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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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und Würde der Gärten.

Die allgemeine Bestimmung der Gärten ist überhaupt in den Kräften der
schönen Scenen der ländlichen Natur gegründet. Der Garten soll vermittelst der
Kräste seiner Gegenstände recht fühlbare Eindrücke auf die Sinne und die Einbildungs-
kraft machen, und dadurch eine Reihe lebhafter angenehmer Empfindungen erregen.

Wenn der Eindruck des Angenehmen als die Hauptempfindung, für welche die
Gartenkunst beschäftigt ist, hier angenommen wird, so ist damit nicht gesagt, daß er
nicht durch verwandte Gattungen eine gewisse Mischung, Milderung oder gar merk-
liche Abänderung vertragen sollte. So wie überhaupt einerley Art der Empfindung
ermüdet, wenn sie, sich immer gleich, fortdauert; so entschlummern wir selbst in dem
Genuß der süßesten Wollust, die uns zu lange bezaubert. Die Abwechselung oder
der allmählige Zufluß anderer Eindrücke von einer ähnlichen oder verwandten Art er-
halten die Empfindung in ihrem wahren Leben und in ihrer Schmackhaftigkeit. Die
Modificationen unserer Empfindung, die von den Einwirkungen der äußerlichen Dinge
abhängen, scheinen selbst der Seele so unentbehrlich, daß ihre Abwesenheit eine zu be-
klagende Einschränkung unserer Natur seyn würde. Es wird also die Erregung an-
genehmer Empfindungen die allgemeine Bestimmung der Gartenkunst seyn; aber diese
kann die Empfindungen hinzufügen, die einsiedlerische, melancholische, finstere, ro-
mantische, feyerliche und andere Gegenden erwecken. Es ist der Beruf der Garten-
kunst, durch eine harmonische Folge verschiedener Bewegungen, durch die Bewegun-
gen des Großen, des Mannigfaltigen, des Neuen, des Schönen, des Wilden, des
Melancholischen u. s. w. zu ergötzen.

Die Gegenstände der Gärten sind zunächst keine andere, als Gegenstände der
schönen ländlichen Natur selbst. Der Gartenkünstler muß daher zuvörderst solche
Gegenstände der schönen Natur sammeln und auswählen, die eine vorzügliche Einwir-
kung auf das Empfindungsvermögen und die Einbildungskraft haben; er muß diesen
Gegenständen eine solche Ausbildung geben, und sie in eine solche Verbindung und
Anordnung bringen, daß dadurch ihr Eindruck verstärkt werde. Dadurch verändert
ein Platz die Natur einer blos sich selbst überlassenen Gegend, und fängt schon an, in
einen Garten überzugehen. Dies ist das erste allgemeine Gesetz der Gartenkunst.

Weil aber der Garten, als ein Werk des Fleißes und des Genies, die Phan-
tasie und die Empfindung stärker bewegen soll, als eine blos natürliche Gegend; so
soll der Künstler den Eindruck der Gegenstände der Natur, die er mit Ueberlegung
und Geschmack gesammelt, ausgebildet und mit einander verbunden hat, dadurch zu
heben suchen, daß er übereinstimmende Gegenstände der Kunst darunter mische und mit
dem Ganzen verknüpfe. Dies ist das zweyte allgemeine Gesetz der Gartenkunst.

Beyde Hauptgesetze entspringen, wie zwey Bäche, aus einer einzigen Quelle,
und laufen neben einander fort. Diese Quelle ist der Grundsatz: Bewege durch den

Garten
U 2
und Wuͤrde der Gaͤrten.

Die allgemeine Beſtimmung der Gaͤrten iſt uͤberhaupt in den Kraͤften der
ſchoͤnen Scenen der laͤndlichen Natur gegruͤndet. Der Garten ſoll vermittelſt der
Kraͤſte ſeiner Gegenſtaͤnde recht fuͤhlbare Eindruͤcke auf die Sinne und die Einbildungs-
kraft machen, und dadurch eine Reihe lebhafter angenehmer Empfindungen erregen.

