zügliche Cultur und Wartung aller edlen und grossen Keime, welche die Natur in die Seele der Weiber legte, nie Statt findet -- was ist da am Ende zu erwarten? Ein Kahn, der sich zu sehr auf die eine Seite neigt, muss umschlagen -- und unser Geschlecht? wenn es eben den chemischen Versuchen auf nassem und trocknem Wege, den Feuer- und Wasser- proben, ausgesetzt würde; wenn diese Hiobs- leiden, womit wir das andere Geschlecht heim- suchen, über uns verhängt würden -- was wäre aus uns geworden? würden wir noch so viel Urkundliches an uns behalten haben, wie das andere Geschlecht --? Würde der Mann, der Mensch, nicht bei uns weit mehr aufhö- ren, als bei jenem? -- O des grossen Musters, welches das andere Geschlecht, nicht mit Pomp, wie die Stoiker und ihr Erzmärtyrer Peregrinus Proteus, beim Sterben, sondern ganz natürlich giebt, indem es nicht bloss seine Feinde liebt, sondern auch, und -- das sagt mehr -- seinen Freunden vergiebt! -- Jenes grosse Wort ist sichtbar an ihm -- dass es die Schwachheit eines Menschen und zugleich
zügliche Cultur und Wartung aller edlen und groſsen Keime, welche die Natur in die Seele der Weiber legte, nie Statt findet — was ist da am Ende zu erwarten? Ein Kahn, der sich zu sehr auf die eine Seite neigt, muſs umschlagen — und unser Geschlecht? wenn es eben den chemischen Versuchen auf nassem und trocknem Wege, den Feuer- und Wasser- proben, ausgesetzt würde; wenn diese Hiobs- leiden, womit wir das andere Geschlecht heim- suchen, über uns verhängt würden — was wäre aus uns geworden? würden wir noch so viel Urkundliches an uns behalten haben, wie das andere Geschlecht —? Würde der Mann, der Mensch, nicht bei uns weit mehr aufhö- ren, als bei jenem? — O des groſsen Musters, welches das andere Geschlecht, nicht mit Pomp, wie die Stoiker und ihr Erzmärtyrer Peregrinus Proteus, beim Sterben, sondern ganz natürlich giebt, indem es nicht bloſs seine Feinde liebt, sondern auch, und — das sagt mehr — seinen Freunden vergiebt! — Jenes groſse Wort ist sichtbar an ihm — daſs es die Schwachheit eines Menschen und zugleich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0074"n="66"/>
zügliche Cultur und Wartung aller edlen und<lb/>
groſsen Keime, welche die Natur in die Seele<lb/>
der Weiber legte, nie Statt findet — was ist<lb/>
da am Ende zu erwarten? Ein Kahn, der<lb/>
sich zu sehr auf die eine Seite neigt, muſs<lb/>
umschlagen — und unser Geschlecht? wenn<lb/>
es eben den chemischen Versuchen auf nassem<lb/>
und trocknem Wege, den Feuer- und Wasser-<lb/>
proben, ausgesetzt würde; wenn diese Hiobs-<lb/>
leiden, womit wir das andere Geschlecht heim-<lb/>
suchen, über uns verhängt würden — was<lb/>
wäre aus uns geworden? würden wir noch so<lb/>
viel Urkundliches an uns behalten haben, wie<lb/>
das andere Geschlecht —? Würde der Mann,<lb/>
der Mensch, nicht bei uns weit mehr aufhö-<lb/>
ren, als bei jenem? — O des groſsen Musters,<lb/>
welches das andere Geschlecht, nicht mit<lb/>
Pomp, wie die Stoiker und ihr Erzmärtyrer<lb/><hirendition="#i">Peregrinus Proteus,</hi> beim Sterben, sondern ganz<lb/>
natürlich giebt, indem es nicht bloſs seine<lb/>
Feinde liebt, sondern auch, und — das sagt<lb/>
mehr — seinen Freunden vergiebt! — Jenes<lb/>
groſse Wort ist sichtbar an ihm —<hirendition="#i">daſs es<lb/>
die Schwachheit eines Menschen und zugleich<lb/></hi></p></div></body></text></TEI>
[66/0074]
zügliche Cultur und Wartung aller edlen und
groſsen Keime, welche die Natur in die Seele
der Weiber legte, nie Statt findet — was ist
da am Ende zu erwarten? Ein Kahn, der
sich zu sehr auf die eine Seite neigt, muſs
umschlagen — und unser Geschlecht? wenn
es eben den chemischen Versuchen auf nassem
und trocknem Wege, den Feuer- und Wasser-
proben, ausgesetzt würde; wenn diese Hiobs-
leiden, womit wir das andere Geschlecht heim-
suchen, über uns verhängt würden — was
wäre aus uns geworden? würden wir noch so
viel Urkundliches an uns behalten haben, wie
das andere Geschlecht —? Würde der Mann,
der Mensch, nicht bei uns weit mehr aufhö-
ren, als bei jenem? — O des groſsen Musters,
welches das andere Geschlecht, nicht mit
Pomp, wie die Stoiker und ihr Erzmärtyrer
Peregrinus Proteus, beim Sterben, sondern ganz
natürlich giebt, indem es nicht bloſs seine
Feinde liebt, sondern auch, und — das sagt
mehr — seinen Freunden vergiebt! — Jenes
groſse Wort ist sichtbar an ihm — daſs es
die Schwachheit eines Menschen und zugleich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/74>, abgerufen am 13.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.