Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 1. Leipzig, 1779.der Alten und der Neuen. die einen starken Geruch von sich gaben. Die Gebüsche und Wälder waren alle frischund anmuthig; nichts schien verwelkt und abfallend, sondern alles lachte. Die Lust war heiter und ertönte vom Gesang der Vögel. Die Schiffe und das Meer waren in einer mittelmäßigen Entfernung. Wohin das Auge irrete, da zeigten sich überall neue Annehmlichkeiten in einer wunderbaren Mannigfaltigkeit von Gegenständen, die diesen Aufenthalt reizender machten, als je das berühmte Tempe der Alten gewe- sen ist. Bernier, der als ein feiner Beobachter so viele weite Reisen gethan, behaup- päer *) Allgemeine Historie der Reisen u. s. w. IIter B. S. 115-117. O 3
der Alten und der Neuen. die einen ſtarken Geruch von ſich gaben. Die Gebuͤſche und Waͤlder waren alle friſchund anmuthig; nichts ſchien verwelkt und abfallend, ſondern alles lachte. Die Luſt war heiter und ertoͤnte vom Geſang der Voͤgel. Die Schiffe und das Meer waren in einer mittelmaͤßigen Entfernung. Wohin das Auge irrete, da zeigten ſich uͤberall neue Annehmlichkeiten in einer wunderbaren Mannigfaltigkeit von Gegenſtaͤnden, die dieſen Aufenthalt reizender machten, als je das beruͤhmte Tempe der Alten gewe- ſen iſt. Bernier, der als ein feiner Beobachter ſo viele weite Reiſen gethan, behaup- paͤer *) Allgemeine Hiſtorie der Reiſen u. ſ. w. IIter B. S. 115-117. O 3
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0123" n="109"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Alten und der Neuen.</hi></fw><lb/> die einen ſtarken Geruch von ſich gaben. Die Gebuͤſche und Waͤlder waren alle friſch<lb/> und anmuthig; nichts ſchien verwelkt und abfallend, ſondern alles lachte. Die Luſt<lb/> war heiter und ertoͤnte vom Geſang der Voͤgel. Die Schiffe und das Meer waren<lb/> in einer mittelmaͤßigen Entfernung. Wohin das Auge irrete, da zeigten ſich uͤberall<lb/> neue Annehmlichkeiten in einer wunderbaren Mannigfaltigkeit von Gegenſtaͤnden, die<lb/> dieſen Aufenthalt reizender machten, als je das beruͤhmte <hi rendition="#fr">Tempe</hi> der Alten gewe-<lb/> ſen iſt.</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Bernier,</hi> der als ein feiner Beobachter ſo viele weite Reiſen gethan, behaup-<lb/> tet, <note place="foot" n="*)">Allgemeine Hiſtorie der Reiſen u. ſ. w. <hi rendition="#aq">II</hi>ter B. S. 115-117.</note> es gaͤbe kein Land in der Welt, das in einem ſo kleinen Umfang ſo viel Schoͤn-<lb/> heiten vereinigte, als das Koͤnigreich <hi rendition="#fr">Kachimir,</hi> das am aͤußerſten Ende von <hi rendition="#fr">Ind-<lb/> oſtan</hi> liegt, von den Bergen des <hi rendition="#fr">Caucaſus,</hi> und zwiſchen den Gebirgen von groß<lb/> und klein <hi rendition="#fr">Thibet</hi> und <hi rendition="#fr">Raja-Gamon</hi> eingeſchloſſen. Es iſt eine ſehr ſchoͤne Land-<lb/> ſchaft voll kleiner Huͤgel, die nicht weniger als dreyßig Meilen Laͤnge und zehn oder<lb/> zwoͤlf Meilen Breite hat. Die erſten Berge, die <hi rendition="#fr">Kachimir</hi> begraͤnzen, das iſt,<lb/> die an die Ebene reichen, ſind von mittelmaͤßiger Hoͤhe, mit Baͤumen und Viehwei-<lb/> den bedeckt, wo man Kuͤhe, Schafe, Ziegen und Pferde findet. Unter verſchiede-<lb/> nen Arten von Wildprete, als Rebhuͤner, Haſen, Gazellen, ſieht man auch viele<lb/> Bienen. Aber, welches in <hi rendition="#fr">Indien</hi> ſehr ſelten iſt, man findet da nie Schlangen,<lb/> Tiger, Baͤren oder Loͤwen. <hi rendition="#fr">Bernier</hi> ſagt daher, man koͤnne ſie die unſchuldigen<lb/> Berge nennen, auf welchen Milch und Honig fließt, wie im gelobten Lande. Ueber<lb/> dieſe erheben ſich andere hoͤhere, deren Gipfel allezeit mit Schnee bedeckt iſt, und<lb/> ſtets, uͤber die Gegend der Wolken erhoben, ruhig und helle ſcheint. Von allen die-<lb/> ſen Bergen fallen uͤberall unzaͤhlige Quellen und Baͤche herab, welche die Einwohner<lb/> in ihre Reißfelder, und vermittelſt großer Erddaͤmme ſelbſt auf ihre Huͤgel zu leiten<lb/> wiſſen. Nachdem dieſe ſchoͤnen Gewaͤſſer viele Waſſerfaͤlle und Baͤche gemacht ha-<lb/> ben, ſo vereinigen ſie ſich endlich, einen Fluß von der Groͤße der <hi rendition="#fr">Seine</hi> zu bilden,<lb/> der langſam das Koͤnigreich umfließt, durch die Hauptſtadt geht, und ſeinen Aus-<lb/> gang zu <hi rendition="#fr">Baramoule</hi> zwiſchen zween ſteilen Felſen findet, von da er ſich in verſchie-<lb/> dene Abſtuͤrze zertheilt, eine Menge kleiner Fluͤſſe, die von den Bergen herabkom-<lb/> men, fortnimmt und endlich in den <hi rendition="#fr">Indus</hi> faͤllt. So viel Baͤche, die von allen<lb/> Bergen herabfließen, machen die Felder und Huͤgel ungemein fruchtbar; man ſollte<lb/> alles fuͤr einen großen Garten anſehen, in welchem ſich Flecken und Doͤrfer befinden,<lb/> wovon man eine Menge zwiſchen den Baͤumen entdeckt. Zur Abwechſelung erblickt<lb/> man Wieſen, Reißfelder, Fluren voll Getraide, Safran und allerley Huͤlſenfruͤchte,<lb/> unter welchen Canaͤle in mannigfaltigen Geſtalten ſich durchſchlingen. Ein <hi rendition="#fr">Euro-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig">O 3</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">paͤer</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [109/0123]
der Alten und der Neuen.