Wenn der Eindruck des Angenehmen als die Hauptempfindung, fuͤr welche die
Gartenkunſt beſchaͤftigt iſt, hier angenommen wird, ſo iſt damit nicht geſagt, daß er
nicht durch verwandte Gattungen eine gewiſſe Miſchung, Milderung oder gar merk-
liche Abaͤnderung vertragen ſollte. So wie uͤberhaupt einerley Art der Empfindung
ermuͤdet, wenn ſie, ſich immer gleich, fortdauert; ſo entſchlummern wir ſelbſt in dem
Genuß der ſuͤßeſten Wolluſt, die uns zu lange bezaubert. Die Abwechſelung oder
der allmaͤhlige Zufluß anderer Eindruͤcke von einer aͤhnlichen oder verwandten Art er-
halten die Empfindung in ihrem wahren Leben und in ihrer Schmackhaftigkeit. Die
Modificationen unſerer Empfindung, die von den Einwirkungen der aͤußerlichen Dinge
abhaͤngen, ſcheinen ſelbſt der Seele ſo unentbehrlich, daß ihre Abweſenheit eine zu be-
klagende Einſchraͤnkung unſerer Natur ſeyn wuͤrde. Es wird alſo die Erregung an-
genehmer Empfindungen die allgemeine Beſtimmung der Gartenkunſt ſeyn; aber dieſe
kann die Empfindungen hinzufuͤgen, die einſiedleriſche, melancholiſche, finſtere, ro-
mantiſche, feyerliche und andere Gegenden erwecken. Es iſt der Beruf der Garten-
kunſt, durch eine harmoniſche Folge verſchiedener Bewegungen, durch die Bewegun-
gen des Großen, des Mannigfaltigen, des Neuen, des Schoͤnen, des Wilden, des
Melancholiſchen u. ſ. w. zu ergoͤtzen.

Die Gegenſtaͤnde der Gaͤrten ſind zunaͤchſt keine andere, als Gegenſtaͤnde der
ſchoͤnen laͤndlichen Natur ſelbſt. Der Gartenkuͤnſtler muß daher zuvoͤrderſt ſolche
Gegenſtaͤnde der ſchoͤnen Natur ſammeln und auswaͤhlen, die eine vorzuͤgliche Einwir-
kung auf das Empfindungsvermoͤgen und die Einbildungskraft haben; er muß dieſen
Gegenſtaͤnden eine ſolche Ausbildung geben, und ſie in eine ſolche Verbindung und
Anordnung bringen, daß dadurch ihr Eindruck verſtaͤrkt werde. Dadurch veraͤndert
ein Platz die Natur einer blos ſich ſelbſt uͤberlaſſenen Gegend, und faͤngt ſchon an, in
einen Garten uͤberzugehen. Dies iſt das erſte allgemeine Geſetz der Gartenkunſt.

Weil aber der Garten, als ein Werk des Fleißes und des Genies, die Phan-
taſie und die Empfindung ſtaͤrker bewegen ſoll, als eine blos natuͤrliche Gegend; ſo
ſoll der Kuͤnſtler den Eindruck der Gegenſtaͤnde der Natur, die er mit Ueberlegung
und Geſchmack geſammelt, ausgebildet und mit einander verbunden hat, dadurch zu
heben ſuchen, daß er uͤbereinſtimmende Gegenſtaͤnde der Kunſt darunter miſche und mit
dem Ganzen verknuͤpfe. Dies iſt das zweyte allgemeine Geſetz der Gartenkunſt.

