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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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weiss, wie die Römer ihre Sprache redeten
oder schrieben. Bleibt die Kunst eine Spra-
che sprechen zu lehren, nicht vorzüglich den
Weibern eigen? und sollte ihnen nicht der
Sprachunterricht ausschliesslich überlassen wer-
den? Gedächtniss, Einbildungskraft, und ein
gewisser Geist für das Detail scheinen, wenig-
stens so lange sie wie jetzt sind, vorzüglich
ihr Eigenthum zu seyn. Giebt es viele Bei-
spiele, dass man bei einem Sprachmeister die
Französische Sprache mit Fertigkeit sprechen
lernte? Wer nicht ihretwegen eine Reise
nach Frankreich that, lernte sie von Mutter
oder Gouvernantin. Kaum hat der Mann an-
gefangen, Materialien zu begreifen und anzu-
fassen, so will er schon zusammen setzen,
generalisiren, Capitalien machen; -- allmählich
zu sammeln, dauert ihm zu lange. --

Wer kann den Weibern ein gewisses
Kunstgefühl absprechen? und scheint nicht
weniger der Mangel an Anlagen, als ihre zeit-
herige Lage, Schuld zu seyn, dass sie so we-
nig Vorzügliches in den schönen Künsten und
Wissenschaften leisteten? An dem reitzenden

weiſs, wie die Römer ihre Sprache redeten
oder schrieben. Bleibt die Kunst eine Spra-
che sprechen zu lehren, nicht vorzüglich den
Weibern eigen? und sollte ihnen nicht der
Sprachunterricht ausschlieſslich überlassen wer-
den? Gedächtniſs, Einbildungskraft, und ein
gewisser Geist für das Detail scheinen, wenig-
stens so lange sie wie jetzt sind, vorzüglich
ihr Eigenthum zu seyn. Giebt es viele Bei-
spiele, daſs man bei einem Sprachmeister die
Französische Sprache mit Fertigkeit sprechen
lernte? Wer nicht ihretwegen eine Reise
nach Frankreich that, lernte sie von Mutter
oder Gouvernantin. Kaum hat der Mann an-
gefangen, Materialien zu begreifen und anzu-
fassen, so will er schon zusammen setzen,
generalisiren, Capitalien machen; — allmählich
zu sammeln, dauert ihm zu lange. —

Wer kann den Weibern ein gewisses
Kunstgefühl absprechen? und scheint nicht
weniger der Mangel an Anlagen, als ihre zeit-
herige Lage, Schuld zu seyn, daſs sie so we-
nig Vorzügliches in den schönen Künsten und
Wissenschaften leisteten? An dem reitzenden

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[258/0266] weiſs, wie die Römer ihre Sprache redeten oder schrieben. Bleibt die Kunst eine Spra- che sprechen zu lehren, nicht vorzüglich den Weibern eigen? und sollte ihnen nicht der Sprachunterricht ausschlieſslich überlassen wer- den? Gedächtniſs, Einbildungskraft, und ein gewisser Geist für das Detail scheinen, wenig- stens so lange sie wie jetzt sind, vorzüglich ihr Eigenthum zu seyn. Giebt es viele Bei- spiele, daſs man bei einem Sprachmeister die Französische Sprache mit Fertigkeit sprechen lernte? Wer nicht ihretwegen eine Reise nach Frankreich that, lernte sie von Mutter oder Gouvernantin. Kaum hat der Mann an- gefangen, Materialien zu begreifen und anzu- fassen, so will er schon zusammen setzen, generalisiren, Capitalien machen; — allmählich zu sammeln, dauert ihm zu lange. — Wer kann den Weibern ein gewisses Kunstgefühl absprechen? und scheint nicht weniger der Mangel an Anlagen, als ihre zeit- herige Lage, Schuld zu seyn, daſs sie so we- nig Vorzügliches in den schönen Künsten und Wissenschaften leisteten? An dem reitzenden

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/266>, abgerufen am 24.11.2024.