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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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jene Überzeugungen des Geistes gewinnen.
Noch würde sich freilich der Gesetzgeber gröb-
lich verrechnen, wenn er seine Gesetze auf
festes Zutrauen zur Vernunft und zur Weis-
heit seiner Bürger calculirte; allein wird die
Menschheit nie die Kinderschuhe ausziehen?
Ist dies -- nun, so bleibe Alles Altflickerei,
und der Mensch schäme sich, dass er Mensch
heisst. -- Ist die Menschheit indess im Stan-
de, zu jenem Grade der Vollständigkeit zu
gedeihen, den sie sich vorstellen kann, jene
Tugend zu üben, die ihr im Ideal Freude
macht --; so entferne man den Nebel der
Täuschung, wodurch man Menschen betrog,
die über kurz oder lang zum Gebrauche der
Vernunft kommen und sich betrogen finden
müssen. Männer, würdet ihr die Furcht nicht
barbarisch und unmenschlich finden, wenn
man euch Alles und Jedes von Freiheit bloss
darum entzöge, weil ihr es missbrauchen könn-
tet --? Wie wollet ihr denn jene Furcht
nennen, die euch abhält, dem andern Ge-
schlechte seine Ehre wiederzugeben? Die
Zeiten sind nicht mehr, um das andere Ge-

jene Überzeugungen des Geistes gewinnen.
Noch würde sich freilich der Gesetzgeber gröb-
lich verrechnen, wenn er seine Gesetze auf
festes Zutrauen zur Vernunft und zur Weis-
heit seiner Bürger calculirte; allein wird die
Menschheit nie die Kinderschuhe ausziehen?
Ist dies — nun, so bleibe Alles Altflickerei,
und der Mensch schäme sich, daſs er Mensch
heiſst. — Ist die Menschheit indeſs im Stan-
de, zu jenem Grade der Vollständigkeit zu
gedeihen, den sie sich vorstellen kann, jene
Tugend zu üben, die ihr im Ideal Freude
macht —; so entferne man den Nebel der
Täuschung, wodurch man Menschen betrog,
die über kurz oder lang zum Gebrauche der
Vernunft kommen und sich betrogen finden
müssen. Männer, würdet ihr die Furcht nicht
barbarisch und unmenschlich finden, wenn
man euch Alles und Jedes von Freiheit bloſs
darum entzöge, weil ihr es miſsbrauchen könn-
tet —? Wie wollet ihr denn jene Furcht
nennen, die euch abhält, dem andern Ge-
schlechte seine Ehre wiederzugeben? Die
Zeiten sind nicht mehr, um das andere Ge-

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[190/0198] jene Überzeugungen des Geistes gewinnen. Noch würde sich freilich der Gesetzgeber gröb- lich verrechnen, wenn er seine Gesetze auf festes Zutrauen zur Vernunft und zur Weis- heit seiner Bürger calculirte; allein wird die Menschheit nie die Kinderschuhe ausziehen? Ist dies — nun, so bleibe Alles Altflickerei, und der Mensch schäme sich, daſs er Mensch heiſst. — Ist die Menschheit indeſs im Stan- de, zu jenem Grade der Vollständigkeit zu gedeihen, den sie sich vorstellen kann, jene Tugend zu üben, die ihr im Ideal Freude macht —; so entferne man den Nebel der Täuschung, wodurch man Menschen betrog, die über kurz oder lang zum Gebrauche der Vernunft kommen und sich betrogen finden müssen. Männer, würdet ihr die Furcht nicht barbarisch und unmenschlich finden, wenn man euch Alles und Jedes von Freiheit bloſs darum entzöge, weil ihr es miſsbrauchen könn- tet —? Wie wollet ihr denn jene Furcht nennen, die euch abhält, dem andern Ge- schlechte seine Ehre wiederzugeben? Die Zeiten sind nicht mehr, um das andere Ge-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/198>, abgerufen am 27.04.2024.