Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

entstanden, durch sie geleitet und ausgeführt
wurden, wo sie nicht bloss untergeordnete
Dienste leisteten, sondern der Geist waren,
der über den Wassern schwebte, die Seele,
die den Gang der Begebenheiten ordnete und
lenkte! --

Frankreich ist seit zweihundert Jahren
durch Weiber regiert worden; ob gut oder
schlecht, ist ein Umstand, auf den es hier
nicht ankommt. Dass es schlecht regiert ward,
ist nicht die Schuld der Weiber überhaupt,
sondern jener Weiber, die listig, verwegen
und ehrsüchtig genug waren, die Zügel des
Staates den schwachen Händen zu entwinden,
denen das blinde Glück sie anvertrauet hatte,
oder die in anderen Rücksichten aufgestellt
wurden, und die dann, neben dem schwereren
Geschäfte die lange Weile von einem müssi-
gen Monarchen zu verscheuchen, auf den Ein-
fall kamen, das ungleich leichtere Geschäft
der Staatsverwaltung zu übernehmen.

Seitdem Semiramis mit rascher entschlosse-
ner Hand das Zepter ergriff, und es mit so vie-
ler Würde als Weisheit führte, haben viele

entstanden, durch sie geleitet und ausgeführt
wurden, wo sie nicht bloſs untergeordnete
Dienste leisteten, sondern der Geist waren,
der über den Wassern schwebte, die Seele,
die den Gang der Begebenheiten ordnete und
lenkte! —

Frankreich ist seit zweihundert Jahren
durch Weiber regiert worden; ob gut oder
schlecht, ist ein Umstand, auf den es hier
nicht ankommt. Daſs es schlecht regiert ward,
ist nicht die Schuld der Weiber überhaupt,
sondern jener Weiber, die listig, verwegen
und ehrsüchtig genug waren, die Zügel des
Staates den schwachen Händen zu entwinden,
denen das blinde Glück sie anvertrauet hatte,
oder die in anderen Rücksichten aufgestellt
wurden, und die dann, neben dem schwereren
Geschäfte die lange Weile von einem müſsi-
gen Monarchen zu verscheuchen, auf den Ein-
fall kamen, das ungleich leichtere Geschäft
der Staatsverwaltung zu übernehmen.

Seitdem Semiramis mit rascher entschlosse-
ner Hand das Zepter ergriff, und es mit so vie-
ler Würde als Weisheit führte, haben viele

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0311" n="303"/>
entstanden, durch sie geleitet und ausgeführt<lb/>
wurden, wo sie nicht blo&#x017F;s untergeordnete<lb/>
Dienste leisteten, sondern der Geist waren,<lb/>
der über den Wassern schwebte, die Seele,<lb/>
die den Gang der Begebenheiten ordnete und<lb/>
lenkte! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Frankreich ist seit zweihundert Jahren<lb/>
durch Weiber regiert worden; ob gut oder<lb/>
schlecht, ist ein Umstand, auf den es hier<lb/>
nicht ankommt. Da&#x017F;s es schlecht regiert ward,<lb/>
ist nicht die Schuld der Weiber überhaupt,<lb/>
sondern jener Weiber, die listig, verwegen<lb/>
und ehrsüchtig genug waren, die Zügel des<lb/>
Staates den schwachen Händen zu entwinden,<lb/>
denen das blinde Glück sie anvertrauet hatte,<lb/>
oder die in anderen Rücksichten aufgestellt<lb/>
wurden, und die dann, neben dem schwereren<lb/>
Geschäfte die lange Weile von einem mü&#x017F;si-<lb/>
gen Monarchen zu verscheuchen, auf den Ein-<lb/>
fall kamen, das ungleich leichtere Geschäft<lb/>
der Staatsverwaltung zu übernehmen.</p><lb/>
        <p>Seitdem <hi rendition="#i">Semiramis</hi> mit rascher entschlosse-<lb/>
ner Hand das Zepter ergriff, und es mit so vie-<lb/>
ler Würde als Weisheit führte, haben viele<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[303/0311] entstanden, durch sie geleitet und ausgeführt wurden, wo sie nicht bloſs untergeordnete Dienste leisteten, sondern der Geist waren, der über den Wassern schwebte, die Seele, die den Gang der Begebenheiten ordnete und lenkte! — Frankreich ist seit zweihundert Jahren durch Weiber regiert worden; ob gut oder schlecht, ist ein Umstand, auf den es hier nicht ankommt. Daſs es schlecht regiert ward, ist nicht die Schuld der Weiber überhaupt, sondern jener Weiber, die listig, verwegen und ehrsüchtig genug waren, die Zügel des Staates den schwachen Händen zu entwinden, denen das blinde Glück sie anvertrauet hatte, oder die in anderen Rücksichten aufgestellt wurden, und die dann, neben dem schwereren Geschäfte die lange Weile von einem müſsi- gen Monarchen zu verscheuchen, auf den Ein- fall kamen, das ungleich leichtere Geschäft der Staatsverwaltung zu übernehmen. Seitdem Semiramis mit rascher entschlosse- ner Hand das Zepter ergriff, und es mit so vie- ler Würde als Weisheit führte, haben viele

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/311
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/311>, abgerufen am 10.05.2024.