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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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dass auch der Gelehrteste, wenn er sich ir-
gend kurz fassen kann, kaum drei Wochen
gebrauchen würde, um alles zu beichten, was
er wirklich weiss, und selbst was er wirklich
glaubt, so dass sein Wissen und sein Weissa-
gen doch immer nur Stückwerk ist; ansser-
dem dass zwischen Zuckerbrot der Lektüre,
und dem herben Wein der Erfahrung ein gro-
sser Unterschied bleibt: so ist das Ende vom
Liede aller Wissenschaften und alles gelehrten
Dichtens und Trachtens, (wenn es nicht bloss
Lückenfüller und Langeweiltröster seyn soll)
moralisch besser zu werden. Sind wir das?
O, alsdann tret' ich beschämt zurück, wider-
rufe Alles, was in meiner Schrift nur nach
Apologie aussieht, und bleibe bloss bei der
demüthigsten Bitte, dem andern Geschlechte
durch eine bürgerliche Verbesserung Zeit und
Raum zur moralischen Busse zu gönnen; und
es zur Verpflichtung gegen die Gesetze des
Staates, zu jener bestimmten und äusserlich
vollkommenen Verpflichtung zuzulassen, die
doch jeder Staatstheilnehmer oder Bürger ha-
ben sollte --

daſs auch der Gelehrteste, wenn er sich ir-
gend kurz fassen kann, kaum drei Wochen
gebrauchen würde, um alles zu beichten, was
er wirklich weiſs, und selbst was er wirklich
glaubt, so daſs sein Wissen und sein Weiſsa-
gen doch immer nur Stückwerk ist; anſser-
dem daſs zwischen Zuckerbrot der Lektüre,
und dem herben Wein der Erfahrung ein gro-
ſser Unterschied bleibt: so ist das Ende vom
Liede aller Wissenschaften und alles gelehrten
Dichtens und Trachtens, (wenn es nicht bloſs
Lückenfüller und Langeweiltröster seyn soll)
moralisch besser zu werden. Sind wir das?
O, alsdann tret’ ich beschämt zurück, wider-
rufe Alles, was in meiner Schrift nur nach
Apologie aussieht, und bleibe bloſs bei der
demüthigsten Bitte, dem andern Geschlechte
durch eine bürgerliche Verbesserung Zeit und
Raum zur moralischen Buſse zu gönnen; und
es zur Verpflichtung gegen die Gesetze des
Staates, zu jener bestimmten und äuſserlich
vollkommenen Verpflichtung zuzulassen, die
doch jeder Staatstheilnehmer oder Bürger ha-
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[413/0421] daſs auch der Gelehrteste, wenn er sich ir- gend kurz fassen kann, kaum drei Wochen gebrauchen würde, um alles zu beichten, was er wirklich weiſs, und selbst was er wirklich glaubt, so daſs sein Wissen und sein Weiſsa- gen doch immer nur Stückwerk ist; anſser- dem daſs zwischen Zuckerbrot der Lektüre, und dem herben Wein der Erfahrung ein gro- ſser Unterschied bleibt: so ist das Ende vom Liede aller Wissenschaften und alles gelehrten Dichtens und Trachtens, (wenn es nicht bloſs Lückenfüller und Langeweiltröster seyn soll) moralisch besser zu werden. Sind wir das? O, alsdann tret’ ich beschämt zurück, wider- rufe Alles, was in meiner Schrift nur nach Apologie aussieht, und bleibe bloſs bei der demüthigsten Bitte, dem andern Geschlechte durch eine bürgerliche Verbesserung Zeit und Raum zur moralischen Buſse zu gönnen; und es zur Verpflichtung gegen die Gesetze des Staates, zu jener bestimmten und äuſserlich vollkommenen Verpflichtung zuzulassen, die doch jeder Staatstheilnehmer oder Bürger ha- ben sollte —

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/421>, abgerufen am 24.11.2024.