Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

etwas seyn soll, einem Unzünftigen anzuver-
trauen. Ich muss und ich will, ist ihnen fast
einerlei; -- und soll es auch nicht also seyn?
Jene Grundsätze einer bekannten Sekte: ent-
weder Vernunft oder Strick -- entweder sich
ins Leben schicken oder es verlassen, sind den
Weibern wie angeboren. Nur der kann frei
leben, sagte ein Weiser des Alterthums, der
den Tod zu verachten weiss. Wie viele Frei-
heitsanlagen sind den Weibern bei ihrer To-
desgleichgültigkeit eigen! Sollte man sie et-
wa eben dieser Anlagen halben so sorgfältig
von der Freiheit entfernen? Nur der, wel-
cher mehr auf sich selbst als auf die Freiheit
hält, besitzt eine Sklavenseele, und ist un-
werth der Freiheit. Sind die Weiber in die-
sem Falle? -- Wenn die Weisheit verdriess-
lich macht, wer wird Lust und Liebe zu ihr
haben? Dies Leben ist ein Geschenk; lasst
uns jeden Tag als eine Zugabe ansehen, auf
die man nicht zu rechnen im Stande war --
"Was heute geschehen kann, muss man nicht
auf morgen aussetzen;" so denken Weiber;
und allerdings tragen ihre körperliche Schwäch-

etwas seyn soll, einem Unzünftigen anzuver-
trauen. Ich muſs und ich will, ist ihnen fast
einerlei; — und soll es auch nicht also seyn?
Jene Grundsätze einer bekannten Sekte: ent-
weder Vernunft oder Strick — entweder sich
ins Leben schicken oder es verlassen, sind den
Weibern wie angeboren. Nur der kann frei
leben, sagte ein Weiser des Alterthums, der
den Tod zu verachten weiſs. Wie viele Frei-
heitsanlagen sind den Weibern bei ihrer To-
desgleichgültigkeit eigen! Sollte man sie et-
wa eben dieser Anlagen halben so sorgfältig
von der Freiheit entfernen? Nur der, wel-
cher mehr auf sich selbst als auf die Freiheit
hält, besitzt eine Sklavenseele, und ist un-
werth der Freiheit. Sind die Weiber in die-
sem Falle? — Wenn die Weisheit verdrieſs-
lich macht, wer wird Lust und Liebe zu ihr
haben? Dies Leben ist ein Geschenk; laſst
uns jeden Tag als eine Zugabe ansehen, auf
die man nicht zu rechnen im Stande war —
»Was heute geschehen kann, muſs man nicht
auf morgen aussetzen;» so denken Weiber;
und allerdings tragen ihre körperliche Schwäch-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0298" n="290"/>
etwas seyn soll, einem Unzünftigen anzuver-<lb/>
trauen. Ich mu&#x017F;s und ich will, ist ihnen fast<lb/>
einerlei; &#x2014; und soll es auch nicht also seyn?<lb/>
Jene Grundsätze einer bekannten Sekte: ent-<lb/>
weder Vernunft oder Strick &#x2014; entweder sich<lb/>
ins Leben schicken oder es verlassen, sind den<lb/>
Weibern wie angeboren. Nur <hi rendition="#i">der</hi> kann frei<lb/>
leben, sagte ein Weiser des Alterthums, der<lb/>
den Tod zu verachten wei&#x017F;s. Wie viele Frei-<lb/>
heitsanlagen sind den Weibern bei ihrer To-<lb/>
desgleichgültigkeit eigen! Sollte man sie et-<lb/>
wa eben dieser Anlagen halben so sorgfältig<lb/>
von der Freiheit entfernen? Nur der, wel-<lb/>
cher mehr auf sich selbst als auf die Freiheit<lb/>
hält, besitzt eine Sklavenseele, und ist un-<lb/>
werth der Freiheit. Sind die Weiber in die-<lb/>
sem Falle? &#x2014; Wenn die Weisheit verdrie&#x017F;s-<lb/>
lich macht, wer wird Lust und Liebe zu ihr<lb/>
haben? Dies Leben ist ein Geschenk; la&#x017F;st<lb/>
uns jeden Tag als eine Zugabe ansehen, auf<lb/>
die man nicht zu rechnen im Stande war &#x2014;<lb/>
»Was heute geschehen kann, mu&#x017F;s man nicht<lb/>
auf morgen aussetzen;» so denken Weiber;<lb/>
und allerdings tragen ihre körperliche Schwäch-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[290/0298] etwas seyn soll, einem Unzünftigen anzuver- trauen. Ich muſs und ich will, ist ihnen fast einerlei; — und soll es auch nicht also seyn? Jene Grundsätze einer bekannten Sekte: ent- weder Vernunft oder Strick — entweder sich ins Leben schicken oder es verlassen, sind den Weibern wie angeboren. Nur der kann frei leben, sagte ein Weiser des Alterthums, der den Tod zu verachten weiſs. Wie viele Frei- heitsanlagen sind den Weibern bei ihrer To- desgleichgültigkeit eigen! Sollte man sie et- wa eben dieser Anlagen halben so sorgfältig von der Freiheit entfernen? Nur der, wel- cher mehr auf sich selbst als auf die Freiheit hält, besitzt eine Sklavenseele, und ist un- werth der Freiheit. Sind die Weiber in die- sem Falle? — Wenn die Weisheit verdrieſs- lich macht, wer wird Lust und Liebe zu ihr haben? Dies Leben ist ein Geschenk; laſst uns jeden Tag als eine Zugabe ansehen, auf die man nicht zu rechnen im Stande war — »Was heute geschehen kann, muſs man nicht auf morgen aussetzen;» so denken Weiber; und allerdings tragen ihre körperliche Schwäch-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/298
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/298>, abgerufen am 23.11.2024.