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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Fünfter Abschnitt.
Ebenen, Hügeln und Gebürgen, mit Städten, Dörfern, Landhäusern, Schlös-
sern, Hütten, Gärten und Weinbergen; alles lebt hier voll Muth in einem freudigen
Wohlstande.

Eine Reise in der Nachbarschaft dieses Sees gewährt eine Folge von den leb-
haftesten Empfindungen, die nur jemals das menschliche Herz beseligt haben. Hier
sind einige der schönsten Gegenden und Prospecte, wie sie noch neulich ein Kenner der
Natur und der Künste gezeichnet hat.*)

Im Herunterfahren nach Lausanne, wenn man von Moudon kommt, hat
man eine Aussicht von unbeschreiblicher Mannichfaltigkeit und Schönheit. Man über-
sieht den großen Genfersee fast ganz, und dabey einen ansehnlichen Theil seines dies-
seitigen reichen und mit vielen Städten und Dörfern besetzten Ufers. Jenseit des Sees
fällt der schönste Theil des Herzogthums Chablais mit verschiedenen Städten, Dör-
fern, abwechselnden Hügeln und Ebenen, hinter ihnen die erstaunlich hohen mit Schnee
bedeckten savoyischen Alpen, und weiter gegen Morgen die wilden Gebürge von Wallis,
nebst den daran stoßenden Berner Alpen, alles auf einmal ins Gesicht. Vielleicht
ist an keinem Orte des Erdbodens eine reichere und mannichfaltigere Aussicht anzutref-
fen. Man sieht ein Stück Landes von etwa vierzig deutschen Quadratmeilen vor sich,
auf dem sich die höchste Fruchtbarkeit und der höchste Grad der Cultur neben den wil-
desten Gegenden der Welt zeigen; beyde um einen sehr großen, doch von der Höhe
ganz zu übersehenden See herum in der reizendsten Abwechselung.

An der Abendseite von Lausanne, außerhalb der Stadt, ist eine von Natur
gemachte sehr hohe Terrasse, die reichlich mit Bäumen besetzt ist, und einen der schön-
sten Spaziergänge der Welt macht; denn da sie noch hoch über den See erhaben ist,
so hat man von derselben die prächtigste Aussicht, die sich erdenken läßt. Der Gen-
fersee
bildet da gerade einen Ellenbogen, und beugt sich von hier aus rechts und links,
oder auf der Morgen- und Abendseite, etwas gegen die mittägliche Gegend her-
ein, so daß man von hier den ganzen See übersehen kann. Wenn das Wetter zur
Aussicht günstig ist, so erblickt man von diesem Platz eine Menge Städte, Schlösser
und Dörfer. An dem gegen Lausanne über liegenden Ufer des Sees sieht man die
Städte Evian und Tonon, das schöne Kloster Ripaille, und dann von da gegen
Genf herunter eine reiche, mit den angenehmsten niedrigen Hügeln und abwechseln-
den fruchtbaren Ebenen besetzte Küste mit unzähligen Dörfern und einzelnen Häusern.
Ostwärts an derselben Küste erheben sich allmählig höhere an den See stoßende Ber-
ge, die sich oben am See an die Walliser und Berner Alpen anschließen. Oben
am See zeigt sich Ville Neuve im Gouvernement Aigle. An dem diesseitigen

Ufer
*) Der sel. Sulzer. S. deutsches Museum, 1778. 10tes St.

Fuͤnfter Abſchnitt.
Ebenen, Huͤgeln und Gebuͤrgen, mit Staͤdten, Doͤrfern, Landhaͤuſern, Schloͤſ-
ſern, Huͤtten, Gaͤrten und Weinbergen; alles lebt hier voll Muth in einem freudigen
Wohlſtande.

Eine Reiſe in der Nachbarſchaft dieſes Sees gewaͤhrt eine Folge von den leb-
hafteſten Empfindungen, die nur jemals das menſchliche Herz beſeligt haben. Hier
ſind einige der ſchoͤnſten Gegenden und Proſpecte, wie ſie noch neulich ein Kenner der
Natur und der Kuͤnſte gezeichnet hat.*)

Im Herunterfahren nach Lauſanne, wenn man von Moudon kommt, hat
man eine Ausſicht von unbeſchreiblicher Mannichfaltigkeit und Schoͤnheit. Man uͤber-
ſieht den großen Genferſee faſt ganz, und dabey einen anſehnlichen Theil ſeines dies-
ſeitigen reichen und mit vielen Staͤdten und Doͤrfern beſetzten Ufers. Jenſeit des Sees
faͤllt der ſchoͤnſte Theil des Herzogthums Chablais mit verſchiedenen Staͤdten, Doͤr-
fern, abwechſelnden Huͤgeln und Ebenen, hinter ihnen die erſtaunlich hohen mit Schnee
bedeckten ſavoyiſchen Alpen, und weiter gegen Morgen die wilden Gebuͤrge von Wallis,
nebſt den daran ſtoßenden Berner Alpen, alles auf einmal ins Geſicht. Vielleicht
iſt an keinem Orte des Erdbodens eine reichere und mannichfaltigere Ausſicht anzutref-
fen. Man ſieht ein Stuͤck Landes von etwa vierzig deutſchen Quadratmeilen vor ſich,
auf dem ſich die hoͤchſte Fruchtbarkeit und der hoͤchſte Grad der Cultur neben den wil-
deſten Gegenden der Welt zeigen; beyde um einen ſehr großen, doch von der Hoͤhe
ganz zu uͤberſehenden See herum in der reizendſten Abwechſelung.

