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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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Ungezogenheit gehabt, das durch keine Reli-
gionsempfindung sich leiten, durch keine
Staatstäuschungen sich blenden lasse, sich zu
Gesetzen bequemen werde; und so liege denn
die Furcht nicht so sehr aus dem Wege, als
man es gemeiniglich denke. -- Lieber! wie
kannst du fordern, dass das Menschenge-
schlecht sich ewig am Gängelbande wohl be-
finden werde? Erregen jene Staatstäuschungen
und jene Religionsempfindungen, wenn sie
nicht von Grundsätzen abstammen, nicht ein-
zig und allein Unglauben und Misstrauen in
Rücksicht der Gesetze? Sollte der Mensch nie
zur Achtung für Pflicht gebracht werden?
Sollte er nie zu dem Hauptprincip des Lebens
gelangen: sei vernünftig? -- Sollen denn
Sinnlichkeiten ihm mehr als die moralische
Vernunft und das Sittengesetz gelten --? Wird
er sich nie so weit erheben, seiner geistigen
Natur würdig zu seyn, und für das, was er
nicht siehet, Ehrfurcht und Achtung zu fas-
sen --? Soll denn bloss Weichheit des Tem-
peraments ihn zur Neigung bringen? oder
giebt es auch ausser der Temperamentsneigung,

Ungezogenheit gehabt, das durch keine Reli-
gionsempfindung sich leiten, durch keine
Staatstäuschungen sich blenden lasse, sich zu
Gesetzen bequemen werde; und so liege denn
die Furcht nicht so sehr aus dem Wege, als
man es gemeiniglich denke. — Lieber! wie
kannst du fordern, daſs das Menschenge-
schlecht sich ewig am Gängelbande wohl be-
finden werde? Erregen jene Staatstäuschungen
und jene Religionsempfindungen, wenn sie
nicht von Grundsätzen abstammen, nicht ein-
zig und allein Unglauben und Miſstrauen in
Rücksicht der Gesetze? Sollte der Mensch nie
zur Achtung für Pflicht gebracht werden?
Sollte er nie zu dem Hauptprincip des Lebens
gelangen: sei vernünftig? — Sollen denn
Sinnlichkeiten ihm mehr als die moralische
Vernunft und das Sittengesetz gelten —? Wird
er sich nie so weit erheben, seiner geistigen
Natur würdig zu seyn, und für das, was er
nicht siehet, Ehrfurcht und Achtung zu fas-
sen —? Soll denn bloſs Weichheit des Tem-
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[188/0196] Ungezogenheit gehabt, das durch keine Reli- gionsempfindung sich leiten, durch keine Staatstäuschungen sich blenden lasse, sich zu Gesetzen bequemen werde; und so liege denn die Furcht nicht so sehr aus dem Wege, als man es gemeiniglich denke. — Lieber! wie kannst du fordern, daſs das Menschenge- schlecht sich ewig am Gängelbande wohl be- finden werde? Erregen jene Staatstäuschungen und jene Religionsempfindungen, wenn sie nicht von Grundsätzen abstammen, nicht ein- zig und allein Unglauben und Miſstrauen in Rücksicht der Gesetze? Sollte der Mensch nie zur Achtung für Pflicht gebracht werden? Sollte er nie zu dem Hauptprincip des Lebens gelangen: sei vernünftig? — Sollen denn Sinnlichkeiten ihm mehr als die moralische Vernunft und das Sittengesetz gelten —? Wird er sich nie so weit erheben, seiner geistigen Natur würdig zu seyn, und für das, was er nicht siehet, Ehrfurcht und Achtung zu fas- sen —? Soll denn bloſs Weichheit des Tem- peraments ihn zur Neigung bringen? oder giebt es auch auſser der Temperamentsneigung,

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/196>, abgerufen am 27.04.2024.