Welt, wo nicht ein Gebäude, so doch eine Hütte zu zimmern, und ein Ebenbild unseres Geistes, eine Einheit zu schaffen, die ohne Forscherblick weder in der Weltgeschichte, noch auch in der Geschichte jedes einzelnen Menschen, gefunden werden kann. Ohne die- sen Geist der Wahrheit ist und bleibt jede Lebensbeschreibung ein Roman, der Verfasser gehe so offen zu Werke als möglich, oder verstecke sich unter die Bäume im Garten. -- Zu Geschichtforschern, Auslegern des mensch- lichen Geistes, zu Seelengelehrten, zu Sehern, gehört Studium seiner selbst; und nur in die- ser Rücksicht ist sich selbst zu kennen eine grosse Lehre! Nur ein Geschichtschreiber, der diese Salbung empfing, weiss die Reihe der Dinge zu übersehen, und Ursache und Wirkung unter Einen Hut zu bringen. -- Es giebt historische Ergänzungen, wo uns so we- nig ein lästiges Ungefähr untergeschoben wird. dass wir weder gerade noch seitwärts etwas gegen diese Ergänzungen einwenden mögen, wenn wir auch könnten. --
Seht! nicht Überlegenheit des Körpers,
G 4
Welt, wo nicht ein Gebäude, so doch eine Hütte zu zimmern, und ein Ebenbild unseres Geistes, eine Einheit zu schaffen, die ohne Forscherblick weder in der Weltgeschichte, noch auch in der Geschichte jedes einzelnen Menschen, gefunden werden kann. Ohne die- sen Geist der Wahrheit ist und bleibt jede Lebensbeschreibung ein Roman, der Verfasser gehe so offen zu Werke als möglich, oder verstecke sich unter die Bäume im Garten. — Zu Geschichtforschern, Auslegern des mensch- lichen Geistes, zu Seelengelehrten, zu Sehern, gehört Studium seiner selbst; und nur in die- ser Rücksicht ist sich selbst zu kennen eine groſse Lehre! Nur ein Geschichtschreiber, der diese Salbung empfing, weiſs die Reihe der Dinge zu übersehen, und Ursache und Wirkung unter Einen Hut zu bringen. — Es giebt historische Ergänzungen, wo uns so we- nig ein lästiges Ungefähr untergeschoben wird. daſs wir weder gerade noch seitwärts etwas gegen diese Ergänzungen einwenden mögen, wenn wir auch könnten. —
Seht! nicht Überlegenheit des Körpers,
G 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0111"n="103"/>
Welt, wo nicht ein Gebäude, so doch eine<lb/>
Hütte zu zimmern, und ein Ebenbild unseres<lb/>
Geistes, eine Einheit zu schaffen, die ohne<lb/>
Forscherblick weder in der Weltgeschichte,<lb/>
noch auch in der Geschichte jedes einzelnen<lb/>
Menschen, gefunden werden kann. Ohne die-<lb/>
sen Geist der Wahrheit ist und bleibt jede<lb/>
Lebensbeschreibung ein Roman, der Verfasser<lb/>
gehe so offen zu Werke als möglich, oder<lb/>
verstecke sich unter die Bäume im Garten. —<lb/>
Zu Geschichtforschern, Auslegern des mensch-<lb/>
lichen Geistes, zu Seelengelehrten, zu Sehern,<lb/>
gehört Studium seiner selbst; und nur in die-<lb/>
ser Rücksicht ist <hirendition="#i">sich selbst zu kennen</hi> eine<lb/>
groſse Lehre! Nur ein Geschichtschreiber,<lb/>
der diese Salbung empfing, weiſs die Reihe<lb/>
der Dinge zu übersehen, und Ursache und<lb/>
Wirkung unter Einen Hut zu bringen. — Es<lb/>
giebt historische Ergänzungen, wo uns so we-<lb/>
nig ein lästiges Ungefähr untergeschoben wird.<lb/>
daſs wir weder gerade noch seitwärts etwas<lb/>
gegen diese Ergänzungen einwenden mögen,<lb/>
wenn wir auch könnten. —</p><lb/><p>Seht! nicht Überlegenheit des Körpers,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">G 4</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[103/0111]
Welt, wo nicht ein Gebäude, so doch eine
Hütte zu zimmern, und ein Ebenbild unseres
Geistes, eine Einheit zu schaffen, die ohne
Forscherblick weder in der Weltgeschichte,
noch auch in der Geschichte jedes einzelnen
Menschen, gefunden werden kann. Ohne die-
sen Geist der Wahrheit ist und bleibt jede
Lebensbeschreibung ein Roman, der Verfasser
gehe so offen zu Werke als möglich, oder
verstecke sich unter die Bäume im Garten. —
Zu Geschichtforschern, Auslegern des mensch-
lichen Geistes, zu Seelengelehrten, zu Sehern,
gehört Studium seiner selbst; und nur in die-
ser Rücksicht ist sich selbst zu kennen eine
groſse Lehre! Nur ein Geschichtschreiber,
der diese Salbung empfing, weiſs die Reihe
der Dinge zu übersehen, und Ursache und
Wirkung unter Einen Hut zu bringen. — Es
giebt historische Ergänzungen, wo uns so we-
nig ein lästiges Ungefähr untergeschoben wird.
daſs wir weder gerade noch seitwärts etwas
gegen diese Ergänzungen einwenden mögen,
wenn wir auch könnten. —
Seht! nicht Überlegenheit des Körpers,
G 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hippel, Theodor Gottlieb von: Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Berlin, 1792, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_weiber_1792/111>, abgerufen am 13.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.