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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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Empfindung zu verwandeln sucht. Jedem gei-
stigen Gedanken geben Weiber einen Körper,
bekleiden ihn und verleihen ihm eine sinnliche
Form. Robinet meint, die Natur habe den
Weibern einen Hang zur Geschwätzigkeit ge-
geben, damit sie die für die Kinder zu starke
Wörterkost ihnen desto leichter vorkauen könn-
ten -- Heisst das nicht, einer herrlichen Na-
turgabe einen bösen Leumund machen? Rous-
seau
sagte zu Gretry, der ihm seine Hand
bot, um ihm über einen Haufen Steine zu hel-
fen: Laissez moi me servir de mes propres
forces
; und wem ist jene Entwickelung der
in den Kinder-Seelen liegenden Ideen na-
türlicher, als dem andern Geschlechte? --
Es spinnt sie heraus, knüpft das Sinnliche an
geistige Begriffe durch Bilder und Gleichnis-
se -- Wir sind für heroische Methoden; folgt
indess nicht nach einer Bravurarie jederzeit eine
Leere, da ein zu lebhafter Eindruck dem Ef-
fekte des Ganzen schadet? -- -- Es kommt
nicht darauf an, eine gute Empfindung zu er-
regen, sondern die Summe der Empfindungen
zu ziehen und auf sie zu wirken. Wie rich-

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Empfindung zu verwandeln sucht. Jedem gei-
stigen Gedanken geben Weiber einen Körper,
bekleiden ihn und verleihen ihm eine sinnliche
Form. Robinet meint, die Natur habe den
Weibern einen Hang zur Geschwätzigkeit ge-
geben, damit sie die für die Kinder zu starke
Wörterkost ihnen desto leichter vorkauen könn-
ten — Heiſst das nicht, einer herrlichen Na-
turgabe einen bösen Leumund machen? Rous-
seau
sagte zu Gretry, der ihm seine Hand
bot, um ihm über einen Haufen Steine zu hel-
fen: Laissez moi me servir de mes propres
forces
; und wem ist jene Entwickelung der
in den Kinder-Seelen liegenden Ideen na-
türlicher, als dem andern Geschlechte? —
Es spinnt sie heraus, knüpft das Sinnliche an
geistige Begriffe durch Bilder und Gleichnis-
se — Wir sind für heroische Methoden; folgt
indeſs nicht nach einer Bravurarie jederzeit eine
Leere, da ein zu lebhafter Eindruck dem Ef-
fekte des Ganzen schadet? — — Es kommt
nicht darauf an, eine gute Empfindung zu er-
regen, sondern die Summe der Empfindungen
zu ziehen und auf sie zu wirken. Wie rich-

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[217/0225] Empfindung zu verwandeln sucht. Jedem gei- stigen Gedanken geben Weiber einen Körper, bekleiden ihn und verleihen ihm eine sinnliche Form. Robinet meint, die Natur habe den Weibern einen Hang zur Geschwätzigkeit ge- geben, damit sie die für die Kinder zu starke Wörterkost ihnen desto leichter vorkauen könn- ten — Heiſst das nicht, einer herrlichen Na- turgabe einen bösen Leumund machen? Rous- seau sagte zu Gretry, der ihm seine Hand bot, um ihm über einen Haufen Steine zu hel- fen: Laissez moi me servir de mes propres forces; und wem ist jene Entwickelung der in den Kinder-Seelen liegenden Ideen na- türlicher, als dem andern Geschlechte? — Es spinnt sie heraus, knüpft das Sinnliche an geistige Begriffe durch Bilder und Gleichnis- se — Wir sind für heroische Methoden; folgt indeſs nicht nach einer Bravurarie jederzeit eine Leere, da ein zu lebhafter Eindruck dem Ef- fekte des Ganzen schadet? — — Es kommt nicht darauf an, eine gute Empfindung zu er- regen, sondern die Summe der Empfindungen zu ziehen und auf sie zu wirken. Wie rich- O 5

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/225>, abgerufen am 27.04.2024.