Beyde Hauptgeſetze entſpringen, wie zwey Baͤche, aus einer einzigen Quelle,
und laufen neben einander fort. Dieſe Quelle iſt der Grundſatz: Bewege durch den

Garten
U 2
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[155/0169] und Wuͤrde der Gaͤrten. Die allgemeine Beſtimmung der Gaͤrten iſt uͤberhaupt in den Kraͤften der ſchoͤnen Scenen der laͤndlichen Natur gegruͤndet. Der Garten ſoll vermittelſt der Kraͤſte ſeiner Gegenſtaͤnde recht fuͤhlbare Eindruͤcke auf die Sinne und die Einbildungs- kraft machen, und dadurch eine Reihe lebhafter angenehmer Empfindungen erregen. Wenn der Eindruck des Angenehmen als die Hauptempfindung, fuͤr welche die Gartenkunſt beſchaͤftigt iſt, hier angenommen wird, ſo iſt damit nicht geſagt, daß er nicht durch verwandte Gattungen eine gewiſſe Miſchung, Milderung oder gar merk- liche Abaͤnderung vertragen ſollte. So wie uͤberhaupt einerley Art der Empfindung ermuͤdet, wenn ſie, ſich immer gleich, fortdauert; ſo entſchlummern wir ſelbſt in dem Genuß der ſuͤßeſten Wolluſt, die uns zu lange bezaubert. Die Abwechſelung oder der allmaͤhlige Zufluß anderer Eindruͤcke von einer aͤhnlichen oder verwandten Art er- halten die Empfindung in ihrem wahren Leben und in ihrer Schmackhaftigkeit. Die Modificationen unſerer Empfindung, die von den Einwirkungen der aͤußerlichen Dinge abhaͤngen, ſcheinen ſelbſt der Seele ſo unentbehrlich, daß ihre Abweſenheit eine zu be- klagende Einſchraͤnkung unſerer Natur ſeyn wuͤrde. Es wird alſo die Erregung an- genehmer Empfindungen die allgemeine Beſtimmung der Gartenkunſt ſeyn; aber dieſe kann die Empfindungen hinzufuͤgen, die einſiedleriſche, melancholiſche, finſtere, ro- mantiſche, feyerliche und andere Gegenden erwecken. Es iſt der Beruf der Garten- kunſt, durch eine harmoniſche Folge verſchiedener Bewegungen, durch die Bewegun- gen des Großen, des Mannigfaltigen, des Neuen, des Schoͤnen, des Wilden, des Melancholiſchen u. ſ. w. zu ergoͤtzen. Die Gegenſtaͤnde der Gaͤrten ſind zunaͤchſt keine andere, als Gegenſtaͤnde der ſchoͤnen laͤndlichen Natur ſelbſt. Der Gartenkuͤnſtler muß daher zuvoͤrderſt ſolche Gegenſtaͤnde der ſchoͤnen Natur ſammeln und auswaͤhlen, die eine vorzuͤgliche Einwir- kung auf das Empfindungsvermoͤgen und die Einbildungskraft haben; er muß dieſen Gegenſtaͤnden eine ſolche Ausbildung geben, und ſie in eine ſolche Verbindung und Anordnung bringen, daß dadurch ihr Eindruck verſtaͤrkt werde. Dadurch veraͤndert ein Platz die Natur einer blos ſich ſelbſt uͤberlaſſenen Gegend, und faͤngt ſchon an, in einen Garten uͤberzugehen. Dies iſt das erſte allgemeine Geſetz der Gartenkunſt. Weil aber der Garten, als ein Werk des Fleißes und des Genies, die Phan- taſie und die Empfindung ſtaͤrker bewegen ſoll, als eine blos natuͤrliche Gegend; ſo ſoll der Kuͤnſtler den Eindruck der Gegenſtaͤnde der Natur, die er mit Ueberlegung und Geſchmack geſammelt, ausgebildet und mit einander verbunden hat, dadurch zu heben ſuchen, daß er uͤbereinſtimmende Gegenſtaͤnde der Kunſt darunter miſche und mit dem Ganzen verknuͤpfe. Dies iſt das zweyte allgemeine Geſetz der Gartenkunſt. Beyde Hauptgeſetze entſpringen, wie zwey Baͤche, aus einer einzigen Quelle, und laufen neben einander fort. Dieſe Quelle iſt der Grundſatz: Bewege durch den Garten U 2

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/169>, abgerufen am 24.11.2024.