Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

zügliche Cultur und Wartung aller edlen und
grossen Keime, welche die Natur in die Seele
der Weiber legte, nie Statt findet -- was ist
da am Ende zu erwarten? Ein Kahn, der
sich zu sehr auf die eine Seite neigt, muss
umschlagen -- und unser Geschlecht? wenn
es eben den chemischen Versuchen auf nassem
und trocknem Wege, den Feuer- und Wasser-
proben, ausgesetzt würde; wenn diese Hiobs-
leiden, womit wir das andere Geschlecht heim-
suchen, über uns verhängt würden -- was
wäre aus uns geworden? würden wir noch so
viel Urkundliches an uns behalten haben, wie
das andere Geschlecht --? Würde der Mann,
der Mensch, nicht bei uns weit mehr aufhö-
ren, als bei jenem? -- O des grossen Musters,
welches das andere Geschlecht, nicht mit
Pomp, wie die Stoiker und ihr Erzmärtyrer
Peregrinus Proteus, beim Sterben, sondern ganz
natürlich giebt, indem es nicht bloss seine
Feinde liebt, sondern auch, und -- das sagt
mehr -- seinen Freunden vergiebt! -- Jenes
grosse Wort ist sichtbar an ihm -- dass es
die Schwachheit eines Menschen und zugleich

zügliche Cultur und Wartung aller edlen und
groſsen Keime, welche die Natur in die Seele
der Weiber legte, nie Statt findet — was ist
da am Ende zu erwarten? Ein Kahn, der
sich zu sehr auf die eine Seite neigt, muſs
umschlagen — und unser Geschlecht? wenn
es eben den chemischen Versuchen auf nassem
und trocknem Wege, den Feuer- und Wasser-
proben, ausgesetzt würde; wenn diese Hiobs-
leiden, womit wir das andere Geschlecht heim-
suchen, über uns verhängt würden — was
wäre aus uns geworden? würden wir noch so
viel Urkundliches an uns behalten haben, wie
das andere Geschlecht —? Würde der Mann,
der Mensch, nicht bei uns weit mehr aufhö-
ren, als bei jenem? — O des groſsen Musters,
welches das andere Geschlecht, nicht mit
Pomp, wie die Stoiker und ihr Erzmärtyrer
Peregrinus Proteus, beim Sterben, sondern ganz
natürlich giebt, indem es nicht bloſs seine
Feinde liebt, sondern auch, und — das sagt
mehr — seinen Freunden vergiebt! — Jenes
groſse Wort ist sichtbar an ihm — daſs es
die Schwachheit eines Menschen und zugleich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0074" n="66"/>
zügliche Cultur und Wartung aller edlen und<lb/>
gro&#x017F;sen Keime, welche die Natur in die Seele<lb/>
der Weiber legte, nie Statt findet &#x2014; was ist<lb/>
da am Ende zu erwarten? Ein Kahn, der<lb/>
sich zu sehr auf die eine Seite neigt, mu&#x017F;s<lb/>
umschlagen &#x2014; und unser Geschlecht? wenn<lb/>
es eben den chemischen Versuchen auf nassem<lb/>
und trocknem Wege, den Feuer- und Wasser-<lb/>
proben, ausgesetzt würde; wenn diese Hiobs-<lb/>
leiden, womit wir das andere Geschlecht heim-<lb/>
suchen, über uns verhängt würden &#x2014; was<lb/>
wäre aus uns geworden? würden wir noch so<lb/>
viel Urkundliches an uns behalten haben, wie<lb/>
das andere Geschlecht &#x2014;? Würde der Mann,<lb/>
der Mensch, nicht bei uns weit mehr aufhö-<lb/>
ren, als bei jenem? &#x2014; O des gro&#x017F;sen Musters,<lb/>
welches das andere Geschlecht, nicht mit<lb/>
Pomp, wie die Stoiker und ihr Erzmärtyrer<lb/><hi rendition="#i">Peregrinus Proteus,</hi> beim Sterben, sondern ganz<lb/>
natürlich giebt, indem es nicht blo&#x017F;s seine<lb/>
Feinde liebt, sondern auch, und &#x2014; das sagt<lb/>
mehr &#x2014; seinen Freunden vergiebt! &#x2014; Jenes<lb/>
gro&#x017F;se Wort ist sichtbar an ihm &#x2014; <hi rendition="#i">da&#x017F;s es<lb/>
die Schwachheit eines Menschen und zugleich<lb/></hi></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0074] zügliche Cultur und Wartung aller edlen und groſsen Keime, welche die Natur in die Seele der Weiber legte, nie Statt findet — was ist da am Ende zu erwarten? Ein Kahn, der sich zu sehr auf die eine Seite neigt, muſs umschlagen — und unser Geschlecht? wenn es eben den chemischen Versuchen auf nassem und trocknem Wege, den Feuer- und Wasser- proben, ausgesetzt würde; wenn diese Hiobs- leiden, womit wir das andere Geschlecht heim- suchen, über uns verhängt würden — was wäre aus uns geworden? würden wir noch so viel Urkundliches an uns behalten haben, wie das andere Geschlecht —? Würde der Mann, der Mensch, nicht bei uns weit mehr aufhö- ren, als bei jenem? — O des groſsen Musters, welches das andere Geschlecht, nicht mit Pomp, wie die Stoiker und ihr Erzmärtyrer Peregrinus Proteus, beim Sterben, sondern ganz natürlich giebt, indem es nicht bloſs seine Feinde liebt, sondern auch, und — das sagt mehr — seinen Freunden vergiebt! — Jenes groſse Wort ist sichtbar an ihm — daſs es die Schwachheit eines Menschen und zugleich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/74
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/74>, abgerufen am 28.04.2024.