Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

nichts mehr, so doch den Vorzug erwirbt,
sonderbar zu scheinen. Ein Glück, das dem
Verstande in Nothfällen übrig bleibt, um zu
zeigen, wie viel man zu thun im Stande ge-
wesen wäre, wenn man nicht zu vielen Hin-
dernissen unterliegen müssen. Wir sind mehr
für die Gewohnheit, Weiber mehr für die
Neuheit -- Beide Neigungen lassen sich aus
der Lage beider Geschlechter ziemlich richtig
erklären. Was geht dem andern Geschlechte
ab, um würdig zu seyn, in den vorigen Stand
zurückgesetzt (in integrum restituirt) zu wer-
den? Die Thränen der Weiber sind nicht
bloss Beweise der Schwäche, sondern auch
Beweise der in ihnen wohnenden Kraft Sind
Thränen nicht schon im gemeinen Leben öfter
Anzeigen des Entschlusses, als der Reue? und ha-
ben nicht Schuld und Unschuld ihre Thränen?
Dass übrigens nicht bloss Weiber und Kinder
greinen, (wenn von Verstellung der Geberde
bei Thränen die Rede ist) sondern auch Män-
ner, wird selbst dem gemeinsten Beobachter
nicht entgangen seyn. Die Launen der Wei-
ber werden in der That zu wenig von uns

nichts mehr, so doch den Vorzug erwirbt,
sonderbar zu scheinen. Ein Glück, das dem
Verstande in Nothfällen übrig bleibt, um zu
zeigen, wie viel man zu thun im Stande ge-
wesen wäre, wenn man nicht zu vielen Hin-
dernissen unterliegen müssen. Wir sind mehr
für die Gewohnheit, Weiber mehr für die
Neuheit — Beide Neigungen lassen sich aus
der Lage beider Geschlechter ziemlich richtig
erklären. Was geht dem andern Geschlechte
ab, um würdig zu seyn, in den vorigen Stand
zurückgesetzt (in integrum restituirt) zu wer-
den? Die Thränen der Weiber sind nicht
bloſs Beweise der Schwäche, sondern auch
Beweise der in ihnen wohnenden Kraft Sind
Thränen nicht schon im gemeinen Leben öfter
Anzeigen des Entschlusses, als der Reue? und ha-
ben nicht Schuld und Unschuld ihre Thränen?
Daſs übrigens nicht bloſs Weiber und Kinder
greinen, (wenn von Verstellung der Geberde
bei Thränen die Rede ist) sondern auch Män-
ner, wird selbst dem gemeinsten Beobachter
nicht entgangen seyn. Die Launen der Wei-
ber werden in der That zu wenig von uns

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0188" n="180"/>
nichts mehr, so doch den Vorzug erwirbt,<lb/>
sonderbar zu scheinen. Ein Glück, das dem<lb/>
Verstande in Nothfällen übrig bleibt, um zu<lb/>
zeigen, wie viel man zu thun im Stande ge-<lb/>
wesen wäre, wenn man nicht zu vielen Hin-<lb/>
dernissen unterliegen müssen. Wir sind mehr<lb/>
für die Gewohnheit, Weiber mehr für die<lb/>
Neuheit &#x2014; Beide Neigungen lassen sich aus<lb/>
der Lage beider Geschlechter ziemlich richtig<lb/>
erklären. Was geht dem andern Geschlechte<lb/>
ab, um würdig zu seyn, in den vorigen Stand<lb/>
zurückgesetzt (<hi rendition="#i">in integrum</hi> restituirt) zu wer-<lb/>
den? Die Thränen der Weiber sind nicht<lb/>
blo&#x017F;s Beweise der Schwäche, sondern auch<lb/>
Beweise der in ihnen wohnenden Kraft Sind<lb/>
Thränen nicht schon im gemeinen Leben öfter<lb/>
Anzeigen des Entschlusses, als der Reue? und ha-<lb/>
ben nicht Schuld und Unschuld ihre Thränen?<lb/>
Da&#x017F;s übrigens nicht blo&#x017F;s Weiber und Kinder<lb/>
greinen, (wenn von Verstellung der Geberde<lb/>
bei Thränen die Rede ist) sondern auch Män-<lb/>
ner, wird selbst dem gemeinsten Beobachter<lb/>
nicht entgangen seyn. Die Launen der Wei-<lb/>
ber werden in der That zu wenig von uns<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0188] nichts mehr, so doch den Vorzug erwirbt, sonderbar zu scheinen. Ein Glück, das dem Verstande in Nothfällen übrig bleibt, um zu zeigen, wie viel man zu thun im Stande ge- wesen wäre, wenn man nicht zu vielen Hin- dernissen unterliegen müssen. Wir sind mehr für die Gewohnheit, Weiber mehr für die Neuheit — Beide Neigungen lassen sich aus der Lage beider Geschlechter ziemlich richtig erklären. Was geht dem andern Geschlechte ab, um würdig zu seyn, in den vorigen Stand zurückgesetzt (in integrum restituirt) zu wer- den? Die Thränen der Weiber sind nicht bloſs Beweise der Schwäche, sondern auch Beweise der in ihnen wohnenden Kraft Sind Thränen nicht schon im gemeinen Leben öfter Anzeigen des Entschlusses, als der Reue? und ha- ben nicht Schuld und Unschuld ihre Thränen? Daſs übrigens nicht bloſs Weiber und Kinder greinen, (wenn von Verstellung der Geberde bei Thränen die Rede ist) sondern auch Män- ner, wird selbst dem gemeinsten Beobachter nicht entgangen seyn. Die Launen der Wei- ber werden in der That zu wenig von uns

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/188
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/188>, abgerufen am 28.04.2024.