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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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zur Reife; Leiden aber, die einem ganzen
Volke nicht von der Natur und vom Schick-
sal, sondern bloss willkührlich zugefügt wer-
den, hemmen allen Muth: sie erschlaffen und
entseelen die edelsten Völker, so dass man ih-
re Stätte nicht mehr findet. -- Ewig Schade
um alle die Fortschritte, die durch jene männ-
liche Grausamkeit gehemmet werden! Welch
ein Stoff muss im andern Geschlechte liegen,
da er allen diesen Hindernissen noch bis jetzt
so stattlichen Widerstand leistete! -- Doch,
unmöglich könnten die Weiber noch seyn,
was sie sind, und die Lage behaupten, in der
sie sich befinden, wenn nicht Geschlechter-
neigung und Reitze ihnen Subsidien geleistet
hätten. So hat bis jetzt die Natur den Men-
schen noch nie ganz verlassen, wenn er ihr
auch unerkenntlich den Rücken kehrte! Ein
gewisser glücklicher Zustand, nach welchem
den Menschen wenig zu wünschen, allein eben
darum viel zu befürchten übrig bleibt, macht
sie unglücklich: -- sie erstreben nichts; ihre
Seele verliert den Schwung, ihr Geist das
Geistige; und so wie dieser glücklich-unglück-

zur Reife; Leiden aber, die einem ganzen
Volke nicht von der Natur und vom Schick-
sal, sondern bloſs willkührlich zugefügt wer-
den, hemmen allen Muth: sie erschlaffen und
entseelen die edelsten Völker, so daſs man ih-
re Stätte nicht mehr findet. — Ewig Schade
um alle die Fortschritte, die durch jene männ-
liche Grausamkeit gehemmet werden! Welch
ein Stoff muſs im andern Geschlechte liegen,
da er allen diesen Hindernissen noch bis jetzt
so stattlichen Widerstand leistete! — Doch,
unmöglich könnten die Weiber noch seyn,
was sie sind, und die Lage behaupten, in der
sie sich befinden, wenn nicht Geschlechter-
neigung und Reitze ihnen Subsidien geleistet
hätten. So hat bis jetzt die Natur den Men-
schen noch nie ganz verlassen, wenn er ihr
auch unerkenntlich den Rücken kehrte! Ein
gewisser glücklicher Zustand, nach welchem
den Menschen wenig zu wünschen, allein eben
darum viel zu befürchten übrig bleibt, macht
sie unglücklich: — sie erstreben nichts; ihre
Seele verliert den Schwung, ihr Geist das
Geistige; und so wie dieser glücklich-unglück-

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[72/0080] zur Reife; Leiden aber, die einem ganzen Volke nicht von der Natur und vom Schick- sal, sondern bloſs willkührlich zugefügt wer- den, hemmen allen Muth: sie erschlaffen und entseelen die edelsten Völker, so daſs man ih- re Stätte nicht mehr findet. — Ewig Schade um alle die Fortschritte, die durch jene männ- liche Grausamkeit gehemmet werden! Welch ein Stoff muſs im andern Geschlechte liegen, da er allen diesen Hindernissen noch bis jetzt so stattlichen Widerstand leistete! — Doch, unmöglich könnten die Weiber noch seyn, was sie sind, und die Lage behaupten, in der sie sich befinden, wenn nicht Geschlechter- neigung und Reitze ihnen Subsidien geleistet hätten. So hat bis jetzt die Natur den Men- schen noch nie ganz verlassen, wenn er ihr auch unerkenntlich den Rücken kehrte! Ein gewisser glücklicher Zustand, nach welchem den Menschen wenig zu wünschen, allein eben darum viel zu befürchten übrig bleibt, macht sie unglücklich: — sie erstreben nichts; ihre Seele verliert den Schwung, ihr Geist das Geistige; und so wie dieser glücklich-unglück-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/80>, abgerufen am 25.11.2024.