die einen ſtarken Geruch von ſich gaben. Die Gebuͤſche und Waͤlder waren alle friſch
und anmuthig; nichts ſchien verwelkt und abfallend, ſondern alles lachte. Die Luſt
war heiter und ertoͤnte vom Geſang der Voͤgel. Die Schiffe und das Meer waren
in einer mittelmaͤßigen Entfernung. Wohin das Auge irrete, da zeigten ſich uͤberall
neue Annehmlichkeiten in einer wunderbaren Mannigfaltigkeit von Gegenſtaͤnden, die
dieſen Aufenthalt reizender machten, als je das beruͤhmte Tempe der Alten gewe-
ſen iſt.
Bernier, der als ein feiner Beobachter ſo viele weite Reiſen gethan, behaup-
tet, *) es gaͤbe kein Land in der Welt, das in einem ſo kleinen Umfang ſo viel Schoͤn-
heiten vereinigte, als das Koͤnigreich Kachimir, das am aͤußerſten Ende von Ind-
oſtan liegt, von den Bergen des Caucaſus, und zwiſchen den Gebirgen von groß
und klein Thibet und Raja-Gamon eingeſchloſſen. Es iſt eine ſehr ſchoͤne Land-
ſchaft voll kleiner Huͤgel, die nicht weniger als dreyßig Meilen Laͤnge und zehn oder
zwoͤlf Meilen Breite hat. Die erſten Berge, die Kachimir begraͤnzen, das iſt,
die an die Ebene reichen, ſind von mittelmaͤßiger Hoͤhe, mit Baͤumen und Viehwei-
den bedeckt, wo man Kuͤhe, Schafe, Ziegen und Pferde findet. Unter verſchiede-
nen Arten von Wildprete, als Rebhuͤner, Haſen, Gazellen, ſieht man auch viele
Bienen. Aber, welches in Indien ſehr ſelten iſt, man findet da nie Schlangen,
Tiger, Baͤren oder Loͤwen. Bernier ſagt daher, man koͤnne ſie die unſchuldigen
Berge nennen, auf welchen Milch und Honig fließt, wie im gelobten Lande. Ueber
dieſe erheben ſich andere hoͤhere, deren Gipfel allezeit mit Schnee bedeckt iſt, und
ſtets, uͤber die Gegend der Wolken erhoben, ruhig und helle ſcheint. Von allen die-
ſen Bergen fallen uͤberall unzaͤhlige Quellen und Baͤche herab, welche die Einwohner
in ihre Reißfelder, und vermittelſt großer Erddaͤmme ſelbſt auf ihre Huͤgel zu leiten
wiſſen. Nachdem dieſe ſchoͤnen Gewaͤſſer viele Waſſerfaͤlle und Baͤche gemacht ha-
ben, ſo vereinigen ſie ſich endlich, einen Fluß von der Groͤße der Seine zu bilden,
der langſam das Koͤnigreich umfließt, durch die Hauptſtadt geht, und ſeinen Aus-
gang zu Baramoule zwiſchen zween ſteilen Felſen findet, von da er ſich in verſchie-
dene Abſtuͤrze zertheilt, eine Menge kleiner Fluͤſſe, die von den Bergen herabkom-
men, fortnimmt und endlich in den Indus faͤllt. So viel Baͤche, die von allen
Bergen herabfließen, machen die Felder und Huͤgel ungemein fruchtbar; man ſollte
alles fuͤr einen großen Garten anſehen, in welchem ſich Flecken und Doͤrfer befinden,
wovon man eine Menge zwiſchen den Baͤumen entdeckt. Zur Abwechſelung erblickt
man Wieſen, Reißfelder, Fluren voll Getraide, Safran und allerley Huͤlſenfruͤchte,
unter welchen Canaͤle in mannigfaltigen Geſtalten ſich durchſchlingen. Ein Euro-
paͤer
*) Allgemeine Hiſtorie der Reiſen u. ſ. w. IIter B. S. 115-117.
O 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |