Frauenzimmer von jeher mehr, als in despo- tischen Staaten, wo die Sklaverei der Weiber politisch nothwendig ist. Den Weibern ist ohne Zweifel jene Gelindigkeit, Mässigung und Einschränkung in der Regierung zu dan- ken -- Wo sie zum Worte kommen, stimmt sich Alles zur erlaubten bürgerlichen Freiheit; zur erlaubten, sag' ich, und füge hinzu, dass die Weiber zur despotischen Herrschaft von Seelen- und Körperswegen nicht aufgelegt sind -- Zeigen sie Spuren vom Gegentheil, so waren Männer ihre Verführer. Der from- me Haller sagt: was Böses ist geschehn, das nicht ein Prie- ster that? und ist Priester nicht ein Erzmann? ein Mann aus höherem Chor? Man sagt, im Orient mache das Klima es nothwendig, dass die Weiber in Festungen eingeschlossen werden, und der Zwang der Harems verbessere ihre Sitten. Lieber! kann der Zwang Sitten ver- bessern, wenn du ihn dir nicht selbst durch Grundsätze anlegst? oder ist die Tugend, die nicht nur einer Schildwache, sondern einer
gan-
Frauenzimmer von jeher mehr, als in despo- tischen Staaten, wo die Sklaverei der Weiber politisch nothwendig ist. Den Weibern ist ohne Zweifel jene Gelindigkeit, Mäſsigung und Einschränkung in der Regierung zu dan- ken — Wo sie zum Worte kommen, stimmt sich Alles zur erlaubten bürgerlichen Freiheit; zur erlaubten, sag’ ich, und füge hinzu, daſs die Weiber zur despotischen Herrschaft von Seelen- und Körperswegen nicht aufgelegt sind — Zeigen sie Spuren vom Gegentheil, so waren Männer ihre Verführer. Der from- me Haller sagt: was Böses ist geschehn, das nicht ein Prie- ster that? und ist Priester nicht ein Erzmann? ein Mann aus höherem Chor? Man sagt, im Orient mache das Klima es nothwendig, daſs die Weiber in Festungen eingeschlossen werden, und der Zwang der Harems verbessere ihre Sitten. Lieber! kann der Zwang Sitten ver- bessern, wenn du ihn dir nicht selbst durch Grundsätze anlegst? oder ist die Tugend, die nicht nur einer Schildwache, sondern einer
gan-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0152"n="144"/>
Frauenzimmer von jeher mehr, als in despo-<lb/>
tischen Staaten, wo die Sklaverei der Weiber<lb/>
politisch nothwendig ist. Den Weibern ist<lb/>
ohne Zweifel jene Gelindigkeit, Mäſsigung<lb/>
und Einschränkung in der Regierung zu dan-<lb/>
ken — Wo sie zum Worte kommen, stimmt<lb/>
sich Alles zur erlaubten bürgerlichen Freiheit;<lb/>
zur erlaubten, sag’ ich, und füge hinzu, daſs<lb/>
die Weiber zur despotischen Herrschaft von<lb/>
Seelen- und Körperswegen nicht aufgelegt<lb/>
sind — Zeigen sie Spuren vom Gegentheil,<lb/>
so waren Männer ihre Verführer. Der from-<lb/>
me <hirendition="#i">Haller</hi> sagt:<lb/><hirendition="#et"><hirendition="#i">was Böses ist geschehn, das nicht ein Prie-<lb/>
ster that?</hi></hi><lb/>
und ist Priester nicht ein Erzmann? ein Mann<lb/>
aus höherem Chor? Man sagt, im Orient<lb/>
mache das Klima es nothwendig, daſs die<lb/>
Weiber in Festungen eingeschlossen werden,<lb/>
und der Zwang der Harems verbessere ihre<lb/>
Sitten. Lieber! kann der Zwang Sitten ver-<lb/>
bessern, wenn du ihn dir nicht selbst durch<lb/>
Grundsätze anlegst? oder ist die Tugend, die<lb/>
nicht nur einer Schildwache, sondern einer<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gan-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[144/0152]
Frauenzimmer von jeher mehr, als in despo-
tischen Staaten, wo die Sklaverei der Weiber
politisch nothwendig ist. Den Weibern ist
ohne Zweifel jene Gelindigkeit, Mäſsigung
und Einschränkung in der Regierung zu dan-
ken — Wo sie zum Worte kommen, stimmt
sich Alles zur erlaubten bürgerlichen Freiheit;
zur erlaubten, sag’ ich, und füge hinzu, daſs
die Weiber zur despotischen Herrschaft von
Seelen- und Körperswegen nicht aufgelegt
sind — Zeigen sie Spuren vom Gegentheil,
so waren Männer ihre Verführer. Der from-
me Haller sagt:
was Böses ist geschehn, das nicht ein Prie-
ster that?
und ist Priester nicht ein Erzmann? ein Mann
aus höherem Chor? Man sagt, im Orient
mache das Klima es nothwendig, daſs die
Weiber in Festungen eingeschlossen werden,
und der Zwang der Harems verbessere ihre
Sitten. Lieber! kann der Zwang Sitten ver-
bessern, wenn du ihn dir nicht selbst durch
Grundsätze anlegst? oder ist die Tugend, die
nicht nur einer Schildwache, sondern einer
gan-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/152>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.