An der Abendſeite von Lauſanne, außerhalb der Stadt, iſt eine von Natur
gemachte ſehr hohe Terraſſe, die reichlich mit Baͤumen beſetzt iſt, und einen der ſchoͤn-
ſten Spaziergaͤnge der Welt macht; denn da ſie noch hoch uͤber den See erhaben iſt,
ſo hat man von derſelben die praͤchtigſte Ausſicht, die ſich erdenken laͤßt. Der Gen-
ferſee
bildet da gerade einen Ellenbogen, und beugt ſich von hier aus rechts und links,
oder auf der Morgen- und Abendſeite, etwas gegen die mittaͤgliche Gegend her-
ein, ſo daß man von hier den ganzen See uͤberſehen kann. Wenn das Wetter zur
Ausſicht guͤnſtig iſt, ſo erblickt man von dieſem Platz eine Menge Staͤdte, Schloͤſſer
und Doͤrfer. An dem gegen Lauſanne uͤber liegenden Ufer des Sees ſieht man die
Staͤdte Evian und Tonon, das ſchoͤne Kloſter Ripaille, und dann von da gegen
Genf herunter eine reiche, mit den angenehmſten niedrigen Huͤgeln und abwechſeln-
den fruchtbaren Ebenen beſetzte Kuͤſte mit unzaͤhligen Doͤrfern und einzelnen Haͤuſern.
Oſtwaͤrts an derſelben Kuͤſte erheben ſich allmaͤhlig hoͤhere an den See ſtoßende Ber-
ge, die ſich oben am See an die Walliſer und Berner Alpen anſchließen. Oben
am See zeigt ſich Ville Neuve im Gouvernement Aigle. An dem diesſeitigen

Ufer
*) Der ſel. Sulzer. S. deutſches Muſeum, 1778. 10tes St.
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[96/0100] Fuͤnfter Abſchnitt. Ebenen, Huͤgeln und Gebuͤrgen, mit Staͤdten, Doͤrfern, Landhaͤuſern, Schloͤſ- ſern, Huͤtten, Gaͤrten und Weinbergen; alles lebt hier voll Muth in einem freudigen Wohlſtande. Eine Reiſe in der Nachbarſchaft dieſes Sees gewaͤhrt eine Folge von den leb- hafteſten Empfindungen, die nur jemals das menſchliche Herz beſeligt haben. Hier ſind einige der ſchoͤnſten Gegenden und Proſpecte, wie ſie noch neulich ein Kenner der Natur und der Kuͤnſte gezeichnet hat. *) Im Herunterfahren nach Lauſanne, wenn man von Moudon kommt, hat man eine Ausſicht von unbeſchreiblicher Mannichfaltigkeit und Schoͤnheit. Man uͤber- ſieht den großen Genferſee faſt ganz, und dabey einen anſehnlichen Theil ſeines dies- ſeitigen reichen und mit vielen Staͤdten und Doͤrfern beſetzten Ufers. Jenſeit des Sees faͤllt der ſchoͤnſte Theil des Herzogthums Chablais mit verſchiedenen Staͤdten, Doͤr- fern, abwechſelnden Huͤgeln und Ebenen, hinter ihnen die erſtaunlich hohen mit Schnee bedeckten ſavoyiſchen Alpen, und weiter gegen Morgen die wilden Gebuͤrge von Wallis, nebſt den daran ſtoßenden Berner Alpen, alles auf einmal ins Geſicht. Vielleicht iſt an keinem Orte des Erdbodens eine reichere und mannichfaltigere Ausſicht anzutref- fen. Man ſieht ein Stuͤck Landes von etwa vierzig deutſchen Quadratmeilen vor ſich, auf dem ſich die hoͤchſte Fruchtbarkeit und der hoͤchſte Grad der Cultur neben den wil- deſten Gegenden der Welt zeigen; beyde um einen ſehr großen, doch von der Hoͤhe ganz zu uͤberſehenden See herum in der reizendſten Abwechſelung. An der Abendſeite von Lauſanne, außerhalb der Stadt, iſt eine von Natur gemachte ſehr hohe Terraſſe, die reichlich mit Baͤumen beſetzt iſt, und einen der ſchoͤn- ſten Spaziergaͤnge der Welt macht; denn da ſie noch hoch uͤber den See erhaben iſt, ſo hat man von derſelben die praͤchtigſte Ausſicht, die ſich erdenken laͤßt. Der Gen- ferſee bildet da gerade einen Ellenbogen, und beugt ſich von hier aus rechts und links, oder auf der Morgen- und Abendſeite, etwas gegen die mittaͤgliche Gegend her- ein, ſo daß man von hier den ganzen See uͤberſehen kann. Wenn das Wetter zur Ausſicht guͤnſtig iſt, ſo erblickt man von dieſem Platz eine Menge Staͤdte, Schloͤſſer und Doͤrfer. An dem gegen Lauſanne uͤber liegenden Ufer des Sees ſieht man die Staͤdte Evian und Tonon, das ſchoͤne Kloſter Ripaille, und dann von da gegen Genf herunter eine reiche, mit den angenehmſten niedrigen Huͤgeln und abwechſeln- den fruchtbaren Ebenen beſetzte Kuͤſte mit unzaͤhligen Doͤrfern und einzelnen Haͤuſern. Oſtwaͤrts an derſelben Kuͤſte erheben ſich allmaͤhlig hoͤhere an den See ſtoßende Ber- ge, die ſich oben am See an die Walliſer und Berner Alpen anſchließen. Oben am See zeigt ſich Ville Neuve im Gouvernement Aigle. An dem diesſeitigen Ufer *) Der ſel. Sulzer. S. deutſches Muſeum, 1778. 10tes St.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/100>, abgerufen am 24.11.2024.