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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.

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Dritter Abschnitt. Von der Gartenkunst,

Auch nicht immer sind Malerey und Gartenkunst so getrennt gewesen, daß
nicht schon zuweilen berühmte Maler mit glücklichem Erfolg Gärten angelegt hätten.
Domenichino bauete nicht allein für den Cardinal Aldobrandini seine Ville zu
Frascati, sondern er ordnete auch die Spaziergänge, die Brunnen, die Aussichten
im Garten auf eine malerische Art mit vielem Geschmack an. Auf eine ähnliche Art
beschäftigte sich Peter von Cortona für den Cardinal Sachetti. Viele angeneh-
me Gärten um Florenz und Mantua sind von Malern in einem so guten Geschmack
angelegt, als es ihre Zeiten, wo die Gartenkunst noch wenig ausgebildet war, nur
immer erlaubten. Man trifft darin das Malerische und Ländlichreizende mehr an,
als in vielen andern Gärten. Und vielleicht würden Gartengebäude und Lusthäuser,
deren Hauptcharakter Simplicität und Anmuth ist, glücklicher von Malern angelegt
werden, oder von Architekten, die mit ihrer Kunst die Talente des Landschaftmalers
vereinigten.

Nach diesen Vergleichungen beyder Künste wird man dennoch leicht wahrneh-
men, daß im Grunde die Gartenkunst die Landschaftmalerey so weit übertrifft, als
die Natur die Copie. Keine der nachahmenden Künste ist in die Natur selbst mehr
verwebt, oder gleichsam mehr Natur, als die Kunst der Gärten. Alles geht hier in
eine wirkliche Darstellung über. Die Beweglichkeit der Gegenstände wird nicht als blos
angedeutet wahrgenommen, sondern als wirklich empfunden. Das Wasser, das im
Landschaftgemälde nur durch den Widerschein lebendig wird, giebt durch sein Ansehen
und Geräusch den Genuß seiner Gegenwart. Die Farben glühen oder schimmern
dem Auge mit einem Glanz, mit einer Heiterkeit, mit einer Wärme entgegen, wel-
che die Zaubermacht der Titiane vergebens zu erreichen strebt. Die allmählige Dar-
stellung der Gartenscenen giebt einen weit längern, unterhaltendern Genuß, als das
schönste und ausführlichste Landschaftgemälde, welches das Auge bald umfaßt; fort-
schreitende Bewegungen sind mehr die Wirkung der Gärten, als der Malerey. Au-
ßer allem diesem gewinnt der Gartenkünstler unendlich durch die Ausdehnung, da hin-
gegen auf der Leinwand nicht für jede Art der Abwechselung Raum ist, und die klei-
nern Schattirungen, die oft von der anmuthigsten Wirkung sind, nicht ausgedrückt
werden können. Vieles, das in der Natur schön ist, verliert in der Nachahmung,
selbst unter den Händen des verständigsten und aufmerksamsten Landschafters. Vie-
les, das er in einen engen Bezirk bringen muß, verirrt sich leicht in einen unordentli-
chen Haufen, selbst bey allem Fleiß, die Regeln der Perspectiv zu beobachten. End-
lich bleibt die Zusammensetzung des Landschaftgemäldes immer dieselbe, man mag sie
von einer Seite betrachten, von welcher man will; der Künstler kann so wenig, als
der Beobachter, die Anordnung ändern, die einmal gemacht ist; die Wirkung der

Anord-
Dritter Abſchnitt. Von der Gartenkunſt,

Auch nicht immer ſind Malerey und Gartenkunſt ſo getrennt geweſen, daß
nicht ſchon zuweilen beruͤhmte Maler mit gluͤcklichem Erfolg Gaͤrten angelegt haͤtten.
Domenichino bauete nicht allein fuͤr den Cardinal Aldobrandini ſeine Ville zu
Fraſcati, ſondern er ordnete auch die Spaziergaͤnge, die Brunnen, die Ausſichten
im Garten auf eine maleriſche Art mit vielem Geſchmack an. Auf eine aͤhnliche Art
beſchaͤftigte ſich Peter von Cortona fuͤr den Cardinal Sachetti. Viele angeneh-
me Gaͤrten um Florenz und Mantua ſind von Malern in einem ſo guten Geſchmack
angelegt, als es ihre Zeiten, wo die Gartenkunſt noch wenig ausgebildet war, nur
immer erlaubten. Man trifft darin das Maleriſche und Laͤndlichreizende mehr an,
als in vielen andern Gaͤrten. Und vielleicht wuͤrden Gartengebaͤude und Luſthaͤuſer,
deren Hauptcharakter Simplicitaͤt und Anmuth iſt, gluͤcklicher von Malern angelegt
werden, oder von Architekten, die mit ihrer Kunſt die Talente des Landſchaftmalers
vereinigten.

Nach dieſen Vergleichungen beyder Kuͤnſte wird man dennoch leicht wahrneh-
men, daß im Grunde die Gartenkunſt die Landſchaftmalerey ſo weit uͤbertrifft, als
die Natur die Copie. Keine der nachahmenden Kuͤnſte iſt in die Natur ſelbſt mehr
verwebt, oder gleichſam mehr Natur, als die Kunſt der Gaͤrten. Alles geht hier in
eine wirkliche Darſtellung uͤber. Die Beweglichkeit der Gegenſtaͤnde wird nicht als blos
angedeutet wahrgenommen, ſondern als wirklich empfunden. Das Waſſer, das im
Landſchaftgemaͤlde nur durch den Widerſchein lebendig wird, giebt durch ſein Anſehen
und Geraͤuſch den Genuß ſeiner Gegenwart. Die Farben gluͤhen oder ſchimmern
dem Auge mit einem Glanz, mit einer Heiterkeit, mit einer Waͤrme entgegen, wel-
che die Zaubermacht der Titiane vergebens zu erreichen ſtrebt. Die allmaͤhlige Dar-
ſtellung der Gartenſcenen giebt einen weit laͤngern, unterhaltendern Genuß, als das
ſchoͤnſte und ausfuͤhrlichſte Landſchaftgemaͤlde, welches das Auge bald umfaßt; fort-
ſchreitende Bewegungen ſind mehr die Wirkung der Gaͤrten, als der Malerey. Au-
ßer allem dieſem gewinnt der Gartenkuͤnſtler unendlich durch die Ausdehnung, da hin-
gegen auf der Leinwand nicht fuͤr jede Art der Abwechſelung Raum iſt, und die klei-
nern Schattirungen, die oft von der anmuthigſten Wirkung ſind, nicht ausgedruͤckt
werden koͤnnen. Vieles, das in der Natur ſchoͤn iſt, verliert in der Nachahmung,
ſelbſt unter den Haͤnden des verſtaͤndigſten und aufmerkſamſten Landſchafters. Vie-
les, das er in einen engen Bezirk bringen muß, verirrt ſich leicht in einen unordentli-
chen Haufen, ſelbſt bey allem Fleiß, die Regeln der Perſpectiv zu beobachten. End-
lich bleibt die Zuſammenſetzung des Landſchaftgemaͤldes immer dieſelbe, man mag ſie
von einer Seite betrachten, von welcher man will; der Kuͤnſtler kann ſo wenig, als
der Beobachter, die Anordnung aͤndern, die einmal gemacht iſt; die Wirkung der

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[152/0166] Dritter Abſchnitt. Von der Gartenkunſt, Auch nicht immer ſind Malerey und Gartenkunſt ſo getrennt geweſen, daß nicht ſchon zuweilen beruͤhmte Maler mit gluͤcklichem Erfolg Gaͤrten angelegt haͤtten. Domenichino bauete nicht allein fuͤr den Cardinal Aldobrandini ſeine Ville zu Fraſcati, ſondern er ordnete auch die Spaziergaͤnge, die Brunnen, die Ausſichten im Garten auf eine maleriſche Art mit vielem Geſchmack an. Auf eine aͤhnliche Art beſchaͤftigte ſich Peter von Cortona fuͤr den Cardinal Sachetti. Viele angeneh- me Gaͤrten um Florenz und Mantua ſind von Malern in einem ſo guten Geſchmack angelegt, als es ihre Zeiten, wo die Gartenkunſt noch wenig ausgebildet war, nur immer erlaubten. Man trifft darin das Maleriſche und Laͤndlichreizende mehr an, als in vielen andern Gaͤrten. Und vielleicht wuͤrden Gartengebaͤude und Luſthaͤuſer, deren Hauptcharakter Simplicitaͤt und Anmuth iſt, gluͤcklicher von Malern angelegt werden, oder von Architekten, die mit ihrer Kunſt die Talente des Landſchaftmalers vereinigten. Nach dieſen Vergleichungen beyder Kuͤnſte wird man dennoch leicht wahrneh- men, daß im Grunde die Gartenkunſt die Landſchaftmalerey ſo weit uͤbertrifft, als die Natur die Copie. Keine der nachahmenden Kuͤnſte iſt in die Natur ſelbſt mehr verwebt, oder gleichſam mehr Natur, als die Kunſt der Gaͤrten. Alles geht hier in eine wirkliche Darſtellung uͤber. Die Beweglichkeit der Gegenſtaͤnde wird nicht als blos angedeutet wahrgenommen, ſondern als wirklich empfunden. Das Waſſer, das im Landſchaftgemaͤlde nur durch den Widerſchein lebendig wird, giebt durch ſein Anſehen und Geraͤuſch den Genuß ſeiner Gegenwart. Die Farben gluͤhen oder ſchimmern dem Auge mit einem Glanz, mit einer Heiterkeit, mit einer Waͤrme entgegen, wel- che die Zaubermacht der Titiane vergebens zu erreichen ſtrebt. Die allmaͤhlige Dar- ſtellung der Gartenſcenen giebt einen weit laͤngern, unterhaltendern Genuß, als das ſchoͤnſte und ausfuͤhrlichſte Landſchaftgemaͤlde, welches das Auge bald umfaßt; fort- ſchreitende Bewegungen ſind mehr die Wirkung der Gaͤrten, als der Malerey. Au- ßer allem dieſem gewinnt der Gartenkuͤnſtler unendlich durch die Ausdehnung, da hin- gegen auf der Leinwand nicht fuͤr jede Art der Abwechſelung Raum iſt, und die klei- nern Schattirungen, die oft von der anmuthigſten Wirkung ſind, nicht ausgedruͤckt werden koͤnnen. Vieles, das in der Natur ſchoͤn iſt, verliert in der Nachahmung, ſelbſt unter den Haͤnden des verſtaͤndigſten und aufmerkſamſten Landſchafters. Vie- les, das er in einen engen Bezirk bringen muß, verirrt ſich leicht in einen unordentli- chen Haufen, ſelbſt bey allem Fleiß, die Regeln der Perſpectiv zu beobachten. End- lich bleibt die Zuſammenſetzung des Landſchaftgemaͤldes immer dieſelbe, man mag ſie von einer Seite betrachten, von welcher man will; der Kuͤnſtler kann ſo wenig, als der Beobachter, die Anordnung aͤndern, die einmal gemacht iſt; die Wirkung der Anord-

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst1_1779/166>, abgerufen am 24.11.2024.