis von Girardin, mit eben dem Geſchmack, womit er von der Kunſt ſchrieb, **) zu Ermenonville, zehn Stun- den von Paris, angelegt hat. Hier hatte er unter dem Schutz der edelmuͤthigſten Gaſtfreundſchaft, vor den Verfolgungen der Prieſter und der Freygeiſter verborgen, die Ruhe des Weiſen, der ſelbſt ſich alles iſt, wieder gefunden; und hier verlebte er ſeine *) S. 1 B. S. 129-132. Er ſtarb den 2 Jul. 1778. **) S. 1 B. S. 134. Eine kritiſche Be- ſchreibung von Ermenonville findet man in Théorie des Jardins, 8. Paris, 1776. S. 236 u. ſ. w. H 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/63
Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/63>, abgerufen am 05.05.2024.