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Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792.

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Welt, von der wir, da sie unter dem Herzen
ihrer Mutter lag, nichts wissen. Ist unsere
Kindheit (wo wir keinen Willen haben, son-
dern nach Instinkten und nach Leitung der
Eltern, die uns entwarfen, leben, weben und
sind) nicht jener Weltperiode ähnlich, die wir
den Stand der Unschuld nennen? und sie
mag um so mehr so heissen, da uns in der-
selben nichts zugerechnet werden kann. Der
Mensch fühlt sich; das heisst: er emancipirt
sich, giebt oft noch vor der Zeit sich veniam
aetatis,
glaubt in seiner Vernunft einen Gott
zu haben; und seht! mitten in dieser Selbst-
vergötterung sinkt er, und oft so tief unter
den Menschen herab, dass er kaum zu kennen
ist -- Leidenschaften stürzen ihn -- Fall auf
Fall! -- Anfänglich sind diese Leidenschaften
ungebetene Gäste, die man gemeiniglich lieber
gehen als kommen sieht; doch über ein Klei-
nes werden sie Vernunftgenossen, Herzens-
freunde, Busen- und Schoosslieblinge, deren
Umgang, wenn das Gewissen dagegen einwen-
det, der Mensch bis auf's Blut so vertheidigt
und rechtfertiget, dass das sich selbst gelassene

Welt, von der wir, da sie unter dem Herzen
ihrer Mutter lag, nichts wissen. Ist unsere
Kindheit (wo wir keinen Willen haben, son-
dern nach Instinkten und nach Leitung der
Eltern, die uns entwarfen, leben, weben und
sind) nicht jener Weltperiode ähnlich, die wir
den Stand der Unschuld nennen? und sie
mag um so mehr so heiſsen, da uns in der-
selben nichts zugerechnet werden kann. Der
Mensch fühlt sich; das heiſst: er emancipirt
sich, giebt oft noch vor der Zeit sich veniam
aetatis,
glaubt in seiner Vernunft einen Gott
zu haben; und seht! mitten in dieser Selbst-
vergötterung sinkt er, und oft so tief unter
den Menschen herab, daſs er kaum zu kennen
ist — Leidenschaften stürzen ihn — Fall auf
Fall! — Anfänglich sind diese Leidenschaften
ungebetene Gäste, die man gemeiniglich lieber
gehen als kommen sieht; doch über ein Klei-
nes werden sie Vernunftgenossen, Herzens-
freunde, Busen- und Schooſslieblinge, deren
Umgang, wenn das Gewissen dagegen einwen-
det, der Mensch bis auf’s Blut so vertheidigt
und rechtfertiget, daſs das sich selbst gelassene

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[118/0126] Welt, von der wir, da sie unter dem Herzen ihrer Mutter lag, nichts wissen. Ist unsere Kindheit (wo wir keinen Willen haben, son- dern nach Instinkten und nach Leitung der Eltern, die uns entwarfen, leben, weben und sind) nicht jener Weltperiode ähnlich, die wir den Stand der Unschuld nennen? und sie mag um so mehr so heiſsen, da uns in der- selben nichts zugerechnet werden kann. Der Mensch fühlt sich; das heiſst: er emancipirt sich, giebt oft noch vor der Zeit sich veniam aetatis, glaubt in seiner Vernunft einen Gott zu haben; und seht! mitten in dieser Selbst- vergötterung sinkt er, und oft so tief unter den Menschen herab, daſs er kaum zu kennen ist — Leidenschaften stürzen ihn — Fall auf Fall! — Anfänglich sind diese Leidenschaften ungebetene Gäste, die man gemeiniglich lieber gehen als kommen sieht; doch über ein Klei- nes werden sie Vernunftgenossen, Herzens- freunde, Busen- und Schooſslieblinge, deren Umgang, wenn das Gewissen dagegen einwen- det, der Mensch bis auf’s Blut so vertheidigt und rechtfertiget, daſs das sich selbst gelassene

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/126>, abgerufen am 25.11.2024.